Nachhaltige Idee: Deutschlands fairste Maus
MÜNCHEN - Das ist die Geschichte einer Idee. Und einer Frau, die sich getraut hat, ihren Job aufzugeben, um diese Idee auch umzusetzen.
Susanne Jordan war damals Anfang 30. Sie hatte Geographie studiert und arbeitete in einer Rating-Agentur, die die Nachhaltigkeit von Firmen bewertet. Ihr Spezialgebiet waren Computer-Hersteller. Welche Arbeitsbedingungen herrschen bei der Produktion? Woher stammen die Rohstoffe? Susanne Jordans Beruf war, das einzuordnen. Immer wieder stellte sie dabei fest, wie viel im Argen liegt.
Irgendwann reichte es ihr. Sie wollte nicht mehr nur beobachten, wie andere nichts tun, oder zu wenig. Sie wollte lieber selbst handeln. Also kündigte sie. Um sich voll und ganz ihrem Projekt zu widmen. Dem Projekt: faire Maus.
Was soll das sein? Oder anders gefragt: Was ist an normalen Mäusen unfair? „Das fängt bei den Rohstoffen an“, erklärt Jordan. Kupfer, Zinn, Silber, Nickel – abgebaut wird da, wo’s am billigsten ist. Im Kongo zum Beispiel. Umwelt- oder Sozialstandards? Fehlanzeige. „Das erinnert an Sklavenarbeit.“
Auch bei der Verarbeitung achten die Konzerne dann vor allem auf den Preis. Was zur Folge hat, dass viele Arbeiter in Asien für ein mickriges Gehalt durchgehend schuften müssen. Ohne je frei zu haben.
Susanne Jordan wollte zeigen, dass es auch anders geht. Schritt 1: Sie zerstörte einige Computermäuse, um sich mal anzuschauen, woraus diese bestehen. Ihr Bruder half ihr dabei. Seither weiß Susanne Jordan: „Eine Maus hat circa 20 Einzelteile.“ Sie kaufte sich einen Elektronik-Baukasten – und begann, zu begreifen. „Wenn der Durchschnitt 50 Punkte technisches Verständnis hat, dann habe ich vielleicht 52 Punkte.“
Schritt 2: Sie fragte bei Händlern an, ob sie Zulieferer kennen, die Einzelteile einer solchen Maus in Ländern mit guten Sozialstandards produzieren. „Oft bin ich da auf ein bisserl Unverständnis gestoßen – weil’s sonst ja auch niemanden interessiert.“ Erst Mundpropaganda und ein Messebesuch halfen weiter. Jordan fand erste Firmen, die Mäuse-Teile zu fairen Arbeitsbedingungen herstellen.
Schritt 3: Susanne Jordan lieh sich Geld. Insgesamt 70 000 Euro investierte sie in ihre Idee. Der teuerste Posten: Ein Werkzeugmacher musste engagiert werden, der die Form fürs Gehäuse anfertigt. Vor etwa einem Jahr war der Prototyp fertig. Und seit Dezember verkauft die Frau aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ihre (fast) fairen Mäuse.
Zwei Drittel der verwendeten Bauteile werden in Deutschland oder zu ähnlich fairen Arbeitsbedingungen in Japan und Israel produziert. Für das verbleibende Drittel – darunter Kabel, der kleine Sensor mit der Kamera oder das Scrollrad – hat Jordan noch keine Lösung gefunden.
Das Montieren übernehmen andere. In einer Behindertenwerkstatt in Landshut entsteht das weiß-grüne Gehäuse, das sogar kompostierbar ist. Derzeit wird es noch aus europäischen Hölzern und Resten der Papierindustrie angefertigt. Demnächst soll aber Recycling-Plastik verwendet werden. Und in einer Integrationswerkstatt in Regensburg werden die Mäuse schließlich zusammengeschraubt.
Das Geschäft ist gut angelaufen. 1500 Bestellungen sind bei Susanne Jordan schon eingegangen. Obwohl die faire Computermaus mit 29,90 Euro etwa doppelt so teuer ist wie ihre unfairen Artgenossen. Leben kann ihre Erfinderin davon noch nicht. Sie jobbt in Cafés und als Kinderbetreuerin, um über die Runden zu kommen. Gleichzeitig ist sie ständig auf der Suche – nach neuen Bauteilen, um ihre Maus irgendwann komplett fair zu machen. „Sie soll sich auf jeden Fall selber tragen“, ist Jordans Wunsch.
Die inzwischen 35-Jährige lebt in einer WG in Bichl. Alles, was sie sagt und tut, wirkt sehr bedacht. Sie verzichtet auf Urlaubs-Flüge und kauft Bio-Essen. Unfair hergestellte Produkte wie ihr Handy, Computer oder auch Kleidung erwirbt sie gebraucht. „Damit ich nicht den Auftrag gebe, dass sowas nochmal produziert wird.“
Auch was ihr Baby, die Maus, angeht, gibt sich Susanne Jordan ganz bescheiden. Davon, dass es schon Mut braucht, um seine Arbeit zu kündigen und sich in so ein Projekt zu stürzen, will sie nichts hören. „Ich hatte keine Zweifel, dass ich im Notfall wieder einen Job finde“, sagt Jordan. In Deutschland sei man schließlich abgesichert.
Doch dann denkt sie nochmal kurz nach und sagt: „Wenn ich allerdings gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich wohl mehr Mut gebraucht.“ Die Geschäftswelt, die sei ihr doch recht fremd, sagt sie. Genau wie das Chef-Sein. Ein bisserl naiv sei sie an das Ganze schon herangegangen. Susanne Jordan sagt: „Ich fühle mich im Idealismus zuhause. Und nicht so im Konkreten.“
Die faire Computermaus ist übers Internet bestellbar unter www.nager-it.de
- Themen: