Nach Raubkunstskandal: Schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Pinakotheken München

München – Der Wechsel an der Spitze der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen war die erste Konsequenz, die Kunstminister Markus Blume (CSU) nach dem Raubkunst-Skandal gezogen hatte. Es gebe weitere "Hinweise und Vorwürfe zu Fehlverhalten und Organisationsversagen", erwähnte Blume am Mittwoch in einer Pressekonferenz, ohne konkret zu werden.
In internen Dokumenten, die dem Deutschlandfunk (DLF) zugingen, ist von "mindestens 19 Vorwürfen" die Rede: Unter anderem "sexuelle Belästigung Minderjähriger sowie rassistische Belästigungen durch das Aufsichtspersonal". Es gebe "Klagen von mindestens zwei Schülerinnen, die sich in einem Pilot-Projekt als ehrenamtliche Helferinnen haben ausbilden lassen", erklärte DLF-Redakteur Stefan Koldehoff auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks. Diese seien "nach Telefonnummern gefragt, im Aufzug wohl auch körperlich berührt und durch Räume verfolgt worden bis ins Museumscafé."
Deutsche Blanko-Pässe verteilt
Laut Unterlagen soll es außerdem zum missbräuchlichen Einsatz von Videoanlagen in den Museumsräumen gekommen sein, um das Verhalten von Mitarbeitern – rechtswidrig – zu kontrollieren. Mit Datenschutz- und Sicherheitsvorschriften scheint man auch in der Sicherheitszentrale eher wenig am Hut gehabt zu haben.
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Mindestens an einem Haus der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gibt es zudem Vorwürfe in Bezug auf die Sicherheit der Kunstwerke. Das teilweise von Fremdfirmen gestellte Personal soll dort bei Kontrollgängen Zugang zu den Depoträumen gehabt haben.

Und es geht noch weiter: Originalgetreue Kopien deutscher Blanko-Reisepässe, die für Alfredo Jaars Rotunden-Projekt „One Million German Passports“ – zu sehen ab Mai 2023 – hergestellt worden waren, seien an anderer Stelle an Mitarbeitende verteilt worden, berichtet der Deutschlandfunk.
Ein mittlerer Berg von Problemen
Zur Klärung hatte Kunstminister Blume bereits eine interne Untersuchung durch eine frühere Staatsanwältin angekündigt. Die erhobenen Vorwürfe sollen der zuständigen Fachabteilung im Ministerium seit Monaten bekannt sein.

Minister Blume sagte dazu am Mittwoch: „Vieles ist erst in den vergangenen Wochen so formuliert oder platziert worden, dass es angekommen ist.“ Ob sich daraus weitere personelle Konsequenzen ergäben, müssten die Untersuchungen zeigen.
Anton Biebl, der am Mittwoch zum Interims-Generaldirektor bestellt wurde, sollte als "Change Manager" die bayerische Museumsoffensive vorantreiben. Also das Flottmachen der staatlichen Institutionen für die Zukunft. Nun muss er sich als Kapitän auf dem staatlichen Supertanker nicht "nur" um die Aufarbeitung der NS-Raubkunst und deren zügige Restitution kümmern, sondern außerdem um einen mittleren Berg von Problemen, der womöglich noch größer wird.
Es bleibt zu befürchten, dass in den kommenden Wochen und Monaten Weiteres ans Tageslicht dringt. Die bisherige Taktik an den Pinakotheken war jedenfalls nicht dazu angetan, Probleme zu kommunizieren und schon gar nicht aktiv anzugehen. Nach den Worten Blumes sollen im Sommer erste Ergebnisse der internen Überprüfungen vorliegen.