Münchner Schönheits-Doc: Die Leute wollen immer mehr
München - Plastische Chirurgen werden mit sehr unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert: Die einen hoffen, quälende Schmerzen loszuwerden und möchten sich wieder unter Menschen trauen. Andere Patienten legen sich für ein straffes Gesicht oder einen prallen Busen unters Messer. Mit der AZ sprach Chefarzt Milomir Ninkovic über das breite Spektrum seiner Arbeit:
AZ: Herr Professor Ninkovic, es gibt sicher Patienten, die Sie nicht vergessen werden. Berichten Sie uns von einem?
MILOMIR NINKOVIC: Im Jahr 2000 kam ein 21-jähriger Mann zu mir, der einen ausgedehnten Tumor an der Unterlippe hatte. Wir mussten sie entfernen. Mit den damaligen Standardmethoden hätte man das ganze Gesicht zerstört, um sie wieder herzustellen. Wir haben weltweit erstmalig Muskeln aus seinem Oberschenkel, Schleimhäute aus dem Mund und Schädelhaut zur Rekonstruktion verwendet.
Ist es geglückt?
Der Mann ist heute Rektor einer Universität und gesund. Er hat mir ein Video von sich geschickt. Darauf pfeift er eine Tiroler Melodie. Das ist der beste Beweis!
"Haut hat extrem komplexe anatomische Eigenschaften"
Wie viele OPs sind nötig, um so etwas zu schaffen?
Bei Rekonstruktionen sind es mehr als zehn. Bei Verbrennungen dritten Grades braucht man noch mehr Eingriffe. Sehr oft ist nicht nur die Haut geschädigt und muss transplantiert werden, sondern die Beweglichkeit und Funktion von Körperteilen muss durch komplexe mikrochirurgische Operationen rekonstruiert werden.
Verwenden Sie für Transplantationen vorwiegend Haut aus dem Oberschenkel?
Das ist unterschiedlich. Jedes Hautareal hat eigene Eigenschaften und Texturen und eine eigene Farbe. Gesichtshaut ist sehr fein und ausgezeichnet durchblutet, in den Fingern gibt es eine besondere Hautform mit Fettpolstern, am Po und Rücken ist die Haut dick – und über Gelenken sehr elastisch. Es hängt davon ab, wo transplantiert werden muss.
Werden Sie eines Tages gezüchtete Haut aus dem Labor verwenden?
Das würde ich gern, aber Haut hat extrem komplexe anatomische Eigenschaften. Deswegen ist es noch nicht möglich, sie zur klinischen Anwendung zu züchten. Außerdem bräuchte man dafür ein Humanlabor, was wir derzeit im Krankenhaus nicht finanzieren können.
Was ist der Unterschied zwischen ästhetischer und plastischer Chirurgie?
Operieren Sie auch Menschen, die nicht entstellt oder eingeschränkt sind, sondern einfach besser aussehen wollen?
Ich habe 1997 mit der ästhetischen Chirurgie begonnen. Im Vergleich zur rekonstruktiven Chirurgie ist sie einfach. Deshalb gibt es auch viele Fachärzte, die sich daran versuchen. Bei uns kann sich leider jeder Schönheitschirurg nennen.
Die Ausgangssituation ist eine völlig andere...
Bei der Schönheitschirurgie operieren Sie an einem gesunden Menschen, der länger jung ausschauen will. Bei der plastischen, rekonstruktiven und Verbrennungschirurgie versuchen Sie, etwas wiederherzustellen, das verloren gegangen ist. Die Einstellung des Patienten ist eine ganz andere, wenn sie aus einem Krankheitsbild entstanden ist.
Wer hat höhere Erwartungen?
Bei der Schönheitschirurgie sind die Erwartungen sehr hoch. Die Leute wollen immer mehr. Es gibt aber keine Chirurgie ohne Narbenbildung. Es ist wichtig, da keine falschen Erwartungen zu erwecken.
Das sind die häufigsten Schönheits-OPs
Was sind die häufigsten Schönheits-OPs im Klinikum Bogenhausen?
Lider-, Gesichts-, Bauch- und Bruststraffungen. Wir nutzen auch Botox und Filler.
Würden Sie sich selbst auch unters Messer legen, um besser auszusehen?
Auf jeden Fall. Aber ich bin dafür noch zu jung!
Noch mal zu Verbrennungen: Ist es richtig, die Wunde unter kaltes Wasser zu halten?
Ja, das ist wichtig, damit sich die Verbrennung nicht vertieft. Aber nicht länger als zehn Minuten. Sonst besteht die Gefahr der Unterkühlung – vor allem bei Kindern. Wenn Notfall-Patienten zu uns in die Klinik kommen, werden sie auch erst einmal in kaltem Wasser gebadet.
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