Münchnerin entkommt in letzter Sekunde den russischen Bomben

Chaos und Verzweiflung herrschte auf dem Flughafen von Tiflis: Hunderte Menschen wollten nur eines: Raus aus Georgien, wo der blutige Krieg mit Russland tobt. Unter ihnen waren auch die Münchnerin Pikria Apziauri-Hufnagel (40) und ihre beiden Söhne Lucas (14) und Alexander (16). Im Gespräch mit abendzeitung.de erzählt sie von ihrer dramatischen Flucht.
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In letzter Sekunde konnte Pikria Apziauri-Hufnagel mit ihren beiden Söhnen das Kriegsland Georgien verlassen.
dpa / az 2 In letzter Sekunde konnte Pikria Apziauri-Hufnagel mit ihren beiden Söhnen das Kriegsland Georgien verlassen.
Pikria Apziauri-Hufnagel (zweite von rechts) mit ihrem Sohn Lucas (rechts) im Kreise ihrer Familie in Kiketi bei Tiflis am Abend des 9. August, dem Tag vor der dramatischen Rückreise nach Deutschland.
abendzeitung.de 2 Pikria Apziauri-Hufnagel (zweite von rechts) mit ihrem Sohn Lucas (rechts) im Kreise ihrer Familie in Kiketi bei Tiflis am Abend des 9. August, dem Tag vor der dramatischen Rückreise nach Deutschland.

MÜNCHEN / TIFLIS - Chaos und Verzweiflung herrschte auf dem Flughafen von Tiflis: Hunderte Menschen wollten nur eines: Raus aus Georgien, wo der blutige Krieg mit Russland tobt. Unter ihnen waren auch die Münchnerin Pikria Apziauri-Hufnagel (40) und ihre beiden Söhne Lucas (14) und Alexander (16). Im Gespräch mit abendzeitung.de erzählt sie von ihrer dramatischen Flucht.

Frau Apziauri, Sie und ihre Söhne konnten in letzter Sekunde dem Krieg in Georgien entkommen. Wie kam es dazu?

Eigentlich machen wir jeden Sommer zwei Wochen Urlaub bei meiner Familie in Kiketi, einem Vorort von Tiflis. Dieses Jahr war ich dort zusammen mit meinen Söhnen Lucas und Alexander und dem Sohn einer Freundin. Als der blutige Konflikt in Südossetien begann, machte ich mir sofort große Sorgen. Zunächst haben meine Freunde gesagt: Warte noch zwei Tage, dann ist wieder alles beim Alten. Dann kannst du mit der Lufthansa wieder zurück nach München fliegen. Doch als die Russen mit der Bombardierung begonnen haben, wurde mir klar, ich muss so schnell wie möglich das Land verlassen. Ich wusste es würde sehr schwer werden. Zwar wären meine Söhne, mit ihren deutschen Pässen problemlos über die Grenze nach Armenien gekommen. Aber da ich Georgierin bin, wäre ich vielleicht zurückgewiesen worden. Aber niemals hätte ich meine Söhne alleine gelassen. Also fuhren wir zum Flughafen und hofften, irgendwie an Flugtickets zu kommen.

Was passierte am Flughafen?

Es herrschte Panik, überall waren Menschen, die verzweifelt versuchten Tiflis zu verlassen. Doch an den Schaltern der Fluggesellschaften war niemand. Keiner wusste ob überhaupt noch Flüge starten würden. Doch dann bemerkte ich drei Leute, die in einem Cafe saßen und Tickets für einen Ferienflieger nach Antalya in der Türkei anboten. Für 150 Euro. Sie sagten es seien noch 40 Plätze frei. Es war eine skurrile Situation. Sie saßen einfach an einem Tisch im Cafe und schrieben die Passagier-Daten auf einen Zettel.

Haben Sie den Ticket-Händlern nicht misstraut?

Erst dachte ich: das sind Betrüger. Auch viele andere waren überzeugt, dass sie mit der Verzweiflung der Menschen Geld machen wollten und uns abkassieren würden. Aber dann wurde mir klar: Ich habe nichts zu verlieren außer Geld. Ich wusste: Das ist die letzte Chance meine Söhne und mich in Sicherheit zu bringen. Und kurze Zeit später saßen wir wirklich im Flugzeug Richtung Türkei. Ich bin diesen Menschen von der Fluggesellschaft unendlich dankbar.

War Ihnen sofort klar: Das ist die Rettung?

Ich war zuerst unglaublich erleichtert. Aber als ich sah, dass noch mindestens 10 Plätze im Flugzeug frei waren, dachte ich an die vielen Menschen, die verzweifelt versuchten auszureisen. Und an jene, die keine Tickets gekauft hatten, weil sie misstrauisch waren. Und ich kann mir auch nicht verzeihen, dass ich meine Neffen nicht sofort zum Flughafen geholt habe. Denn sie haben ein Visum , ich hätte sie mit nach Deutschland nehmen können. Aber an all das dachte ich erst, als wir in der Luft waren. Später erfuhr ich, dass es der vorletzte Flieger war, der Tiflis verlassen hat. Zwei Stunden nach unserem Abflug schlugen Bomben nahe des Flughafens ein. Dieses Erlebnis wird mich mein ganzes Leben lang begleiten.

Von Antalya aus sind Sie dann zurück nach München geflogen. Jetzt sind Sie und Ihre Söhne wieder zuhause, in Sicherheit – doch der Krieg in ihrem Heimatland eskaliert weiter. Wie geht es Ihrer Familie in Tiflis?

Ich konnte nur kurz mit Ihnen sprechen. Das Telefonnetz bricht ständig zusammen. Ich habe große Angst um meine Familie und richtige Panikattacken. Mein Bruder will sich mit seinen Kindern mit dem Auto bis zur türkischen Grenze durchschlagen und so das Land verlassen. Ich bin in großer Sorge. Ich kann nur hoffen, dass Gott unser Land und meine Familie beschützt.

Interview: Reinhard Keck

Pikria Apziauri-Hufnagel lebt seit 18 Jahren mit ihrem Mann Christian Hufnagel und ihren Söhnen Lucas und Alexander in München.

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