Story

Münchner Barmänner berichten, was der Lockdown mit ihnen macht

Für Münchens Bar-Besitzer wird der Lockdown langsam zur Zerreißprobe. Wie es ihnen geht, wie sie mit der Situation umgehen und was sie sich für die Zukunft wünschen, erzählen sie hier in der AZ.
von  Ruth Frömmer
Charles Schumann ist weiter für seine Stammgäste da.
Charles Schumann ist weiter für seine Stammgäste da. © Dirk Steinmetz/dpa

München - Wer rechnet schon damit, seine Existenz von heute auf morgen auf den Kopf stellen zu müssen? Seit fast einem Jahr ist das Barleben nicht mehr wie es war. Ein Absacker nach dem Essen oder mit Freunden Cocktails trinken - das war das Geschäft der Nachtlokale. Seit Corona ist alles anders. Zwar hatten die Bars im letzten Sommer wieder geöffnet.

Mit Abstandsregeln, Hygienekonzept, weniger Gästen und - vor allem - knapperen Öffnungszeiten. Die Situation zehrt an den Kräften der Barbesitzer. Ob klein oder groß, jede Bar hat ihre eigenen Probleme. Und jede sucht ihren Weg durch die Krise. Von Cocktails zum Mitnehmen zu Interims-Schnapsläden, man versucht, am Ball und vor allem an den Gästen zu bleiben.

Aber ohne die Staatshilfen sähe es finanziell sehr düster für sie aus. Bei den meisten sind diese inzwischen eingetroffen und lassen zumindest ein wenig Hoffnung aufkommen. Die Hoffnung auf ein unbeschwertes Nachtleben in der Zukunft der Stadt.

Schumanns: Charles Schumann sieht jetzt mehr fern

Zu Corona will ich nichts sagen. Man weiß nichts und man kann's auch nicht mehr hören. Wir haben Glück, dass wir ein großes Lokal haben. So können wir leichter damit leben. Jetzt ist es besonders wichtig, dass wir für unsere Stammgäste da sind. Im Homeoffice werden langsam alle verrückt. Seit dem ersten Lockdown haben wir unser Essen zum Mitnehmen. Damit bleiben wir ein Ort, wo die Leute hingehen können. Die Menschen sagen uns, dass wir gerade jetzt besonders wichtig für sie sind. Zumachen ist ungut. Die Frage ist, wie die Situation jetzt gehandhabt wird. Es ist eine Gelegenheit, sich neu zu erfinden.

Typisch deutsch ist: immer nur darüber reden, was alles falsch gemacht wird. Aber Angst verbreiten, ist das Schlechteste. Lieber sollte man hoffen und beten, dass wir klarkommen. Abends habe ich jetzt Zeit fernzusehen. Aber die Talkshows werden leider immer überflüssiger. Da sitzen jeden Tag die Gleichen - gibt es niemand anderen? Es muss doch Menschen geben, die uns die nicht erklärbare Situation erklären können, ohne uns Angst einzujagen. Die Menschen werden langsam verrückt, es wird immer unglaubwürdiger! Ich sage: Geht in die Kirche! Ich mache das regelmäßig. Einfach auch, um alleine zu sein. Wir sehen uns spätestens, wenn wir wieder aufmachen. Schumanns, Maffeistraße 6

Pacific Times: Andreas Till denkt über neue Konzepte nach

Uns geht es den Umständen entsprechend ganz gut, wir sind zumindest alle gesund! Wir sind auch seit dem ersten Lockdown durchgehend geöffnet und bieten Drinks und Speisen außer Haus an, jeweils dienstags bis samstags von 17 bis 21 Uhr. Dabei haben wir zu unserer Speisekarte zusätzlich eine Streetfoodkarte etabliert, die mehrmals wöchentlich wechselt. Cocktails und Drinks bieten wir in Fläschchen abgefüllt an, Eis und Garnitur gibt es separat vakuumiert dazu, sodass man sich den Drink zu Hause nur noch in ein Glas umfüllen muss. Cocktails, heißen Punch und Longdrinks, gibt's außerdem noch auf die Hand to go.

Andreas Till mixt weiterhin seine Cocktails - zum Mitnehmen und daheim trinken.
Andreas Till mixt weiterhin seine Cocktails - zum Mitnehmen und daheim trinken. © Pacific Times

Da wir davon ausgehen, dass wir frühestens ab Mitte März öffnen dürfen und wir davon ausgehen, dass sich unsere Situation auch nach dem Ende des Lockdowns grundlegend verändern wird, basteln wir gerade an alternativen Konzepten, um in Zukunft flexibler bleiben zu können. Zum Beispiel bieten wir für zu Hause unsere Cocktail & Movie Collection Box an, bei der man aus einer Vielzahl von Cocktails auswählen kann, die in irgendeiner Weise in Filmen oder Serien eine Rolle spielen. Die Box besteht aus jeweils zwei Drinks und einem Link zu einem zehn-minütigen, von uns produzierten Filmchen, in dem der Drink, seine Historie, sowie seine Rolle im jeweiligen Film besprochen und vorgeführt wird. Da die zugesagten Hilfen bislang noch nicht gezahlt wurden, sind wir auf Eigeninitiative und Teamgeist angewiesen. Pacific Times, Baaderstraße 28

Jaded Monkey Bill Fehn: Keine komplette Konzept-Veränderung 

Wir hatten letztes Jahr einen Straßenverkauf. Aber die Bar liegt so versteckt, deshalb hat das nicht richtig funktioniert. Beim Lockdown light (bis 21 Uhr) hatten wir wieder auf mit geänderten Öffnungszeiten ab 18 Uhr. Aber da hätten wir gleich zulassen können, das hat sich gar nicht gelohnt. Mit all den Beschränkungen kamen manchmal nur zehn Gäste am ganzen Abend. Ohne Corona hatten wir am Abend 100 bis 150 Leute. Der Lockdown light war nicht durchdacht. Man versteht nicht, warum ein Laden aufhaben darf, der andere aber nicht. Eine komplette Konzept-Veränderung kommt für uns nicht in Frage. Wir haben gar nicht die Räumlichkeiten, um großes Essen zu servieren. Unsere Pläne waren kleinere Veranstaltungen wie private Verkostungen und Cocktailkurse.

An "normalen" Abenden hat Bill Fehn vier Bartender beschäftigt.
An "normalen" Abenden hat Bill Fehn vier Bartender beschäftigt. © Jaded Monkey

Aber es ist uns fünf Mal passiert, dass wir sie wegen neuer Beschränkungen wieder absagen mussten. Das zehrt. Cocktails to go machen wir nicht. Da müsste immer jemand da sein, um dann am Ende gar nichts zu verkaufen. Aber wenn jemand anruft und 20 Cocktails braucht, dann machen wir das natürlich gerne. Was man so hört, wird sich vor Ostern nichts ändern. Eine Eröffnung mit den Beschränkungen ist für uns finanziell gesehen zwar uninteressant, aber wir würden trotzdem aufmachen. Denn langsam fallen die Motivation und der Geschäftsgeist weg, alle haben ihre Lebenslust verloren.

Aber mit der staatlichen Unterstützung kommen wir schon durch. Wenn das auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Das Geld ist ja schon ausgegeben, bevor es überhaupt ankommt. Aber immerhin beruhigt das. Wir hoffen, dass 2021 besser wird. Aber: Wenn wir wieder aufmachen dürfen, heißt das natürlich nicht, dass alles wieder so wird, wie es war. Normalerweise haben wir von 20 Uhr bis 3 Uhr geöffnet, manchmal bis 4 oder 5 Uhr. Unser Publikum ist gemischt von jung bis alt. Aber ich freue mich schon, wenn's weitergeht. Jaded Monkey, Herzog-Wilhelm-Straße 25

Bar Gabányi Stefan Gabányi bastelt sich eine Struktur

Die Novemberhilfe ist eingetroffen - gerade noch rechtzeitig. Wenn die Zahlungen wie versprochen kommen, denke ich, wir überstehen das bis Ende März. Ansonsten weiß ich auch nicht weiter. Aber ich bin in einer guten Lage. Ich habe zum Beispiel einen tollen Vermieter. Das spielt schon mal eine große Rolle. Außerdem habe ich nur wenige Mitarbeiter. Bis jetzt kann ich selbst aufstocken, was ihnen wegen des Kurzarbeitergelds fehlt. Aber für die Mitarbeiter ist es zum Teil schlimmer als für die Wirte, denn ihnen fehlt das Trinkgeld ja komplett. Ich bin an meine Privat-Reserven gegangen, habe einige Sachen verkauft. Hauptsache, ich muss nichts aus meinem Laden nehmen. Letztes Jahr im Sommer hatten wir geöffnet.

Stefan Gabányi liebt Livemusik und Kultur in seiner Bar.
Stefan Gabányi liebt Livemusik und Kultur in seiner Bar. © Bernd Wackerbauer

Die verkürzten Öffnungszeiten waren für uns zwar schwierig, denn wir machen unser Hauptgeschäft in der Nacht. Aber dank Freischankfläche hatten wir alles in allem einen guten Sommer. Ich habe ein Riesenglück mit meinen Stammgästen. Sie sind uns treu und sehr hilfsbereit. Es waren zwar weniger Leute unterwegs, aber die haben dafür umso mehr Gas gegeben. Wir sind bekannt für Livemusik, die ist ganz ausgefallen. Aber wir haben Livestreams gegen Spenden für die Künstler organisiert, das war gut. Ich hoffe, dass ich nicht zu faul werde in dieser Zeit. Man muss sich schon eine Struktur basteln in diesen Tagen. Im Moment renoviere ich den Laden ein bisschen. Die Bar Gabányi gibt es seit 2012. Wir haben nie ein Jubiläum gefeiert. Aber wenn das alles überstanden ist, wird es ein Fest geben. Bar Gabányi, Beethovenplatz 2

Zephyr: Alex Schmaltz hält durch

Es geht so weit ganz gut. Finanziell ist das Ganze natürlich ein Desaster, aber mit den staatlichen Hilfen, die jetzt endlich auch angekommen sind (November- und Dezember-Hilfen), halten wir noch etwas durch und hoffen, gegen Ostern wieder einigermaßen öffnen zu können.

Die Zephyr-Bar.
Die Zephyr-Bar. © Zephyr

Zumindest mit to go und draußen sitzen. Somit ist es sehr entscheidend, wie lange der Lockdown noch anhält beziehungsweise wie lange es noch dauert, bis wir wieder halbwegs vertretbare Umsätze erzielen können.Für unsere Angestellten ist es auch nicht so leicht. Sie bekommen zumindest Kurzarbeitergeld, bei dem in Dienstleistungsbranchen, wie der Gastronomie, aber leider völlig das Trinkgeld vergessen wurde. Dies ist doch ein großer Anteil des regulären Verdienstes. Zephyr, Baaderstraße 68

Salon Irkutsk: Daniel Richter ist flexibel

Uns gibt es seit zehn Jahren. Wir sind eine kleine Bar mit russischem Thema, viel Kunst und Kultur. Unsere Stammkunden unterstützen uns gerne. Aber das reicht natürlich nicht ganz. Langsam haben die Leute auch einen gewissen Überdruss vom ganzen Bestellen. Aber wir machen weiter. Von 17 bis 20.30 Uhr ist jetzt immer unser Cocktailfenster geöffnet. Einen Interims-Schnapsladen hatten wir auch schon. Das war eine schöne Möglichkeit, mal was anderes zu machen. Wir verkaufen und liefern auch Pelmeni, russische Teigtaschen. Dieser Umsatz deckt immerhin die Mitarbeiterkosten.

Daniel Richter an seinem Cocktailfenster.
Daniel Richter an seinem Cocktailfenster. © Salon Irkutsk

Die Novemberhilfe ist inzwischen auch eingetroffen. Da fühlt man sich nicht so allein gelassen. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent ist kein unwichtiger Faktor. Das hilft uns. Die Staatshilfen sind nicht unbedingt super, aber auch nicht so schlecht. Immerhin laufen wir auf Null und bekommen Unterstützung vom Staat bei der Pacht. Ich habe eine positivere Herangehensweise als viele Kollegen. Unsere Bar ist klein mit einfacher Struktur. Wir können uns flexibel anpassen. Wie ich das sehe, ist von den jungen dynamischen Bars, die Nischen abdecken, keine ernsthaft gefährdet. Salon Irkutsk, Isabellastraße 4

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