Münchner berichtet: Wenn jede S-Bahn-Fahrt in der Katastrophe enden kann

Beim Thema Barrierefreiheit stellt Maximilian Schulz der Stadt ein schlechtes Zeugnis aus. Dabei hat München große Ziele für Zukunft. Die sind aber so wenig erreichbar, wie für den Rollstuhlfahrer manchmal sein Zuhause.
Eva von Steinburg
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Auf Münchens Stammstrecke kommt es immer wieder zu Ausfällen – ein Ärgernis für alle Kunden des öffentlichen Nahverkehrs. Maximilian Schulz hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, wie er der AZ berichtet. (Archivbild)
Auf Münchens Stammstrecke kommt es immer wieder zu Ausfällen – ein Ärgernis für alle Kunden des öffentlichen Nahverkehrs. Maximilian Schulz hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, wie er der AZ berichtet. (Archivbild) © Sven Hoppe/dpa

Kino und Fußball sind seine Hobbys: Maximilian Schulz geht gerne ins City Kino und in den Mathäser Filmpalast – beide nahe Stachus. Als Fan von Eintracht Frankfurt trifft er sich immer wieder mit der eingefleischten Fan-Gemeinde zum Fußballschauen im Bürgerheim im Westend.

Stammstrecke: Immer mehr Aufzüge kaputt

Doch immer öfter kommt er zu spät zu seinen Treffen. Oder er gibt auf dem Weg dorthin auf. Der Grund: Der Münchner ist Rollstuhlfahrer. "Immer mehr Aufzüge an der Stammstrecke sind defekt. Das bremst mich aus. Wo bleibt die Barrierefreiheit?", kritisiert er die Zustände.

Rollstuhlfahrer Maximilian Schulz unterwegs an einem Aufzug am Stachus.
Rollstuhlfahrer Maximilian Schulz unterwegs an einem Aufzug am Stachus. © Daniel von Loeper

Rollstuhlfahrer stellt schlechtes Zeugnis aus

OB Dieter Reiter hat er deswegen bereits 2024 einen Brief geschrieben. "Doch die Aufzugsituation wird seitdem nur noch schlechter. Und so bewirbt sich München für die Paralympics?". Der Rollstuhlfahrer stellt München ein miserables Zeugnis aus.

Lifte in Laim und Rosenheimer Platz werden saniert

Die Aufzüge am Rosenheimer Platz und die in Laim funktionieren aktuell sowieso nicht. Sie werden überholt. Maximilian Schulz hat festgestellt, dass es in den letzten Wochen immer wieder neue Lift-Ausfälle an der Stammstrecke gibt: an der Hackerbrücke, an der Donnersbergerbrücke und am Stachus.

"Das schränkt mich ein. Es ist fürchterlich. Die Verantwortlichen der Verkehrsbetriebe und der Stadt sollten häufig kaputte Aufzüge bitte ganz ersetzen", fordert der 39-jährige Münchner.

Am Stachus dokumentiert: Dieser Aufzug im Sperrengeschoss war am 11. November defekt.
Am Stachus dokumentiert: Dieser Aufzug im Sperrengeschoss war am 11. November defekt. © Maximilian Schulz

Der Stachus ist ein "Brennpunkt"

Den Stachus nennt er aktuell den "Brennpunkt der Probleme". Auch wegen großer Unsauberkeit. "Bereits zwei Mal lag Kot im Aufzug. Den Lift wollte ich dann natürlich nicht benutzen", erklärt Schulz. Auf AZ-Anfrage sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn dazu: "Bei derartigen Verschmutzungen bitten wir um Meldung an die 3-S-Zentrale, die durch ihre 24-Stunden-Besetzung die Reinigung sofort veranlassen kann".

Diese Telefonnummer stehe unter Bahnhof.de oder hänge im Aufzug oder in Aufzugnähe aus, sagt der Bahnsprecher. Maximilian Schulz: "Das ist mir neu, dass dann sofort sauber gemacht wird. Ich werde das testen und Bescheid geben", erklärt der Rollstuhlfahrer.

Die MVG informiert zu Verschmutzungen: "An stark frequentierten U-Bahnhöfen sind Reinigungsteams permanent vor Ort."

Angst, nicht nach Hause zu kommen

Die Situation im ÖPNV bedeute für ihn "maximale Unsicherheit". Es sei "eine Zitterpartie und macht mir Bauchschmerzen. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass ich an mein Ziel komme. Manchmal habe ich auch Angst, vom Sperrengeschoss nicht mehr an die Oberfläche zu kommen – also, dass ich es abends nicht heim schaffe", sagt Schulz.

Was helfen würde: "Rund um die Uhr sollte ein Technikteam erreichbar sein", fordert er. Die Deutsche Bahn sagt ihm das für den Notfall zu: "Die DB arbeitet im Falle einer Personenbefreiung mit Interventionspartnern zusammen, welche 24 Stunden zur Verfügung stehen."

Ein großes Ärgernis: Der S-Bahnhof Aubing hat keinen Aufzug. Die Treppen sind für Rollstuhlfahrer nicht nutzbar.
Ein großes Ärgernis: Der S-Bahnhof Aubing hat keinen Aufzug. Die Treppen sind für Rollstuhlfahrer nicht nutzbar. © Daniel von Loeper

Tram mit defekter Hebebühne

Der Mann versteht sich als Aktivist für Barrierefreiheit, auch stellvertretend für Mütter mit Kinderwagen und Senioren mit Rollatoren: Schulz kennt alle Aufzüge entlang der Münchner Stammstrecke.

Beim Check mit der AZ funktioniert sie: die Hebebühne der Tram 17 beim Mathäser Filmpalast an der Bayerstraße 3
Beim Check mit der AZ funktioniert sie: die Hebebühne der Tram 17 beim Mathäser Filmpalast an der Bayerstraße 3 © Daniel von Loeper

Er schimpft: Auch bei Trambahnen der MVG funktioniere immer wieder die Hebebühne nicht. "Wenn die Tram eine Hubliftstörung hat, bleibt uns leider keine andere Möglichkeit, als auf die nachfolgende Tram zu verweisen", schreibt die MVG der AZ zu dem Ärgernis. Maximilian Schulz sagt deutlich: "Für mich als Bürger dieser Stadt ist die aktuelle Situation dramatisch."

Was die Paralympics betrifft, gibt sich die Deutsche Bahn gelassen: "Heute sind über 90 Prozent der Stationen im Münchner S-Bahn-Netz stufenfrei per Rampe oder Aufzug erreichbar. Für 20 Stationen laufen Planungen oder Bauarbeiten. Da der frühestmögliche Termin für die Paralympics 2036 ist, sollten bis dahin einige dieser Maßnahmen umgesetzt sein", schreibt ein Sprecher.

Schulz, der mit seiner 24-Stunden-Betreuung unterwegs ist, reicht das nicht: "Ich fordere mehr Tempo beim Ausbau und klare Notrufnummern für schnelle Hilfe. Ich war mal vier Stunden gefangen im Untergeschoss am Rosenheimer Platz – der Aufzug war kaputt."

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  • AK1 vor 4 Stunden / Bewertung:

    Einen Zweck hat es ohne Zweifel nicht. Für die S-Bahn hat er aber durchaus Zeit - also um darauf hinzuweisen, dass da der Freistaat zuständig ist, über den beschwert er sich ja gern. Seine Zuständigkeit für die U-Bahn interessiert ihn eher weniger.
    Es gibt übrigens bisher einen Radschnellweg - von dem ist aber in München noch wenig zu sehen. Taten sind hier vor Allem im Landkreis München erfolgt. Reiter hat da sicher kein sonderlich großes Interesse. Was er mit den Leihwagenfirmen macht, wäre noch interessant.

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  • JoeKatze vor 5 Stunden / Bewertung:

    Es hat keinen Zweck, den Herrn Reiter anzuschreiben. Für derart alltägliche Anliegen wie dauernd kaputte Aufzüge an S- und U-Bahn-Stationen hat er keine Zeit. Die Hauptaufgaben der Rathausführung konzentrieren sich eher auf Radschnellfahrwege und Leihwagenfirmen. Bringt wahrscheinlich mehr für die Wahl, als sich um Behinderte zu kümmern.

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  • SKi vor 5 Stunden / Bewertung:

    Das Problem fängt bei der Wurstigkeit bei DB und MVG an. Wenn man eine Mail schreibt kommen nur Rechtfertigungen, aber keine Entschuldigung. Und natürlich passiert erstmal nichts.
    So funktioniert das nicht mit der Verkehrswende. Das fängt mit der Einstellung gegenüber dem zahlenden (!) Kunden. Wenn es ein Problem gibt, möchte zumindest ich nicht hören, wie viele Aufzüge und Rolltreppen es im MVV gibt. Das ist eine Themaverfehlung. Die Antwort der Bahn auf die Paralympics ist einfach nur eine Verhöhnung der Kunden.

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