Nachhaltig wohnen und essen: Eine Siedlung auf dem Holzweg

München - Es ist laut rund um den Maria-Nindl-Platz. Sehr laut. Der Lärm kommt von Baumaschinen, die an diesem goldenen Oktobertag im Einsatz sind. Die 566 Wohnungen (im ganzen Prinz-Eugen-Park sind es 1.500) sind zwar fertig und bereits bezogen. Es sind aber noch Sportstätten zu errichten und Gartenbauarbeiten zu erledigen in Deutschlands größter Ökologischer Mustersiedlung.
Münchner Prinz-Eugen-Park ein Viertel mit Leuchtturmcharakter
Die Siedlung ist aber schon jetzt ein Viertel mit Leuchtturmcharakter. Etwa 13.000 Tonnen Kohlendioxid werden in den Häusern hier langfristig gespeichert. Gegenüber der mineralischen Bauweise können durch die Holzbauweise je nach Holzanteil etwa 30 bis 60 Prozent der klimaschädlichen Emissionen substituiert werden. Sagt die Stadt München.
Beim Rundgang durch die Siedlung fällt auf: Nicht alle Häuser sind von außen als Holzhybridbauten zu erkennen. Manche wurden weiß verputzt. Das soll vor allzu schneller Verwitterung schützen.

Simone Paffrath (44) ist mit ihrem Mann Tom Schiebler (41) und drei Kindern (3, 8 und 11 Jahre alt) vor zwei Jahren aus Schwabing nach Oberföhring in eine der Wohnungen auf dem ehemaligen Gelände einer Kaserne eingezogen. In einen Holzhybridbau am östlichen Ende der Mustersiedlung.
Nichts an der Holzhybridbauweise auszusetzen
Simone Paffrath schwärmt von dem "sehr angenehmen Wohnklima". Das Holz, die viele Sonne und die Fußbodenheizung sorgen für Atmosphäre. Ihr Mann pflichtet ihr lächelnd bei, hat "an der Holzhybridbauweise nichts auszusetzen".

Dasselbe gilt für Claus Fincke (65), der sich in der Siedlung bestens auskennt und im selben Baufeld eine Wohnung bezogen hat. "Ich fühle mich sehr wohl. Die Wohnung ist sehr modern, sehr praktisch geschnitten." Dass das Holz knackt, macht ihm nichts aus. In Gegenteil: Das Holz arbeite halt und mache Geräusche.
"Ich empfinde eine gemütliche Atmosphäre und Natürlichkeit in den eigenen vier Wänden. Ein Holzbau schafft ein naturnahes und angenehmes Innenraumklima mit optimaler Luftfeuchtigkeit." Und das Leben in einem Holzhybridbau hat einen weiteren Vorteil: "Die guten Dämmeigenschaften machen sich sowohl im Winter, als auch im Sommer bemerkbar."
Große Wohnungen sind Familien vorbehalten
Dass Finckes Wohnung relativ klein ausgefallen ist, hat etwa mit dem Ziel zu tun, möglichst keinen Wohnraum zu verschenken. Die größeren Wohnungen der Siedlung sind Familien vorbehalten. Auf diese Weise ist auch Paffraths Familie zu ihrer Wohnung in der Mustersiedlung gekommen. Weil sie zu fünft waren, bekamen sie den Zuschlag für ihr 105-Quadratmeter-Domizil.
Warum aber ist Holz-Architektur nachhaltiger als andere Baustoffe? Claus Fincke weiß die Antwort: "Holz ersetzt CO2-intensive Baustoffe. In Holz ist das Treibhausgas CO2 gespeichert. Wenn es nicht verbrannt, sondern verbaut wird, dann bleibt es gebunden und kann nicht zur Erderwärmung beitragen."
Und Holz hat laut Fincke weitere nachhaltige Vorteile: Tragende Wände und Fassaden können präzise und wetterunabhängig im Werk vorgefertigt werden, die Bauzeit ist mit vorgefertigten Holzelementen in der Regel deutlich geringer als bei einem vergleichbaren Massivhaus. "Das spart Kosten und reduziert den Baustellenverkehr", sagt Fincke.
Holzbauförderung gab es zudem nur, wenn die Rohstoffe nachweislich in Deutschland oder maximal 400 Kilometer vom Standort der Ökologischen Mustersiedlung geerntet wurden.
Reine Holzbauweise ist die Ausnahme
Warum dann aber nicht gleich reine Holzbauten hinstellen? Das würde doch dementsprechend mehr Nachhaltigkeit zur Folge haben. Auch darauf weiß Fincke eine Antwort: "Den Bau von reinen Holzhäusern hat die Lokalbaukommission München und die Feuerwehr München zum Zeitpunkt der Planung nicht zugelassen. Eine reine Holzbauweise beim mehrgeschossigen Wohnungsbau ist ohnehin die Ausnahme."
Und darüber ist er nicht einmal unglücklich. Wenn alle vier Wände aus Holz wären, würde er sich ja wie in der Sauna fühlen, erklärt der Vorruheständler.
Wildbienen liegen Simone Paffrath besonders am Herzen
So wie er ist auch Simone Paffrath viel ehrenamtlich unterwegs. Die Schauspielerin, die durch die Siedlung führt, engagiert sich im Arbeitskreis Ökologie. Ihre besondere Leidenschaft gehört den Wildbienen und damit auch den Gängen in der Erde in denen die Insekten den Winter überstehen wollen.
Entlang der Jörg-Hube-Straße klafft derzeit eine große Lücke an der Kante zum Gehweg. Der Bienen wegen. Hier soll möglichst schonend weitere Erde aufgetragen werden, erklärt Paffrath. Ohne dass die Bienengänge zerstört werden. Der Schutz der Bienen liegt ihr besonders am Herzen.
Nur ein Beispiel für den ökologischen Ansatz, der in der Siedlung verfolgt wird. Weniger Auto, mehr Natur könnte ein Motto für die Siedlung heißen. Radeln und Car-Sharing sollen dabei helfen, diesen Anspruch mit Leben zu erfüllen.
Nicht alles funktioniert wie gewünscht. Claus Fincke stört, dass der Weg zur Tram an der Cosimastraße für manche Bewohner arg lang ist. Für Linienbusse sind die Straßen im Viertel aber zu schmal.
Kleine Läden sind derzeit noch Mangelware
Auch dass das Kulturbürgerhaus auf dem Maria-Nindl-Platz nicht so recht in die Gänge kommt, ärgert ihn.
Sein Nachbar Tom Schiebler kritisiert zudem, dass es zu wenig Infrastruktur gibt. Die kleinen Läden wie er sie aus Schwabing kennt, fehlen in der Mustersiedlung. Das findet auch Claus Fincke: "Eine bessere Durchmischung des Quartiers, auch mit Kleingewerbe, hätte Vorteile für die Bewohner gehabt."

Auch bei Leuchttürmen kommen also Planungsfehler vor. Aber wer durch die Siedlung läuft und mit den Bewohnern spricht, spürt den Enthusiasmus und das Gefühl, dass man auf dem richtigen Weg zu einer nachhaltigeren Wohn- und Lebensweise ist. Und wenn die Baumaschinen dann mal abgezogen sind, dürfte es auch wieder deutlich ruhiger werden in Münchens Vorzeige-Siedlung im Prinz-Eugen-Park.