Münchner Tierheim warnt: So sehr leiden die Babykatzen – gerade jetzt im Sommer

Audio von Carbonatix
Süße Kätzchen, die spielen und kuscheln – es gibt wenig herzzerreißendere Anblicke als das. Davon kann es gar nicht genug geben! Oder? Das Tierheim München sieht das anders: Die Helfer werden in den Sommermonaten mit Kitten überschwemmt. Als die AZ am Montag mit Kristina Berchtold vom Tierheim München spricht, sind wieder fünf neue Babykatzen hinzugekommen. Die Zahl klettert von 16 auf 21. Und fast jeden Tag werden es mehr.
Der Grund: Laut Tierheim zeigen sich im Sommer die Auswirkungen der Frühjahrs-Paarungszeit. Nach der richten sich auch frei laufende Katzen. Allein in Bayern soll es laut einer Schätzung des Tierschutzbundes 300.000 streunende Katzen geben. Viele von diesen sind nicht kastriert.
Immer mehr kranke Katzen im Tierheim München: Babykatze Keema hat verkrüppelte Vorderbeinchen
Dementsprechend viele Babykatzen entstehen. Ein besorgniserregender Trend laut Tierheim: Immer mehr Kitten sind schwach und schwer krank. Von den Katzen, die das Tierheim München versorgt, seien etliche in äußerst schlechtem Zustand.

Das heißt: "Die Kätzchen leiden unter schweren Schnupfenerkrankungen, Durchfall, organischen Erkrankungen und sind insgesamt sehr schwach", sagt Berchtold. Besonders schlimm steht es um Babykätzchen Keema. Laut Tierheim hat sie verkrüppelte Vorderbeinchen, was auf ungewollte Inzucht schließen lässt.
Tierheim: "Oft ist es so, dass die Mutterkatzen schon schwach sind"
Außerdem sei sie viel zu klein, weil sie wegen der Fehlbildung nicht eigenständig trinken kann. Sie müsse deshalb mit einer Sonde – einem Schlauch, der übers Maul zum Magen führt – gefüttert werden, um genügend Körpergewicht für eine Operation anzusetzen. Sie sei bereits geschient worden. "Wir hoffen, dass wir durch das Schienen den Fehler beheben können", sagt Berchtold.

Ihr Geschwisterchen Anakin ist bereits verstorben – seine Fehlbildung: eine starke Gaumenspalte. Wie viele der anderen Katzen auf der Quarantänestation es schaffen, kann das Tierheim derzeit nicht abschätzen. Demnach liegen die vielen Krankheiten und Fehlbildungen daran, dass es mehr Inzuchtfälle gibt. Außerdem: "Oft ist es so, dass die Mutterkatzen schon krank und schwach sind und die Kitten nicht richtig säugen können", sagt Berchtold.
Tierschutzverein gibt jährlich 60.000 Euro für Kastrationen von Streunern aus
Die Lösung gegen die Katzenschwemme liegt auf der Hand: mehr Kastrationen. Der Tierschutzverein München gibt jährlich rund 60.000 Euro aus, um entlaufene oder ausgesetzte Hauskatzen im Münchner Umkreis zu kastrieren. Die Stadt München gibt auf Nachfrage der AZ an, sich hieran mit derzeit fast 40.000 Euro jährlich zu beteiligen.
Ehrenamtliche Helfer bringen dem Tierheim Streuner, die sie mittels Lebendfalle an einem ihrer 40 Futterplätze einfangen können. Das Projekt zeigt Wirkung: Vor rund zehn Jahren wurden noch etwa 500 Streuner gefangen, inzwischen sind es um die 300.

Weil das aber immer noch zu viele sind, fordert das Tierheim eine Katzenschutzverordnung. Die könnte Halter dazu verpflichten, ihre Tiere zu kastrieren und zu kennzeichnen.
Die Kennzeichnung hat laut Tierheim den Sinn, dass freilaufende Katzen den Haltern zugeordnet werden können. Dafür wird ein Mikrochip unter die Haut der Katze eingesetzt, unter dessen Nummer die Halterdaten in einem Haustierregister wie Tasso oder Findefix eingetragen werden.
In München gibt es keine Katzenschutzverordnung
Eine Katzenschutzverordnung lässt sich laut Tierschutzgesetz in Bayern bereits auf kommunaler Ebene umsetzen: Die Gemeinde Utting am Ammersee hat so eine umgesetzt, ebenso der Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm.
In München gibt es so eine nicht. Die Stadt erklärt das so: "Derzeit gibt es in München keine außergewöhnlich hohe Anzahl frei lebender Katzen, die unter Krankheiten, Verletzungen oder hoher Welpensterblichkeit leiden." Weiter teilt die Stadt mit, dass eine Katzenschutzverordnung nicht zielführend sei, da es bei den herrenlosen Katzen keinen Halter gebe, der zur Kastration verpflichtet werden könnte.
Trotzdem hält die Stadt demnach eine freiwillige Kennzeichnung und Kastration für sinnvoll.
- Themen:
- Tierheim München
- Tierheime