Nach der Tonne: Das wird am Ende aus unserem Müll
München - Ein kleiner Moment sehr privater Ehrlichkeit: Die Autorin dieser Zeilen hat etwa drei Jahre Wohnzeit in dieser Stadt gebraucht, um zu begreifen, dass der Münchner Abfallmarkt mitnichten ein ignorantes Konstrukt ist, das Gelber-Sack-sozialisierte Menschen dazu zwingt, ihre Verpackungen in den Restmüll zu werfen – sondern dass Verpackungen in einen eigenen Container bei diesen ominösen Wertstoffinseln gehören.
Abfall, der ist bäh, der stinkt meistens und deshalb ist das menschliche Hirn darauf ausgelegt, möglichst wenig über ihn nachzudenken. Im Durchschnitt produziert aber jeder einzelne Münchner im Jahr rund 408 Kilogramm Abfall – allein als Hausmüll, Sperrmüll zum Beispiel nicht mit eingerechnet. Im Jahr 2015 fielen in den hiesigen Haushalten insgesamt 587.242 Tonnen Abfall an – knapp so viel wie 6.000 Blauwale wiegen.
Und 6.000 Müll-Blauwale in München: Darüber kann man ja dann doch mal nachdenken. Immerhin bedeutet ein sinnvoller Umgang mit Müll: dabei zu helfen, unsere (endlichen) Ressourcen zu schonen. Und, für alle, denen man nicht mit der Moralkeule zu kommen braucht: Abfall kostet auch Geld, nämlich Müllgebühren.
Grundsätzlich wäre es also schön, wenn jeder versucht, so wenig Müll wie möglich zu produzieren. Das ist aber gar nicht so einfach – zum Beispiel hat die Verpackungsmenge im Müll in den vergangenen 20 Jahren um 30 Prozent zugenommen.
Wenn also Müll nicht zu vermeiden ist, sollten wir aber so viel Abfall wie möglich stofflich verwerten. Was, wie, wo und warum, das zeigen wir Ihnen hier – und in den kommenden vier Folgen dieser AZ-Serie über Müll.
Warum das Thema relevant ist? Nochmal ein kleiner Moment privater Ehrlichkeit: Müll macht wirklich jeder.
Lesen Sie in Folge 2 der AZ-Müll-Serie: Wie die Münchner trennen
Papier kommt in München in die blaue Tonne. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Papier und Pappe
Das kommt rein: In die blaue Papiertonne gehören Papier, Pappe, Kartonagen und Karton, Zeitungen, Illustrierte, Kataloge, Prospekte, Briefe, Briefumschläge, Formulare, Computerpapier, Schulhefte, Bücher ohne Einband, gefaltete Pappkartons, Packpapier ohne Klebeband, saubere Papiertüten, Verpackungen aus Papier. (92.920 Tonnen pro Jahr)
Hier kommt der Müll hin: In der Papierfabrik wird das Altpapier zerfasert und zu einer möglichst homogenen Papiersortenmischung gemixt. Dann wird das Papier in einem großen Tank mit Wasser und Seife zu einem Zellulose-Brei vermischt. Der wird gewässert, aufgeweicht, durch Siebe, Filter, Schleudern und Kneter gepresst und gewaschen, bis Heftklammern, Sandkörner und Druckerfarbe verschwunden sind. Dann wird der Brei - mit großem Druck und Hitze - wieder zu Papier gepresst und auf Rollen gewickelt. Altpapier ist laut Umweltbundesamt mit einem Anteil von rund 74 Prozent inzwischen der wichtigste Rohstoff für die Papierindustrie.
Aus Alt mach Neu: Recycling-Papier in einer Fabrik.
Das wird daraus: Alle gesammelten Papierabfälle werden nach dem Recycling von privaten Firmen in München nachsortiert und in Papierfabriken der Region verwertet.
Bio-Abfall
Das kommt rein: In die braune Biotonne gehören kompostierbare Küchen- und Gartenabfälle, Gemüse-, Salat- und Obstreste, Fleisch- und Fischreste, Kartoffel-, Eier-, Nuss- und Obstschalen, (alte) Brot- und Backwaren, Kaffeesatz, -filter und -pads, Pflanzen, Blumenerde, Laub, Gras, Baum- und Strauchschnitt, Zeitungs- und Küchenpapier (kleine Mengen. Keine kompostierbaren Mülltüten einwerfen! (42.117 Tonnen pro Jahr)
Hier kommt der Müll hin: In der Trockenfermentations-Anlage im Entsorgungspark Freimann wird ein Großteil des Biomülls (25.000 Tonnen) vergoren und kompostiert – der Rest wird in Fremdanlagen verwertet. Das Wort "Trockenfermentation" ist etwas irreführend: Der Müll ist während der Vergärung feucht – nur nicht so nass wie bei der Nassfermentation. Der mit Bakterienkulturen angereicherte Müll wird im Fermenter mit einer Wand- und Bodenheizung erwärmt. Dort gärt er – es entsteht Biogas. Der daraus produzierte Strom deckt den Jahresbedarf von 1.600 Haushalten. In Kompostanlagen wird die Masse dann zu Kompost verarbeitet. Der Kreislauf vom Müll bis zum Kompost dauert in der Regel sechs Wochen.
Das wird daraus: Die Münchner Erden, deren Hauptbestandteil Kompost aus Münchner Biomüll ist, gibt es als Sackware und zum Selbstabfüllen auf verschiedenen Wertstoffhöfen.
Restmüll
Das kommt rein: In die graue Restmülltonne gehören Abfälle, die nicht verwertet werden können. Staubsaugerbeutel, Straßenkehricht, Asche, Zigarettenkippen, Katzen- und Kleintierstreu, Malerfolien, Teppichbodenreste, Tapeten, Windeln, Hygienepapiere, eingetrocknete Farben in Tüten gepackt, schmutzige oder beschichtete Papiere, Wachspapiere, Durchschreibepapiere. (311.375 Tonnen pro Jahr)
Hier kommt der Müll hin: In der Müllverbrennungsanlage im Heizkraftwerk Nord in Unterföhring werden der Restmüll, nicht verwertbarer Sperrmüll von den zwölf Wertstoffhöfen und Gewerbeabfall bei bis zu 1.000 Grad Celsius verbrannt und in Strom und Fernwärme für Münchner Haushalte, Betriebe und kommunale Einrichtungen umgewandelt. 150.000 Haushalte der Landeshauptstadt werden laut AWM so mit Wärme versorgt. Es wird nicht nur Münchner Müll verbrannt: Auch die Landkreise München, Freising, Miesbach, Bad Tölz-Wolfratshausen, Donau-Wald und Weilheim-Schongau liefern ihren Restmüll an.
Die Müllverbrennungsanlage im Heizkraftwerk Nord.
Von der Mülltonne in die Sortieranlage. Foto: Roland Weihrauch/dpa
Kunststoffe und Metalle
Das kommt rein: In den Wertstoffcontainer gehören Kunststoffe und Metalle mit dem Zeichen eines dualen Systems: Verbundverpackungen (Saft- und Milchkartons) und Verkaufsverpackungen (Zahnpastatuben, Milchdosen), Verbundstoffe, Weißblech (Konservendosen), Alu, Metallverbund. Des weiteren sollen die Verpackungen "löffelrein" sein: Das bedeutet, die Verpackungen sollten vollständig geleert und möglichst sauber sein – eine Verpflichtung zur Reinigung besteht aber nicht. (7.354 Tonnen pro Jahr)
Hier kommt der Müll hin: Die beiden Entsorgungsunternehmen Remondis und Wittmann sammeln die Wertstoffe im Auftrag der Dualen Systeme ein. In der Sortieranlage erfolgt eine Trennung in die verschiedenen Wertstoff-Fraktionen: Weißblech, Aluminium, Getränkekartons und getrennte Kunststoffarten gehen in die stoffliche Verwertung. Mit Fehlwürfen wie Hausmüll statt Verpackungen kann die Anlage nichts anfangen – sie werden aussortiert und meist verbrannt. Ebenso sind viele Kunststoffgemische problematisch – sie werden nur zu zwölf Prozent stofflich verwertet. Der Rest wird exportiert oder auch verbrannt in der Müllverbrennungsanlage.
Das wird daraus: Bei der stofflichen Verwertung werden aus den Kunststoffen sogenannte Sekundärrohstoffe hergestellt – aus denen unter anderem erneut Verpackungen produziert werden.
Glas
Das kommt rein: In den Glascontainer gehört Behälterglas, also Glasverpackungen für Lebensmittel (Flaschen, Schraubgläser – gern Deckel gesondert wegwerfen), pharmazeutische und kosmetische Glasbehälter (Medizinfläschchen, Cremetiegel). Blaues und rotes Altglas gehören ins Grünglas, da das den größten Anteil an Fremdfarben aufnehmen kann. Keine Trinkgläser, Glühbirnen, Energiesparlampen, Porzellan und Steingut einwerfen! (25.582 Tonnen pro Jahr)
Hier kommt der Müll hin: In der Sortieranlage wird das Glas noch einmal nach Farben sortiert. Dann zerkleinert ein Brecher die Flaschen und Gläser, danach werden noch eventuelle Fremdstoffe entfernt.
Das wird daraus: Die gereinigten Scherben kommen in der Glasfabrik in die Schmelzwanne, wo das Glas bei bis zu 1.600 Grad Celsius verflüssigt und dann zu neuen Flaschen und Gläsern gegossen wird. Mehr als die Hälfte aller Glasflaschen in Deutschland sind aus altem Glas gefertigt.
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