KANN WEG - ALT Münchner Musikregisseur verklagt Disney
München – Auf dem Richtertisch im Landgericht München I liegt am Montagnachmittag ein Stapel DVDs. Alle sieben sind Filmhits aus dem Hause Disney: "König der Löwen", "Eiskönigin" I und II, "Die Schöne und das Biest" als Fantasy-Musical mit Emma Watson, "Aladdin", "Rapunzel" und "Vaiana".
Dass die erfolgreichen Filme aus den USA auch perfekt synchronisiert auf Deutsch gezeigt werden können, daran hat der Münchner Thomas ("Tommy") Amper seinen Anteil. Der 62-Jährige ist Komponist, Musikarrangeur, Musikproduzent, Sänger, Geschäftsführer und Synchronsprecher. Er hat mit seinem Anwalt Nikolaus Reber Disney auf eine höhere Vergütung seiner Leistung verklagt. Am Montagnachmittag fand der erste Prozesstag statt. Es geht um einen Streitwert von 350.000 Euro.
Es kommt so gut wie nie vor, dass in einem Gerichtssaal gesungen wird. Am Montag am Lenbachplatz im Sitzungssaal 401 ist es so. Thomas Amper singt mit sonorer Stimme die ersten Takte von einem Lied von Prinz Ali aus dem Disney-Abenteuerfilm "Aladdin". Amper klopft dabei mit beiden Händen den Takt. Der Musikregisseur demonstriert und erzählt vor Gericht, wie er arbeitet. "Aladdin ist ein Riesenwerk", sagt er.
Er erzählt, wie er die Chöre dirigiert und aufgenommen hat, 30 Chorsänger waren bei ihm im Tonstudio, außerdem die Solisten. Bei "Aladdin" kamen zuerst die Tenöre dran, sie hätten in der Filmmusik für diesen Film eine tragende Rolle.
Amper stand mit in der Aufnahmekabine, nahm die Sänger immer wieder auf. Der Musikregisseur betont, wie genau alles sein muss, kein Sänger darf zu früh oder zu spät einsetzen, jeder muss den Ton genau treffen und dann muss alles exakt mit den Lippenbewegungen der Filmfiguren übereinstimmen – damit die Synchronisation am Ende perfekt ist.
Amper nimmt jede Stimme mehrmals auf, bei "Aladdin" arbeitete er allein mit den Tenören sechs Stunden. Eine Sopranistin musste er am nächsten nach Hause schicken, sie habe keinen guten Tag gehabt, erzählt er im Gericht.
Am Ende hat Thomas Amper Dutzende Tonspuren. Sie müssen dann noch "gesäubert" und bearbeitet werden. Anschließend kommen die Soundeffekte dazu, der passende Hall und so weiter.
In einigen Filmen singt und spricht Thomas Amper auch selbst – und übersetzt einzelne Textpassagen. Der Künstler ist ein Perfektionist, das wird allen im Gericht schnell klar.
Thomas Amper fühlt sich von der Walt Disney Company Germany für seine Arbeit zu schlecht bezahlt. Dabei seien gerade die Lieder in den Film-Musicals von herausgehobener Bedeutung für den Erfolg. Statt Wertschätzung und guter Bezahlung sei sein Anteil am Gesamtwerk heruntergespielt worden. "Ich wurde ziemlich diffamiert", sagt er vor Gericht. "Ich mache viele Jobs in einem", sagt Amper. Pro Song habe er für die Regie nur 500 Euro Regie verdient. Doch allein an dem Song von Prinz Ali in "Aladdin" habe er fünf bis sechs Tage gearbeitet. Für Mix und Editing bekam Thomas Amper noch was extra, aber "nur geringe Zahlungen", so sein Anwalt Nikolaus Reber. Deshalb fordert er nun eine Nachvergütung.
Hintergrund der Klage ist der sogenannte Fairness-Paragraf im Urheberrecht. Er ermöglicht Künstlern, auch im Nachhinein noch Geld einzuklagen, wenn ihr ursprüngliches Honorar in einem „auffälligen Missverhältnis“ zu den Einnahmen steht. Amper und sein Anwalt fordern in einem ersten Schritt erst einmal Auskunft darüber, was Disney mit den deutsch-synchronisierten Filmen eingenommen hat.
Der erste Verhandlungstag zieht sich. Es geht hin und her. Die Vorsitzende Richterin Elke Schwager weist darauf hin, dass einige der Ansprüche des Musikregisseurs bereits verjährt sein könnten. Sie rät dringend zu einem Vergleich.
Jetzt haben beide Parteien erst mal Zeit, darüber nachzudenken und schriftlich Vorschläge zu machen über die Summe. Ein erstes Vergleichsangebot, das Disney Thomas Amper vor Prozessbeginn gemacht hatte, lehnte er ab. Obwohl es in dem Prozess ums Geld geht, wird über die Höhe des Vergleichsangebot nichts bekannt. Es sei Stillschweigen vereinbart worden. Werden sich die beiden Parteien nicht einig, will die Richterin im März eine Entscheidung verkünden.