Münchner Wohnen lässt Rollstuhlfahrerin fast ein Jahr hängen – mit Wasserschaden, Schimmel und Ratten

Man sieht jetzt, fast ein Jahr nach dem Wasserschaden an der Karwendelstraße am Harras, noch immer die Spuren an der Wand: Knöchelhoch stand das Wasser plötzlich am 27. September 2024 in der Wohnung von Melanie Gruoner. Da war sie gerade auf der Rückreise aus dem Urlaub, wie sie der AZ bei einem Besuch in ihrer Wohnung fast ein Jahr später erzählt. "Die ganze Wohnung stand unter Wasser, das kam von der Badewanne hoch", erzählt Melanie Gruoner.
Rollstuhlfahrerin leidet unter Schimmel in der Wohnung
Sie sitzt dabei auf ihrem Bett, Gruoner ist mobilitätseingeschränkt und im Alltag auf einen Rollstuhl angewiesen. In der 5-Zimmer-Wohnung wohnt sie gemeinsam mit ihrem Sohn, der schwer sehbehindert ist und einem weiteren Untermieter.
Überall in der Wohnung verteilt sind Luftentfeuchter und Filtergeräte. Sie berichtet der AZ von zunehmendem Husten und Atembeschwerden seither, und dass die Feuchtigkeit in ihrer Wohnung auch dazu führe, dass sie ihre Finger nicht mehr bewegen kann. "Es wird alles schlimmer, die Feuchtigkeit kriege ich komplett ab", sagt sie.
Münchner Wohnen bestätigt Schaden – passiert ist wenig
Eine Trocknungsfirma habe am Tag des Wasserschadens von ihrem Nachbarn die Wohnungsschlüssel bekommen und dann das Wasser von der Badewanne und vom Boden abgepumpt in die Toilette. "Die ganzen Nachbarn haben überall das Wasser aufgesammelt", erzählt sie.

Den Wasserschaden bestätigt auch Gruoners Vermieterin, die städtische Wohnungsbaugesellschaft Münchner Wohnen, auf Nachfrage der AZ. Der Schaden entstand "aufgrund einer Verstopfung des Abwassersystems, die zu einem Rückstau von Schmutzwasser in die Wohnung geführt hat", so erklärt es Pressesprecher Mathias Weber. "Sofortmaßnahmen wie die Beseitigung der Rohrverstopfung und eine Feuchtigkeitsmessung" seien eingeleitet worden.
Das Ergebnis: "erhebliche Feuchtigkeitswerte im Estrich und in den Sockelbereichen".
Wohnung als unbewohnbar eingestuft
Dann machte Melanie Gruoner, was man als Mieterin eben macht in so einem Fall: Sie meldet das bei ihrem Vermieter. Drei Tage später habe ein Gutachter die Wohnung als unbewohnbar eingestuft. Vier bis fünf Wochen später hieß es noch einmal, dass ein Vertreter der Wohngebäudeversicherung des Vermieters und jemand von der Münchner Wohnen vorbeischauen würden. Von der Münchner Wohnen sei niemand gekommen, die Unbewohnbarkeit der Wohnung aber erneut bestätigt worden, sagt Gruoner.
"Und ansonsten passiert ist: nichts", sagt sie resigniert. "Wir haben bis heute keine Trocknungsmaschinen gesehen." Oder wie es die Münchner Wohnen formuliert: "Die vollständige Schadensbehebung gestaltet sich aufgrund der Art des Schadens (Schmutzwassereintrag) als aufwändig". Bodenbeläge, Estrich und Dämmmaterialien müssten gegebenenfalls zurückgebaut werden.
Einige Monate nach dem Wasserschaden sei ihnen gesagt worden, eine Trocknungsmaschine würde sich nun nicht mehr lohnen, weil die dann nur die Schimmelsporen durch die Wohnung blasen würden, sagt Gruoner. "Seither haben wir dazu nichts mehr gehört." Nach bald einem Jahr ist der Wasserschaden in ihrer Wohnung noch immer unbehandelt.

Miete gestrichen wegen Unbwohnbarkeit
Melanie Gruoner ist auf Grundsicherung angewiesen. Die Miete bezahlt das Amt. "Die haben sich das angeschaut und gemeinsam haben wir dann ausgemacht, dass wir ab 1. Dezember die Miete wegen Unbewohnbarkeit komplett streichen", erzählt Gruoner. Das habe sie der Münchner Wohnen per Einschreiben mitgeteilt. "Die Reaktion kam dann im März", sagt sie – und lacht. "Da haben sie festgestellt, dass wir keine Miete mehr zahlen".
Das tut sie bis heute nicht, nach einer ersten Mahnung sei dann auch keine weitere Reaktion der Münchner Wohnen mehr gekommen.
AZ-Anfrage bringt Bewegung: Besuch mit Blumenstrauß
Bald jährt sich der Wasserschaden bei Melanie Gruoner, getan wurde bisher: nichts. Das empört auch den Linken-Stadtrat Stefan Jagel, der den Fall gut kennt. "Egal was passiert, es müsste mal etwas passieren", sagt er. Er hat darum im Stadtrat eine schriftliche Anfrage dazu gestellt.
Dann, nur einen Tag, nachdem die AZ Melanie Gruoner besucht und bei der Münchner Wohnen zu dem Fall eine Presseanfrage gestellt hat, kommt offenbar sehr schnell Bewegung in die Sache: Gruoner meldet sich bei der AZ, sie habe Besuch bekommen. Zwei Mitarbeiter der Münchner Wohnen haben bei ihr geklingelt, mit einem Blumenstrauß in der Hand, hätten sich bei ihr entschuldigt und ihr angeboten, rasch eine Ersatzwohnung für sie zu finden und den Schaden zu beheben.
Der AZ schreibt die Münchner Wohnen: Man sei "gemeinsam mit ihr in Abstimmung, um eine Lösung zu finden, die eine Interimslösung während der Bauphase ermöglicht". Es sei das Ziel, "die Familie nicht zu trennen und sicherzustellen, dass notwendige Wege weiterhin möglich bleiben", so der Sprecher.
Ein günstiger Zeitraum sei der September, da Melanie Gruoner "da offenbar einen Urlaub plant und die groben Arbeiten dann mit geringstmöglicher Belastung durchgeführt werden könnten".
Rollstuhlgerechte Rampe: Nie gebaut
Und weiter, nachdem Gruner zehn Monate lang vergeblich versucht hat, mit der Münchner Wohnen eine Lösung für den Wasserschaden zu finden: "Uns ist bewusst, dass Frau Gruoner aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation und ihrer besonderen Lebensweise in besonderer Weise auf Unterstützung angewiesen ist", schreibt die Münchner Wohnen. Man stehe in direktem Kontakt – und: "Wir arbeiten wie immer in solchen Fällen daran, schnell zu einer guten Lösung zu kommen".
Gruoner zeigt sich auf erneute AZ-Anfrage "aus Erfahrung skeptisch", ob das jetzt auch wirklich passiert.
Der Wasserschaden ist aber nicht der einzige Ärger, den Gruoner mit der Münchner Wohnen hat. Um diesen zweiten Ärger zu erklären, muss man aber ein wenig ausholen. Seit 2008 wohnt sie in dem Wohnblock – und der hat seither öfter den Besitzer gewechselt. 2018 nutzt dann die Stadt ihr Vorkaufsrecht in dem Erhaltungssatzungsgebiet und hat die 300 Wohnungen für 160 Millionen Euro gekauft, wie es heißt. Es stand im Raum, dass der Dänische Pensionsfonds das Areal kauft – das wollte die Stadt verhindern, um die Mieter vor Verdrängung zu schützen.

Schon mit den vorherigen Besitzern habe Gruoner besprochen, dass sie beim Hauseingang eine Rampe für ihren Rollstuhl bekommt, sagt sie. "Die Genehmigung haben wir bekommen" – und das habe sie dann auch vor sechs Jahren der (damals noch) GWG, dem Vorgänger der Münchner Wohnen, mitgeteilt. "Dann haben die mir gesagt, ich solle das ausmessen, wie hoch die Rampe sein muss. Denn ich bräuchte dafür eine Sondergenehmigung", erzählt Gruoner. Sie warte heute noch darauf, dass sie eine Rampe bekomme.
Und: vor sechs Wochen habe sie sich bei einem Versuch, mit dem Rollstuhl über die Hausschwelle zu fahren, eine Rippe gebrochen. Dazu schreibt die Münchner Wohnen der AZ, die Problematik "ist uns bewusst" und man bedaure, "dass es hier zu Verzögerungen gekommen ist". Man arbeite an einer "Umsetzungslösung", in die auch die Kostenbeteiligung der Krankenkasse eingebunden werden solle.
Bauabfälle und Ratten vor der Haustür
Und als ob es nicht der Probleme schon genug wären für eine Frau im Rollstuhl, die Grundsicherung bezieht, kommt noch ein dritter Ärger obendrauf: rund um ihr Wohnhaus wird gebaut – Teil der Pläne für dieses Wohngebiet der Münchner Wohnen. Wegen der vielen Bauabfälle habe sie vermehrt Ratten und Mäuse, das habe sie der Münchner Wohnen mitgeteilt. "Da rufen die mich zurück und sagen knallhart, ich müsste die fotografieren." Es sei jetzt Vorschrift, dass man solche Beweise liefert. "Ich sitz’ im Rollstuhl", sagt Gruoner. "Bis ich mit dem Handy da draußen bin, sind die doch schon längst weg."
Dazu die Münchner Wohnen zur AZ: eine "Sichtung oder Dokumentation der Situation" würde eine erste Einschätzung erleichtern. Aber man werde "bei bestätigtem Befall geeignete Maßnahme einleiten". Die Münchner Wohnen hat "hierzu bereits eine Begehung des Umfelds veranlasst", wie sie schreibt.
Ein alter, unbehandelter Wasserschaden, eine seit Jahren fehlende Rollstuhlrampe und dann auch noch Ratten und Mäuse: Es bleibt Melanie Gruoner zu wünschen, dass es nicht bei einem kurzfristig anberaumten Besuch und einem Blumenstrauß von der Münchner Wohnen bleibt.