Münchner Makler packt aus: "Es gibt keine Immobilienblase"
Veranstalter, Bäcker, Konditor, Mediengestalter, Gastronom: Michael Perkmann hatte schon sehr viele Jobs. Seit 2013 ist er sein Ein-Mann-Unternehmen in der Region München. Im Gespräch mit der AZ packt er aus: Wie man Makler wird, wie er selbst arbeitet, woran man unseriöse Makler gut erkennen kann und warum die Münchner Preise nur eine Richtung kennen.
AZ: Herr Perkmann, wie wird man Immobilienmakler in München?
MICHAEL PERKMANN: Meinen Sie grundsätzlich - oder wie ich selbst Makler geworden bin?
Beides. Fangen wir doch bei Ihnen an.
Mein Vater hat eine Bäckerei und Konditorei in Miesbach aufgebaut. Ich lernte zuerst Konditor und Bäcker. Aber dann entwickelte ich eine Roggenmehlallergie.
Das ist bestimmt selten, oder?
Nein, das kommt recht häufig vor. Aber bei mir war sie so stark, dass ich mit Maske hätte arbeiten müssen. Also habe ich mich umschulen lassen.
Erst Mediengestalter, dann Immobilienmakler
Wahrscheinlich zum Immobilienmakler.
Zum Mediengestalter. Das galt in den 2000ern als ein unheimlich hipper Job. Alle sahen darin die Zukunft.
Und wann wurden Sie Immobilienmakler?
Das war 2013. Ich hatte einen sicheren Job als Mediengestalter, aber dachte mir, das kann es nicht gewesen sein.
Ich vermute, man braucht eine Ausbildung.
Ich wurde 14 Tage lang geschult. Es ist ein Kurs der Industrie- und Handelskammer in Hameln. Aber das ist kein Muss. Die 14 Tage reichen natürlich nicht. Es ist eine gute Basis.
Perkmann: "Für Makler ist München ein Haifischbecken"
Ist das der Grund...
... warum es so viele gibt? Ja. Definitiv. Seit 2020 muss man sich immerhin jährlich fortbilden. Wir müssen 21 Stunden nachweisen. Das hat der Gesetzgeber so bestimmt, nachdem auch das Bestellerprinzip auf dem Mietmarkt eingeführt wurde - also dass derjenige den Makler bezahlt, der ihn beauftragt. Die Maklergebühr zahlte ja früher der künftige Mieter.
Läuft das auch beim Kauf von Immobilien so?
Nein. Da bezahlen Käufer und Verkäufer gemeinsam je zur Hälfte den Makler. Wir nennen das: Bestellerprinzip light. Meistens beträgt die Provision sechs Prozent des Verkaufspreises. Ist oft Verhandlungssache.
Wie schwierig ist es, in München als Makler Fuß zu fassen?
Es ist ein Haifischbecken. Und jeder braucht seine Strategie.
Was war Ihre?
Ich kann erst mal sagen, was ich nicht mache: Kalt-Akquise.
"Am Anfang organisierte ich nebenbei Veranstaltungen"
Helfen Sie mir. Das bedeutet?
Dass man Anbieter von Immobilien anruft und sich als Makler anbietet. Ich setze auf ein Netzwerk. Persönliche Empfehlungen. Es gibt nichts Besseres. Das ist die stärkste Währung.
Waren die ersten Jahre hart?
Ja. 2013 bis 2016 habe ich mein früheres Geschäft nebenher weiterbetrieben. Ich organisierte damals Veranstaltungen: Busfahrten zu Heavy-Metal-Konzerten, inklusive einer Party danach, bis spät in die Nacht. Als Makler habe ich da relativ wenig verdient. 2014 verkaufte ich zwei Wohnungen.
Mit wie viel Umsatz?
In den ersten Jahren hatte ich einen Jahresbruttoumsatz zwischen 10.000 und 30.000 Euro. Und davon zahlt man ja noch Steuern, Versicherung und Sozialabgaben. Ab 2016 war ich so weit, dass ich nur vom Makler-Job einigermaßen leben konnte.
"Manchmal fragen mich Kunden, ob ich auch auf den Makler warte"
Gibt es eher zu viele oder zu wenige Makler in München?
Der Markt ist überlaufen, bereinigt sich aber. Eine harte Branche. Einige Kollegen versuchten anfangs, mich zu verleumden. Sie erzählten herum, ich wäre unseriös.
Sie haben lange, gefärbte Haare, kurze Hosen im Winter und bunte Tattoos. Ist das ein Hindernis?
Ich sehe seit 25 Jahren so aus. Mittlerweile ist es ein Alleinstellungsmerkmal in meinem Beruf. In den Sozialen Medien habe ich den Hashtag #dermaklermitdenkurzenhosen. Ab und zu gibt es auch lustige Situationen. Ich werde von Kauf- oder Mietinteressenten gefragt, ob ich denn auch auf den Makler warte.
Wie reagieren Sie da?
Ich lache und sage: Nein, ich bin der Makler.
"Ich zeige mich, wie ich bin"
Wenn Sie jemand so fragt, ist das ein Ausschlusskriterium?
Überhaupt nicht. Ich nehme das locker. Mann muss nicht maßgeschneiderte Anzüge tragen, um seriös zu arbeiten. Manche Kollegen verstecken sich hinter solchen Anzügen. Ich glaube, meine Kunden schätzen, wenn ich mich zeige, wie ich bin.
Woran merken Sie das?
Letzens hat mich ein Ex-Kunde angerufen, einer, dem ich ganz am Anfang eine Wohnung verkauft habe. Es muss 2013 oder 2014 gewesen sein. Ich habe ihm nach so vielen Jahren eine Vier-Zimmer-Wohnung vermittelt.
Sie haben das Bestellerprinzip erwähnt: Wer den Makler beauftragt, zahlt dessen Provision. Wie hoch ist die?
Bei Mietobjekten sind das zwei Nettokaltmieten.
"Mit Besichtigungstouristen verliert man enorm viel Zeit"
Das hört sich insgesamt nach einem guten Geschäft an.
Der Job ist ordentlich bezahlt. Viele unterschätzen aber den Aufwand. Ich bin von früh bis spät abends auf den Beinen. Viele vergessen, dass ich auch einige Ausgaben habe. Ich zahle zum Beispiel insgesamt 1.000 Euro monatlich an die handelsüblichen Immobilienportale, damit ich dort inserieren kann. Bei Gewerbetreibenden langen die ordentlich hin und erhöhen regelmäßig die Preise.
Womit kämpft man noch als Makler?
Es gibt Besichtigungstouristen. Die haben null Interesse, zu kaufen oder zu mieten, und wollen nur mal schauen. Und vielleicht glauben Sie das nicht: Bis zu sieben von zehn Interessenten kommen nicht zur Besichtigung, ohne abzusagen. Da verliert man enorm viel Zeit.
Wie überbrücken Sie die?
Ich habe mir angewöhnt, Laptop und Kamera mitzunehmen. So kann ich Inserate erstellen.
Da hilft Ihnen bestimmt Ihre Erfahrung als Mediengestalter.
Ja, das ist ein Vorteil und spart Betriebskosten. Ich müsste das alles ja sonst in Auftrag geben. Außerdem habe ich 4500 Euro in eine 4K-Kamera investiert. So können Interessenten eine 3D-Besichtigung durchführen. Funktioniert ziemlich gut.
"Bei der Höhe der Miete kommt es immer auf die Ausstattung an"
Reden wir über die Mietpreise. Wie haben die sich entwickelt, seit Sie angefangen haben?
Die erste Wohnung, die ich je vermietet habe, war in der Implerstraße. Drei Zimmer plus Küche. 80 Quadratmeter, inklusive Tiefgaragenstellplatz. Kirschholzparkett. Neuwertiges Bad. Kostete damals: 1.200 Euro kalt. Der Mieter wohnt heute noch drin.
Was würde die heute kosten?
Auf keinen Fall unter 2.000 kalt.
Ist das in etwa der Mietpreisanstieg, den Sie über die Jahre wahrnehmen?
Es kommt immer auf die Ausstattung an. Der Durchschnittsquadratmeterpreis beträgt zur Zeit in ganz München um die 16 bis 17 Euro kalt. Die Wohnung in der Implerstraße kostete damals schon 15 Euro je Quadratmeter.
Wie verändert das den Markt? Gentrifizierung?
Ich kann es nicht genau sagen. Die meisten Wohnungen, die ich in letzter Zeit vermietet habe, waren möbliert. Darunter waren viele Einzelapartments. Ein Vater hat kürzlich zwei Jahre Miete im Voraus für seinen Sohn bezahlt, der hier studiert. Oft interessieren sich auch BMW-Mitarbeiter, die neu in die Stadt kommen. Die Ingenieure haben hohe Einstiegsgehälter: etwa 60.000 Euro Jahreseinkommen.
"Viele Vermieter machen entscheidende Fehler"
Eine Münchner Wohnung vermietet sich fast wie von selbst. Ist das korrekt?
Nicht ganz. Sonst bräuchte man ja keine Makler. Viele Vermieter machen entscheidende Fehler und müssen dann Mietausfälle in Kauf nehmen, weil zunächst keiner einzieht.
Welche Fehler?
Sie setzen den Mietpreis zu hoch an, oft deshalb, weil sie von den Einnahmen leben.
Was empfehlen Sie da?
Das Naheliegende. Lieber etwas niedriger ansetzen und dafür keine Mietausfälle haben. Noch dazu steigt dann die Wahrscheinlichkeit, dass der Mieter lange drinbleibt. Es bringt ja nix, wenn der Mieter nach zwei Jahren wieder auszieht.
Wie sieht es derzeit mit den Kaufpreisen aus?
Auch bei Einzimmer-Apartments zahlt man in München um die 10.000 Euro pro Quadratmeter. Darunter geht eigentlich nichts.
"Auch die Preise im Münchner Umland steigen"
Ist der Münchner Immobilienmarkt überhitzt?
Nein. Es gibt keine Blase. Dafür ist und bleibt die Nachfrage zu groß. Vor einer Blase wurde vor 30 Jahren schon gewarnt.
Gab es einen Corona-Effekt?
Ja, aber keinen, der die Preise gemindert hat. Ein großer Effekt, den ich wahrgenommen habe, war, dass Familien mit Kindern oft aufs Land gezogen sind. Auch durch Homeoffice.
Sind es eher Mieter, die aufs Land ziehen, oder eher Käufer?
Eher Mieter.
Warum?
Auch auf dem Land, rund um München, kosten die Immobilien mindestens 500.000 Euro. Ich habe vor fünf Jahren ein Reihenmittelhaus in Sauerlach verkauft, 120 Quadratmeter. Kostete damals 830.000 Euro.
Und heute?
Mehr als eine Million. Inklusive Nebenkosten. Und man braucht für Kredit immer 30 Prozent Eigenkapital. Wären in dem Fall 300.000 Euro. Das haben die wenigsten - außer die Generation Erbe.
"Erben investieren gerne in Immobilien"
Hat der Trend, aufs Land zu ziehen, dort die Preise in die Höhe getrieben?
Beim Kauf, ja.
Die Nachkriegsgeneration stirbt langsam aus und vererbt große Summen.
Die Erben. Ja, sehr finanzkräftige Generation.
Wie viel Prozent Ihrer Kunden sind Erben?
(atmet lange aus, blickt aus dem Fenster) Ich schätze 30 Prozent. Bei den Käufern natürlich.
Eine Theorie ist ja, dass Erben den Markt verzerren, die Preise in die Höhe treiben, weil bei ihnen das Geld locker sitzt.
Verzerren? Weiß ich nicht. Aber das Geld sitzt schon lockerer. Im Sinne von: Es schmilzt auf der Bank langsam vor sich hin. Also investieren viele lieber schnell in Immobilien.
"Für 400.000 Euro hätte ich ein Einzimmer-Apartment in München"
Ein aktuelles Beispiel?
Ich verkaufe gerade in Ingolstadt ein Haus. 1.100 Quadratmeter Grund. Altbestand, 60er. Nettes Häuschen. Bieterverfahren, Startgebot 500.000 Euro. 44 Anfragen innerhalb von 24 Stunden, auch von Erben.
Wo landet der Preis am Ende?
Ich denke bei über 600.000 Euro. Das Wertvollste ist der Baugrund. Auch in Ingolstadt ist er knapp.
Wo kann man denn noch Schnäppchen machen?
Freunde von mir haben sich in Arnsdorf für unter 400.000 Euro ein Haus gekauft. Sind 120 Kilometer von hier. Für den Preis hätte ich ein Einzimmer-Apartment in München.
"Wer Schlüsselkaution verlangt, ist meist ein Betrüger, kein Makler"
Wie erkenne ich eigentlich seriöse Immobilienmakler?
Einzel- statt Massenbesichtigungen, alle Dokumente über die Immobilie parat, ist am Telefon erreichbar, antwortet immer auf Anfragen. Bei mir kriegen alle eine Nachricht, dass die Anfrage angekommen ist und auch, wenn die Immobilie nicht mehr verfügbar ist. Sonst schade ich meinem Ruf. Und ich lebe von meinem guten Ruf.
Wovor sollte man zurückschrecken?
Wenn jemand Schlüsselkaution oder so etwas haben möchte. Irgendwelche Vorauszahlungen sollte man nie leisten. Das sind meist Betrüger.
Wie viele Objekte vermitteln Sie derzeit in der Stadt?
Sechs Wohnungen zur Miete.
Und in der Region München?
Etwa sechs zur Miete und vier zum Kauf.
Schon mal überlegt, Mitarbeiter einzustellen?
Nein. Ich kann mein Geschäftsmodell nicht skalieren. Kann ja nicht meinem Angestellten einen Bart aufkleben, eine Langhaarperücke aufsetzen und kurze Hosen anziehen lassen. Ich nehme die Dinge lieber selber in die Hand. Wenn der Mitarbeiter einen blöden Spruch bringt oder zu spät kommt, fällt das auf mich zurück.
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