Münchnerin kämpft schon seit acht Jahren gegen Verkehr in ihrer Straße: "Warum muss die Stadt erst verklagt werden?"
Obermenzing – Es ist eigentlich eine schöne Gegend, in der Christina Brandl wohnt. Ein kleiner Kanal schlängelt sich unter Bäumen entlang, ein Stück weiter nördlich hat man in einem weitläufigen Park freien Blick auf Schloss Blutenburg.
Ein Problem in diesem sonst so idyllischen Teil von Obermenzing ist allerdings die Verkehrssituation – vor allem in der engen, kurvigen Grandlstraße, wie Brandl sagt. Seit Jahren beobachten Anwohner ihrer Aussage nach, wie diese als Ausweichroute von Lkw-Fahrern genutzt wird, die die Durchfahrtsverbote umgehen wollen, die es in beinahe allen umliegenden Straßen gibt.
Brandl will das auch für die Grandlstraße sowie für die weiter südlich gelegene Theodor-Storm-Straße. Doch das Mobilitätsreferat stellt sich quer.
Schon im Jahr 2016 hat Brandl ihren ersten Antrag im Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing eingereicht, sich für ein Lkw-Verbot ausgenommen Anlieger einzusetzen. Seither kämpft die Anwohnerin gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard Fenzl für ihr Anliegen.

"Lkw-Fahrer nutzen die Straße mitten im Wohngebiet als Schleichroute"
Ihre Argumentation: Die Grandlstraße ist eng und kurvig, "eigentlich gänzlich ungeeignet für Lkw", sagt Brandl. Und doch würden die Fahrer die Schleichroute mitten durch das Wohngebiet auf sich nehmen. "Das erspart ihnen jede Menge Weg."
Für die Fahrer mag das praktisch sein, für die Anwohner ist es hingegen ein Ärgernis. An den Fahrbahnrändern der Grandlstraße parken oft Autos dicht an dicht, schon ohne Lkw gleicht die Durchfahrt einer Slalomstrecke. Immer wieder muss man stoppen, um den Gegenverkehr hindurchzulassen.
"Sobald ein Lkw unterwegs ist, geht praktisch nichts mehr voran", berichtet Brandl. Manchmal staue es sich, "das führt zu wilden Umkehrmanövern". Autofahrer, die die Geduld verlieren, würden dann auch mal über den Grünstreifen oder über den Gehweg fahren, um zu wenden – in einer Gegend, in der laut Brandl viele Kinder unterwegs sind. Denn im nördlichen Abschnitt der Grandlstraße gibt es zwei Schulen, zwei Kindergärten und eine Kirche. Brandl beurteilt die Situation daher als "maximale Gefahrenlage".
Mobilitätsreferat: Für Durchfahrtssperre braucht es eine "besondere Gefahrenlage"
Das Mobilitätsreferat begründet seine Ablehnung auf AZ-Anfrage mit rechtlichen Bedenken. Bei der Anordnung einer Durchfahrtssperre für Lkw müsse man sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Diese erfordere dafür "das Vorliegen einer besonderen Gefahrenlage".
Dazu gehöre "eine unzumutbare Lkw-Belastung oder eine besondere entsprechende Unfalllage". Für beides waren nach Ansicht des Mobilitätsreferats bisher "in der Grandlstraße keine Anhaltspunkte" gegeben, die ein Durchfahrtsverbot "gesetzlich gerechtfertigt hätten".
Die Anwohner sehen das ganz anders und können die Argumentation des Mobilitätsreferats nicht nachvollziehen. "Überall sonst ist es doch auch gegangen", sagt Brandl und bezieht sich damit auf die Lkw-Verbote, die es in vielen umliegenden Straßen bereits gibt.
Warum eine Anordnung dort machbar ist und ausgerechnet in der Grandlstraße nicht möglich sein soll, kann Brandl nicht verstehen, wie sie sagt. Ihrer Ansicht nach verstößt dieses Vorgehen auch gegen das Prinzip der Gleichberechtigung der Anwohner.
In der nahe gelegenen Meyerbeer- und Offenbachstraße etwa – beide sind wesentlich breiter und gerader als die Grandlstraße – ist es einer Interessengemeinschaft vor einigen Jahren gelungen, ein Lkw-Verbot durchzusetzen. Seit dieser Sperrung, so empfinden es die Anwohner, hat der Schleichverkehr in der parallel verlaufenden Grandlstraße zugenommen.

Auf das unterschiedliche Vorgehen in den beinahe benachbarten Straßenzügen angesprochen, verweist das Mobilitätsreferat auf eine individuelle Prüfung, die für jede Straße gesondert vorgenommen werden müsse.
"Ein Vergleich mit anderen (wenn auch ähnlich ausgebauten) Örtlichkeiten kann nicht erfolgen". Dies widerspricht laut Mobilitätsreferat den gesetzlichen Vorgaben der Straßenverkehrsordnung.
Die Nachbarn haben ihr Anliegen mithilfe eines Anwalts durchgesetzt
Die Bürger in der Meyerbeer- und Offenbachstraße haben laut Brandl mithilfe von Spenden Messungen durchgeführt und einen Anwalt bezahlt, um ihr Anliegen durchzusetzen. Brandl ärgert sich, dass man offenbar erst mit solchen drastischen Mitteln Erfolg haben kann: "Warum muss die Stadt erst verklagt werden?"
Die Menschen vor Ort geben Brandl Recht, wie sie sagt. Bereits bei ihrem ersten Antrag vor acht Jahren sammelte sie auf Anhieb 40 Unterschriften in der Nachbarschaft. In den darauffolgenden Jahren stellte sie ihr Anliegen immer wieder auf Bürgerversammlungen oder im Bezirksausschuss vor. Auch dessen Mitglieder hat Brandl eigenen Worten zufolge von Anfang an auf ihrer Seite.
"Die Situation ist sehr unbefriedigend", sagt Frieder Vogelsgesang (CSU), Vorsitzender des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing. Er selbst fährt oft die Grandlstraße entlang, wie er sagt. "Mir begegnen regelmäßig Lkw, die sich durchschlängeln."
Die Blockadehaltung des Mobilitätsreferats kann Vogelsgesang eigener Aussage nach nicht nachvollziehen: "Ich verstehe überhaupt nicht, warum das nicht geht." Wenn die Stadt sich quer stelle, habe auch der Bezirksausschuss keine Handhabe. "Unsere Möglichkeiten sind begrenzt."
Dennoch will Vogelsgesang sich nicht entmutigen lassen. Erst in der vergangenen Sitzung Anfang April habe der Bezirksausschuss wieder über das Thema diskutiert und seine Forderung nach einem Lkw-Verbot erneuert. Vogelsgesang kündigt an, dass das noch häufiger vorkommen wird: "Solange sich bei uns Bürger deswegen melden, haben wir das Thema auf der Tagesordnung."
Die Anwohner sind mittlerweile trotzdem ernüchtert. "Die Erkenntnis ist leider, dass es mit vernünftigen Argumenten nicht geht", sagt Brandls Mann Gerhard Fenzl. "Man muss der Stadt das Messer auf die Brust setzen." Die beiden wollen allerdings noch nicht aufgeben: "Ich werde immer weiter bohren", kündigt Brandl an.
BA-Chef Vogelsgesang ist noch zuversichtlich, wie er sagt. Immerhin prüft das Mobilitätsreferat nach Angabe einer Sprecherin aktuell "aufgrund vorliegender Bürgerbeschwerden nochmals die Voraussetzungen für die (mögliche) Anordnung einer Lkw-Sperre in der Grandlstraße. Ein Ergebnis steht allerdings noch aus."