Nach "Welle des Entsetzens" in München – Studenten wehren sich gegen Studierendenwerk

Weil das Studierendenwerk ihr Mitspracherecht einschränken will, gehen Studenten in München auf die Barrikaden. Ein AZ-Besuch im legendären Biederstein.
Jan Krattiger
Jan Krattiger
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
31  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Studierende protestieren mit Bannern gegen geplante Neuerungen.
Studierende protestieren mit Bannern gegen geplante Neuerungen. © privat

München - Das Biederstein ist mit seinen 170 Bewohnern bei weitem nicht das größte Studentenwohnheim in München. Aber es ist eines, das sich durch eine starke Selbstverwaltung und einen besonderen Zusammenhalt unter den Bewohnern auszeichnet. Ein Zusammenhalt, der zum Beispiel auch den unter Studenten seit Jahrzehnten sehr beliebten Biedersteiner Fasching überhaupt erst möglich macht.

Was ist also passiert, dass da plötzlich hilfesuchende E-Mails verschickt und Protestbanner an die Balkone gehängt werden?

"Welle des Entsetzens": Studenten wehren sich gegen Wohnheim-Neuerungen in München

Die AZ trifft die beiden Biederstein-Bewohner Farid Razai und Paul Volk im Gemeinschaftsraum des Wohnheims – leicht abgeranzte Sofas, ein kleiner Kräutergarten und allerlei Krimskrams sind zu sehen, die Sonne scheint durch die ziemlich schmutzige Fensterfront – studentische Gemütlichkeit eben.

Paul Volk und Farid Razai engagieren sich im studentischen Wohnheim Biederstein.
Paul Volk und Farid Razai engagieren sich im studentischen Wohnheim Biederstein. © Jan Krattiger

Laut Farid Razai, Masterstudent der Robotik und KI an der TU, begann alles ziemlich unvermittelt mit einer E-Mail vom Studierendenwerk am 6. Februar: "Das hat in allen Wohnheimen eine Welle des Entsetzens ausgelöst", sagt er.

Plan des Studierendenwerks München: Keine Haussprecher und keine Wahlen mehr

Inhalt der E-Mail: Ab Sommersemester 2024 sollen die beiden Ämter der Haussprecher und Tutoren zusammengelegt – und vor allem: nicht mehr von den Bewohnern selber gewählt werden.

Haussprecher und Tutoren haben in den Studentenwohnheimen unterschiedliche Funktionen, erklären die beiden Studenten. Paul Volk ist selber im Biederstein Haussprecher und somit das Bindeglied zwischen dem Wohnheim und dem Studierendenwerk. Er kümmert sich darum, dass im Wohnheim alles rund läuft, organisiert Versammlungen und ist zum Beispiel etwas kaputt, kümmert er sich darum, dass es repariert wird. Und: Er vertritt gegenüber dem Studierendenwerk die Interessen der Bewohner. "Da macht es auch Sinn, dass wir von ihnen gewählt werden", sagt Volk. Die Tutoren sind eher für das kulturelle Leben, für Veranstaltungen, Kinoabende und ähnliches verantwortlich.

"Verlust von Demokratie": Studenten kritisieren Pläne des Studierendenwerks

Es habe zwar im Vorfeld schon Gespräche mit dem Studierendenwerk über mögliche Änderungen in der Organisation gegeben, "aber es ging nie darum, dass die Wahlen oder die Haussprecher abgeschafft werden sollen", sagt Razai.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Das Studierendenwerk München-Oberbayern sagt auf AZ-Anfrage, man habe alle Haussprecher und Tutoren vor ihrer Ernennung zu Beginn des Wintersemesters informiert "über bevorstehende Veränderungen". Im Oktober 2023 habe man trotzdem alle Ämter für ein komplettes Jahr vergeben, "fairerweise also eine Übergangsregelung mit Exit-Möglichkeit geschaffen mit dem Hinweis auf geplante Umstrukturierungen", so das Studierendenwerk.

Den Studenten Paul Volk stört vor allem, dass die Studierenden ihre Vertreter nicht mehr selbst wählen können sollen: "Es ist ein Verlust von Demokratie, wenn das wegfällt, das ist nichts Schönes. Gerade für uns Studierende ist es eine Bereicherung für jeden, der hier mitbestimmen kann." Zumal sich Wohnheime wie das Biederstein seit jeher in einem hohen Maß selbst verwaltet haben.

Studenten kritisieren Studierendenwerk: Künftig keine Wahlen mehr

Das Studierendenwerk wiederum begründet auf AZ-Nachfrage seinen Plan damit, dass "die Aufgabentrennung der beiden Ämter bislang nicht eindeutig war", so ein Sprecher. "Das führte in der Vergangenheit mitunter dazu, dass einige Aufgaben doppelt und andere gar nicht erfüllt wurden." Und: nicht alle Haussprecher und Tutoren hätten "ihre Funktionen mit gleich viel Engagement ausgefüllt".

Künftig sollen die Tutoren nicht mehr von den Bewohnern gewählt werden, sondern sich für diese Ämter beim Studierendenwerk bewerben. Auch, weil die Wahlen laut Studierendenwerk nicht in jedem Wohnheim gleich gut funktioniert haben. Ein Punkt, den auch die beiden Biederstein-Studenten anerkennen. Aber: "Wir haben ihnen Lösungsvorschläge vorgelegt, die sie jedoch nicht interessieren", sagt Razai. Sie hatten zum Beispiel vorgeschlagen, als Wahlhelfer andere Wohnheime bei der Durchführung der Wahlen zu unterstützen.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Frist abgelaufen, wie es jetzt weiter geht

Ein Zusammenschluss von rund 17 Wohnheimen wehrt sich gegen die Pläne des Studierendenwerks. Und kritisiert auch, dass viele Details zu den neuen Strukturen noch nicht bekannt seien. "Das Stuwerk weiß selber noch nicht genau, wie sie das alles regeln", sagt Volk. Die Frist vom 1. März, zu der die Haussprecher und Tutoren der neuen Organisation des Studierendenwerks hätten zustimmen sollen, haben Volk und seine Mitstreiter erstmal verstreichen lassen.

Für das Studierendenwerk gibt es an dem Prozess allerdings nichts mehr zu rütteln. "Die Bedingungen waren rechtzeitig und transparent kommuniziert", schreibt ein Sprecher. Und: es stehe allen Amtsinhabern frei, "ihr Amt zum 31. März niederzulegen." Das Studierendenwerk erhofft sich vom neuen System "klare Zuständigkeiten" und eine "verbesserte Instandhaltung der Wohnanlagen". Oder wie der Student Farid Razai es aus seiner Sicht formuliert: "Sie scheren einfach alle über einen Kamm und wollen die Wahlen abschaffen."

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
31 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Witwe Bolte am 08.03.2024 14:54 Uhr / Bewertung:

    Studierendenwerk = Gender-Ballaballa. 🤯
    Die Ausländer, die diesen Mumpiz auch noch lernen müssen, können einem echt leid tun.

  • Da Ding am 09.03.2024 00:53 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Witwe Bolte

    Da bollert sie wieder, die Witwe 🤗

  • El Chapin am 08.03.2024 07:08 Uhr / Bewertung:

    Das Studentenwerk wir aus Beiträgen der Studenten bezahlt und sollte auch aus Gründen des demokratischen Respekts nun zurückrudern anstatt zu versuchen eine gelungene Form von Selbstverwaltung abzuschaffen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.