Münchner Suchthilfe Condrobs: "Ein Konsumraum rettet Leben"
Die Suchthilfe von Condrobs feiert 50. Geburtstag - auf dem Dachgarten "Heaven 7" von Wolfgang Flatz. Der Aktionskünstler ist als Schirmherr mit Condrobs seit über zehn Jahren eng verbunden. In seinem Atelier in Obersendling stieg am Montag das Unterstützer-Fest. Sechs junge Künstler aus der Graffiti-Szene, von Flatz ausgewählt, hatten bei Workshops mit "vom Leben gezeichneten Menschen" Kunst produziert, die unter dem Titel "Kunstwege" im Feierwerk zu sehen ist. Bernhart Schwenk, Sammlungsleiter der Pinakothek der Moderne, war unter den Gästen. Für "seine soziale Ader und sein tief gehendes Verständnis für die Klienten und Klientinnen dankte Katrin Bahr, Geschäftsführerin von Condrobs Künstler Flatz. Politisch kämpferisch und aneckend gibt Condrobs Münchnern, die am Rande der Gesellschaft stehen, eine Stimme. Weil es Bedarf gibt, ist die soziale Arbeit von Condrobs inzwischen breit aufgestellt (siehe Kasten). Ein Gespräch über Pionierleistungen und die Tendenzen beim Thema Sucht.
Condrobs: "Durch ihre Krise geleiten wir sie"
AZ: Sie haben Angebote für Suchtkranke, Familien und auch Menschen ohne Krankenversicherung. Mit welcher Haltung helfen Sie den Münchnern?
KATRIN BAHR: Wir hören zu, wir stehen hinter ihnen, wir verstehen ihre Lage und ihre Nöte. Durch ihre Krise geleiten wir sie. Wir versuchen, ihre Situation zu verbessern und erträglicher zu machen.
Kunst als Therapie: Was bewirkt das Kunstprojekt "Kunstwege - vom Leben gezeichnet" ?
Menschen, die Verluste erlitten haben, die enttäuscht oder missbraucht worden sind, können mit der Kunstproduktion eine positive Erfahrung machen, die bleibt und sie stärkt. Sie machen mit einem Bild etwas sichtbar, vollbringen etwas und vollenden es. Diese Erfahrung ist sehr wertvoll, besonders für unstete Menschen, deren Lebensweg von Gefühlen des Scheiterns geprägt ist.
Die meisten Süchtigen nehmen mehrere Drogen
Welche ist eigentlich die Hauptdroge der Münchner?
Weit vor den anderen Drogen sind die legalen Hauptdrogen der gesundheitsschädliche Tabak und zu viel Alkohol. Die Hilfesuchenden bei illegalen Drogen sind inzwischen polytoxikoman: mehrfachsüchtig.
Was heißt das genau?
Sie haben eine Hauptdroge, nehmen dazu andere Substanzen. Mit Heroin, Schmerzmitteln, synthetischen Opioiden, wie Badesalz und Pillen als Partydroge, haben unsere Berater zu tun. Kokain ist in bestimmten Gesellschaftsschichten noch total verbreitet, darüber wird aber nicht gesprochen.
Für Heroinabhängige organisieren Sie die Substitution mit Methadon. Condrobs kämpft für einen Konsumraum in der Stadt.
Ein Konsumraum kann Leben retten. So ein Ort bietet sichere Bedingungen für den Drogenkonsum. Die Stadt München möchte den Raum, der Freistaat Bayern jedoch nicht. Wir wollen ihn schnellstmöglich. Denn Suchtkranke sind eine ungeliebte Gruppe. Wer illegal konsumiert, ist nicht wohlgelitten. Doch es sind Menschen wie du und ich, viele sind total nett. Sie sind schwer krank und verdienen es, dass man ihnen hilft.
Cannabis-Legalisierung? Entkriminalisierung und Prävention!
Wie ist Ihre Haltung zur Cannabisfreigabe?
Condrobs möchte eine Entkriminalisierung der Konsumenten unter Einhaltung des Jugendschutzes. Denn es gibt Gefahren. Das Cannabis ist sehr viel stärker geworden und kann Psychosen auslösen. Wie Alkohol ist Cannabis Gift für Gehirnzellen. Langzeitkiffer verdummen, können ihren eigenen Namen nicht mehr buchstabieren. Wir fordern, dass Gelder, die durch eine eingesparte Strafverfolgung frei werden, dann in die Prävention fließen.
Besondere Sorgen macht Ihnen die legale Droge Alkohol.
Alkohol ist leicht zugänglich, der übermäßige Konsum wird viel zu sehr toleriert. Abhängig zu werden ist eine große Gefahr. Und die Wiesn bezeichne ich ja als den größten Konsumraum der Welt. Was kaum einer weiß: Wenn ein Jugendlicher mit einer Alkoholvergiftung in eine Münchner Klinik eingeliefert wird, bekommen wir eine Meldung. Es ist eine Sozialarbeiterin von uns, von Condrobs, die dann an sein Krankenbett eilt.
Am Anfang stand die Suchtberatung zu Haschisch und LSD
Im Jahr 1971 fing alles an: 18 Eltern aus Schwabing gründeten eine Elterninitiative. Sie wollten ihren Kindern helfen: Die Drogenwelle mit Haschisch und LSD hatte München erreicht. Immer mehr junge Konsumenten brauchten Unterstützung bei psychischen Problemen und Schwierigkeiten mit der Justiz. Denn das Betäubungsmittelgesetz war gerade verschärft worden. 50 Jahre später ist aus der Arbeit der kleinen Beratungsstelle in der Konradstraße der große überkonfessionelle Hilfsverein Condrobs geworden: mit rund 600 Mitarbeitern in München und rund 30 Einrichtungen in der Stadt.
13.000 Münchner Hilfesuchende, inklusive ihrer Angehörigen erreicht Condrobs im Jahr. Prävention, Therapie, Betreuung, Beschäftigung sind die Ziele des Vereins. Unter dem Titel "Hilfe durch Vertrauen" geschieht die Suchtberatung anonym und kostenlos. In München hat Condrobs drei Kontaktläden für Menschen mit Suchtproblemen. Das "Pedro"" in Neuperlach Zentrum, einen in der Balanstraße und einen in der Schwabinger Emanuelstraße. Sozialarbeiter kümmern sich um Drogenhilfe im Gefängnis. In München betreibt der Verein die Einrichtung Prima Donna für suchtkranke Frauen.
Die aktuelle Ausstellung "Kunstwege - vom Leben gezeichnet" mit Malerei oder Streetart von Condrobs-Klienten ist bis 27. Juli im Feierwerk Farbenladen zu sehen (Hansastraße 31). Nächste Öffnung: Freitag, 15. Juli, von 17 bis 20 Uhr. Zur vollen Stunde gibt es eine Führung. Hier gibt's Infos
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