Münchner Miet-Irrsinn: Drei extreme Beispiele

Ein Investor aus NRW kauft in München Wohnhäuser und saniert dann jahrelang - bis die Mieter ausziehen. Drei krasse Beispiele.
von  Lea Kramer
Nach drei Jahen noch immer nicht fertig: das Rückgebäude an der St.-Bonifatius-Straße.
Nach drei Jahen noch immer nicht fertig: das Rückgebäude an der St.-Bonifatius-Straße. © AZ

München - Herausgerissene Türstöcke, herunterhängende Kabel, Schutt, Staub und Müll im Innenhof: Zustände, wie sie auf einer Baustelle unvermeidbar sind. Doch was, wenn sich ein Umbau Monate, gar Jahre hinzieht? Für Bewohner von drei Münchner Mietshäusern ist der Ausnahmezustand zum Alltag geworden. Was sie eint: Bei ihnen saniert derselbe Eigentümer.

Die St-Bonifatius-Straße geht an der Südseite des Ostfriedhofs entlang. Verschiedene Trambahnlinien kreuzen unweit an der Tegernseer Landstraße. Ein paar Schritte in die andere Richtung trainiert die SpVgg 1906 Haidhausen. Eine idyllische Naturoase ist dieser Teil von Giesing nie gewesen. Trotzdem war vor allem ihr Innenhof für die Hausgemeinschaft an der Nummer 18 ihre ruhige Begegnungstätte inmitten der Großstadt. Hier haben sie Hofflohmärkte veranstaltet, ihre Kinder im Planschbecken spielen lassen oder beim Eis geratscht.

Seit drei Jahren wird nun schon saniert

Seit mehr als drei Jahren geht das alles nicht mehr. Denn: Es wird saniert. Vorder- und Rückgebäude, früher einmal im Besitz derselben Erbengemeinschaft, sind nun zwei geteilte Immobilienobjekte. Vor allem im Hinterhaus wechselte mehrfach der Besitzer. Ein Großteil der Wohnungen stand längere Zeiträume leer. In einer Verkaufsanzeige aus dem Jahr 2017 trat die Kiefer & Remberg Immobilien Group GmbH, eine Tochter der Remberg GmbH mit Sitz in Herford (heute: Remberg Bauträger GmbH & Co. KG mit Sitz in München) als Eigentümerin auf. Damals bot sie ein "Stadthaus" mit 99 Quadratmetern und großer Dachterrasse für 839.000 Euro auf einem Immobilienportal an. Das Stadthaus ist eine frühere Spenglerei im Hinterhof der St-Bonifatius-Straße 18.

Der neue Dachstuhl wies Mängel auf

Obwohl am Werkstatt-Häusl gebaut wurde, ist es noch immer nicht fertig - zwischenzeitlich wuchs sogar Moos drüber. Auch bei der Sanierung am Hinterhaus kam es zu Komplikationen. So bestätigte das Planungsreferat der AZ Mitte 2018: "Die Lokalbaukommission war im Rahmen der Bauüberwachung bereits bauaufsichtlich tätig." Bei der Abnahme des neuen Dachstuhls seien Mängel festgestellt worden - "wodurch Regenwasser in die Wohnungen des darunterliegenden Geschosses eindringen konnte."

Angst vor Entmietung

In den Schilderungen einer Anwohnerin, die anonym bleiben will, klingt das so: "Unsere Nachbarn haben mit einstweiliger Verfügung den Bau eines Notdachs durchgesetzt. Das Dach wurde gebaut, aber ein Planenstreifen fehlte noch", sagt sie. Einige Bewohner, vornehmlich Mieter des Vorderhauses, hatten sich vor zwei Jahren an die Lokalbaukommission gewandt - aus Angst, entmietet zu werden. Eine Sanierung im vorderen Gebäude ist wohl nicht geplant, zumindest liegen der Stadt keine entsprechenden Anträge für das Anwesen vor.

Remberg reagiert nicht auf AZ-Nachfragen

Die St-Bonifatius-Straße ist Teil des Erhaltungssatzungsgebiets. Ein Immobilieneigentümer darf dort zwar sanieren und neuen Wohnraum schaffen, allerdings nur zu der Umgebung angemessenen Quadratmeterpreisen. Auf AZ-Anfrage zu den Planungen an der St-Bonifatius-Straße reagierte Remberg nicht. In der Eigenbeschreibung auf einem Jobportal heißt es, das Unternehmen habe sich "erfolgreich als Bauträger für Luxusobjekte in Süddeutschland etabliert". Genehmigt hat die Stadt in Giesing 2017 den Abbruch sowie die Neuerrichtung des Daches, einen Dachausbau mit zwei neuen Wohnungen, den Anbau von Balkonen, einen Außenaufzug und eben das Stadthäusl. "Der Lokalbaukommission liegt ein Bauzeitenplan des Generalunternehmers vor. Demnach soll der Bau bis Ende März 2021 abgeschlossen sein", sagt ein Sprecher des Planungsreferats.

Dem BA ist der Leerstand bekannt

Der Bezirksausschuss Obergiesing-Fasanengarten (BA) ist seit Jahren mit dem Anwesen befasst. Der Leerstand im Rückgebäude sei "natürlich" bekannt, sagt BA-Vorsitzende Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne). Das sei auch den zuständigen Stellen der Stadt gemeldet worden. Der Mieterschutzbeauftragte im BA Ricky Dörrie (Grüne) sagt: "Wir waren in Gesprächen mit den Mietern vor Ort und haben versucht, zu unterstützen." Häufig sei der Druck durch die Situation für Betroffene so hoch, dass sie sich zurückziehen würden - auch weil sie Konsequenzen durch ihren Vermieter fürchteten.

In der Isarvorstadt wohnt nur noch ein Mieter im Vorderhaus

Das Sozialreferat hat aufgrund des Leerstands ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. "Der Leerstand von einzelnen Wohnungen wurde engmaschig überwacht - die Wiederbelegung von vier Wohnungen konnte bisher erreicht werden", sagt ein Sprecher. Darüber, inwieweit neuen Mietern das Leben auf einer Baustelle schmackhaft gemacht worden ist, wird geschwiegen. Auf eine entsprechende AZ-Anfrage reagierte Remberg nicht. Ein paar Kilometer weiter westlich, ebenfalls gegenüber eines Friedhofs, sieht es ähnlich aus. Seit drei Jahren wird an Vorder- und Rückgebäude der Thalkirchner Straße 80 mal mehr, mal weniger gewerkelt. Das Leben auf einer Dauerbaustelle haben nur wenige Mieter ausgehalten. Im denkmalgeschützten Vorderhaus aus dem Jahr 1879 ist noch eine Wohnung von ehemals 17 bewohnt.

Ateliers und Künstler mussten ausziehen

Bereits 2016 wurden die beiden Gebäude in der Isarvorstadt im Paket verkauft. Die Mietwohnungen sind anschließend in Eigentum umgewandelt worden. Die Ateliers und Künstler aus dem Rückgebäude mussten ausziehen. Im Jahr 2017 ist die Kiefer & Remberg Immobilien Group dort eingestiegen. Unter dem Namen "Palais Thalkirchen" warb sie um Käufer für 27 Wohneinheiten. Knapp 14.000 Euro sollte der Quadratmeter im Vordergebäude kosten.

Eine Bürgerinitiative dokumentiert die Bauarbeiten

Der Mitbegründer der Bürgerinitiative "Ausspekuliert" und Bewohner des Hinterhauses, Tilman Schaich, dokumentiert mit den anderen Mietern die Bauarbeiten in der Thalkirchner Straße auf einem Instagram-Account. "Von der Straße aus sieht alles harmlos aus, aber innen ist es eine richtige Baustelle", sagt er. Die Stadt hat den Bauherren in den Jahren 2017 und 2018 eine Genehmigung zur Sanierung der Gebäude erteilt. Darüber hinaus sollen die Dachgeschosse ausgebaut, Aufzüge eingebaut und Balkone angebaut werden. "Zudem hat die Untere Denkmalschutzbehörde im Juni 2020 eine denkmalrechtliche Erlaubnis zur Instandsetzung des gesamten Gebäudes erteilt", heißt es vom Planungsreferat. Warum bislang nichts passiert ist, dazu hat die AZ eine Anfrage bei Remberg gestellt, doch diese blieb auch nach mehreren Tagen unbeantwortet.

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