Münchner Schornsteinfeger: So hat der Ukraine-Krieg seine Arbeit verändert
München - Es kann schon mal passieren, dass jemand Florian Ritt (32) ungefragt an die Jacke fasst und an den goldenen Knöpfen dreht. Komisch findet er das nicht. Ritt ist Kaminkehrer, sein Revier ist das Schlachthofviertel. Dort kennt man ihn und freut sich, wenn er kommt. Nicht nur, weil der Schornsteinfeger der Legende nach das Glück ins Haus bringt.
"Ich habe den schönsten Beruf der Welt", findet Ritt. Er ist gebürtiger Niederbayer, pendelt aus Liebe zum Beruf, um hoch auf die Dächer zu steigen, nach München. Seine blauen Augen strahlen unter dem Zylinder und der schwarzen Kluft dem Gegenüber entgegen. Er wirkt offen und freundlich. "Das muss und möchte ich auch sein. Ich habe ständig mit Menschen zu tun", sagt er und lacht dabei herzlich.
Von Schornsteinfeger Florian Ritt wollen die Münchner wissen, wie sie Heizkosten sparen
Der Beruf des Schornsteinfegers hat sich vom reinen Kehrer immer weiter hin zum Prüfer gewandelt. Freilich hat der selbstständige Bezirkskaminkehrer des Schlachthofviertels auch noch seinen Kaminbesen dabei und wird dabei mal rußig.
Neben dem Überprüfen von Heizungen muss Ritt auch ganz viel Beratungsarbeit leisten. "Besonders seit dem Ukrainekrieg. Die Menschen wurden nervös, wollten wissen, wie sie Heizkosten sparen können oder welche Heizung sie sich einbauen lassen sollen", erklärt Ritt.

Die Leute im Schlachthofviertel in München lieben seinen Zylinder
Die Leute im Viertel kennen ihn, vertrauen ihm; kommt er doch immer zu den Menschen direkt nach Hause. Kaum 50 Meter kann Ritt deshalb durchs Viertel laufen, ohne angesprochen zu werden. Kurz vor Silvester freuen sich die Leute gleich noch ein bisschen mehr über den jungen Mann mit Zylinder. "Ich muss sagen, die Leute lieben diese Tradition", sagt er.
Für die AZ hat er sich extra in Schale geworfen. Die schwarze Kluft gehört aber zum Alltag. Erkannt wird er alleine schon deshalb immer. "Die Arbeit ist in der Stadt weniger rußig als auf dem Land. Dort wird noch mehr mit Holz geheizt", weiß der 32-Jährige, er selbst stammt aus dem niederbayerischen Straubing.
Schon sein Vater und sein Opa sind Kaminkehrer
Schon sein Vater und sein Opa arbeiteten als Kaminkehrer. "Ich bin sozusagen vorbelastet", witzelt er. Ein anderer Beruf sei für ihn nie in Frage gekommen. "Außer vielleicht bei der Oma in der Wirtschaft." Aber schließlich tritt er in die Fußstapfen des Vaters und des Opas.
Neben dem direkten Kontakt mit den Bewohnern der Häuser im Schlachthofviertel genießt er auch den Ausblick, der so nur ganz wenigen Leuten vergönnt ist. Wenn Ritt einen Kamin kehrt, muss er sich meist durch kleine Dachfenster winden und dann über schmale Trittbretter auf den Dächern der Stadt balancieren.
Schornsteinfeger Florian Ritt: Mit Höhenangst ist der Beruf undenkbar
"Schwindelfrei muss man schon sein. Und das Fitnessstudio spart man sich auf jeden Fall", sagt er zur AZ, während er in den 5. Stock eines Hauses in der der Ehrengutstraße stapft. Er schwärmt besonders für "sein" Schlachthofviertel. "Hier kann man das alte gemütliche München noch erleben", sagt er. Und ja, auch als die AZ mit aufs Dach klettert, denkt man unweigerlich an Pumuckl und daran, wie der kleine Kobold über die Dächer hüpft.
Auf der Straße oder beim Gaßner im Viehhof ratscht er gerne mal mit den Leuten, scherzt oder verpasst jemandem kokett eine rußige Wange. Zwar wurden auch im Schlachthofviertel über die Jahre die zu kehrenden Kamine weniger. Dennoch muss Ritt regelmäßig seinen runden Kehrbesen mit einem Gewicht am Ende in die Kamine des Viertels ablassen und so den Ruß von den Innenwänden lösen.

Dafür hüpft er gazellenartig von Trittbrett zu Trittbrett, nicht überall kann er sich festhalten. Aber der Blick ins Schlachthofviertel und die Stadt sind atemberaubend. Da ist auch ein wenig Ruß an den Händen und im Gesicht nicht mehr so schlimm. Kernseife gehört eben zur Grundausstattung eines Kaminkehrers.
Weil Ritt selbstständig ist, verbringt er auch viel Zeit im Büro, macht Termine, befasst sich mit neuen Regularien und Gesetzen, über die er wiederum aufklärt. Für den Großteil des Außendiensts hat Ritt einen Angestellten, der viel mit dem Lastenrad im Viertel unterwegs ist. "Als wir das angeschafft haben – das Ding ist natürlich schwarz – hat jemand zu mir gesagt: Jetzt schaut's aus, wie wenn der Boandlkramer kommt", erinnert er sich. Also der Tod.

Der Kaminkehrer wünscht "Prosit Neujahr"
Dabei bringt doch der Kaminkehrer Glück ins Haus. "Das stammt aus der Zeit, als noch überall mit Holz geheizt wurde. Wenn der Kaminkehrer nicht regelmäßig den Ruß entfernt hat, kam es leicht zu Bränden. Dort wo der Kaminkehrer regelmäßig aufgetaucht ist, brannte es nicht. So kam das mit dem Glück zustande", erklärt Ritt.
Und seine persönlichen Glückwünsche? "Mei, Prosit Neujahr, würde ich sagen." Ritt verteilt vor Silvester Karten für die Extraportion Glück. Darauf steht: "Auch nächstes Jahr soll es so bleiben: Als treue Helfer sind wir da – woll'n alles Ungemach vertreiben mit fröhlichem 'Prosit Neujahr'!"
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