Münchner Mieter in Gefahr? Vorkaufsrecht von Gericht gekippt

Das Bundesverwaltungsgericht hat die in mehreren Städten übliche Vorkaufsrechtspraxis bei Grundstücken aus Gründen des Milieuschutzes in Teilen gekippt. Für München bedeutet das: In Erhaltungssatzungsgebieten könnte die Stadt dann nur noch Schrottimmobilien kaufen.
von  AZ/dpa
Das Vorkaufsrecht der Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten ist nicht rechtens, urteilt das Bundesverwaltungsgericht. (Symbolbild)
Das Vorkaufsrecht der Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten ist nicht rechtens, urteilt das Bundesverwaltungsgericht. (Symbolbild) © Peter Kneffel/dpa

München/Leipzig - Die in mehreren Städten übliche Vorkaufsrechtpraxis wurde vom Bundesverwaltungsgericht in Teilen gekippt. Ein solches Vorkaufsrecht dürfe nicht auf Basis der Annahme ausgeübt werden, dass der andere Käufer die Mieter in der Zukunft mutmaßlich aus dem Gebiet verdrängen könnte, entschied das Gericht am Dienstag in Leipzig (Az.: BVerwG 4 C 1.20).

Geklagt hatte eine Immobiliengesellschaft aus Berlin, die ein Grundstück mit 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erworben hatte. Da sich das Grundstück in einem Milieuschutzgebiet - analog der Münchner Erhaltungssatzungen - befand, übte der Bezirk das Vorkaufsrecht zugunsten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft aus. Damit habe der Gefahr begegnet werden sollen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung durch Mieterhöhungen oder Umwandlungen in Eigentumswohnungen verdrängt werden könne.

Bundesverwaltungsgericht kippt Vorkaufsrecht für Kommunen

Das Vorkaufsrecht sei aber ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und ein auf ihm errichtetes Gebäude keine Mängel aufweist, hieß es nun in der Begründung des Gerichts. Diese Voraussetzungen lägen in dem Fall vor. Der Einschätzung der Vorinstanz, wonach auch zu erwartende Nutzungen zu berücksichtigen seien, folgte das Bundesverwaltungsgericht nicht.

Mieterverein München warnt

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Kommunen ihr Vorkaufsrecht auch im Erhaltungssatzungsgebiet nur dann wahrnehmen dürfen, wenn es sich um Schrottimmobilien handelt, in der keine oder kaum noch Mieter leben, warnt der Mieterverein München.

"Ob deutlich absehbar ist, dass die Bewohnerinnen und Bewohner verdrängt werden sollen, spielt keine Rolle mehr", sagt Volker Rastätter, Geschäftsführer des DMB Mietervereins München. "Die Handlungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden seien durch dieses Urteil stark eingeschränkt", so Rastätter weiter. "Das Vorkaufsrecht der Stadt in Erhaltungssatzungsgebieten ist ein extrem wichtiges Instrument, um Mieterinnen und Mieter vor dem Verlust ihrer Heimat zu schützen".

Reiter: "Für noch wirkungsvollere Mieterschutzgesetzgebung kämpfen"

Er nimmt nun den Gesetzgeber in die Pflicht. "Die Not der Menschen ist groß, der Wohnungsmarkt außer Kontrolle: Wir brauchen also nicht weniger Hilfe für Mieterinnen und Mietern, sondern mehr. Deswegen muss der Bundesgesetzgeber nach dieser Gerichtsentscheidung nun sofort aktiv werden und das Baurecht so reformiere, dass der Paragraf 26 nicht für Milieuschutzgebiete gilt."

Münchens OB Dieter Reiter äußerte sich ebenfalls zu dem Urteil. "Ich halte die Erhaltungssatzung und das damit verbundene Vorkaufsrecht für zentrale Mieterschutzinstrumente die uns als Kommune zur Verfügung stehen. Sollte das Urteil nach entsprechender juristischer Prüfung der schriftlichen Begründung tatsächlich auch für München Auswirkungen haben, werde ich alles versuchen bei der neuen Bundesregierung für eine dann noch wirkungsvollere Mieterschutzgesetzgebung zu kämpfen", so Reiter.

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