Münchner Aufstand gegen Geldgier und Luxus-Wahn
Ob in Giesing oder im Westend, in Schwabing oder Pasing: Viele Menschen haben genug davon, dass Spekulanten und Neureiche die Preise in ihrem Viertel in die Höhe treiben – und organisieren sich
MÜNCHEN „Wir lassen uns nicht verräumen!“ Dieser Satz steht auf den Umzugskartons. Wir, das sind Münchner Mieter – und die Kartons sind Symbol für jene, die aus ihren Vierteln vertrieben werden, weil die Miete für die Wohnung zu hoch ist oder ein Investor daraus eine Luxus-Eigentumswohnung macht.
Zahlen Sie zuviel Miete? Der neue Mietatlas:
Gentrifizierung nennt man das heute – es ist längst zum Reizwort geworden. Am Mittwoch rief der Mieterverein München mit dem DGB dazu auf, auf diesen Kartons zu unterschreiben, gegen Luxussanierungen und für Gesetze, die diese erschweren. Aber nicht nur dort regt sich Widerstand: Immer mehr protestieren, immer mehr Aktionsgruppen schließen sich zusammen. „Jetzt geht’s erst richtig los“, sagt der Student Johannes Jonic von der neuen Initiative „Recht auf Stadt“. Der Münchner Immobilienmarkt hat irrwitzige Sphären erreicht und die Zuzugsprognosen heizen ihn weiter an.
Im Durchschnitt zahlt der Münchner je nach Erhebung zwischen 11,70 bis 12,50 Euro pro Quadratmeter, das ist bundesweit einsame Spitze. Beim Durchschnitt für Wohneigentum schwanken die Zahlen zwischen 3600 bis 3980 Euro pro Quadratmeter – und nicht nur in den teuersten Vierteln entstehen Luxuswohnungen.
Jetzt organisieren sich die Widerständler. „Wir gründen gerade mit neun anderen Initiativen ein Bündnis“, sagt Student Maximilian Heisler von der „Aktionsgruppe Untergiesing“, der auch bei der Unterschriftenaktion dabei ist. Mit im Boot beim neuen „Bündnis bezahlbares Wohnen“, das Anfang 2012 mit einem Elf-Punkte-Plan an die Öffentlichkeit gehen will, sind unter anderem die Initiative „Bezahlbares Wohnen“ im Westend, Mietergemeinschaften aus der Maxvorstadt, Schwabing und der Altstadt sowie die Initiative „Rettet die Birkenau“.
Heisler: „An der Birkenau kann man sehen, was angeblich familientaugliches Bauen heißt: Die neuen Wohnungen sind mindestens 100 Quadratmeter groß und kosten eine halbe Million Euro. Welche Familie kann das finanzieren?“ Das neue Bündnis will konkrete politische Forderungen stellen – zum Teil decken die sich mit denen des Mietervereins: Der trommelt heute für andere Gesetze. „Wir brauchen das Umwandlungsverbot, so wie es in Hamburg bereits existiert“, sagt Beatrix Zurek, Vorsitzende des Mietervereins. Dann könnten Mietwohnungen nur in Eigentum verwandelt werden, wenn die Kommune zustimmt. Das bremst Spekulanten aus.
Außerdem stehen Mietobergrenzen und ein Deckel für Mieterhöhungen durch Modernisierung auf der Liste. Weniger konkret, dafür umso wütender sind die Aktivisten von „Recht auf Stadt“, die sich gerade formieren. Nach dem Hamburger Vorbild, dem 50 kleine Gruppen angehören, vernetzten sich Initiativen, zum Beispiel aus Giesing, dem Westend und Pasing. Das Manifest der Gruppe ist gerade fertig. „Die Promenaden den Gutsituierten, dem Pöbel die Mietskasernen außerhalb, lautet die heimliche Devise“, heißt es da.
Johannes Jonic von „Recht auf Stadt“ sagt: „Wir wollen keine Hochglanzstadt, in der Durchschnittsverdiener und sozial Schwache ausgeschlossen werden.“ Der Aktivist aus Giesing ahnt: „Wenn die Paulaner-Brauerei ihr Gelände räumt und auch noch das Sechzger-Stadion wegkommt, ist dort viel Platz für Luxusbauprojekte.“ Und viel Gelegenheit für Protest.
Die neuen Ziele der Geldigen
Überall wird saniert in der Stadt – mit bekannten Folgen: Wohnen wird teuer
SCHWABING
Osterwaldstraße 37: Hier entstehen Designwohnungen für 10575 Euro pro Quadratmeter. Einziehen kann man ab Mai 2012.
„Monaco – Die neue Münchner Freiheit“: Die 34 Wohnungen in der Feilitzschstraße mit einem Quadratmeterpreis von 7083 Euro sollen Anfang 2013 fertig sein.
MAXVORSTADT
„MAX12“: Für 7450 Euro pro Quadratmeter bekommt man in den Wohnungen in der Amalienstraße einen separaten Aufzug und einen offenen Kamin. Bezugsfertig ab Mitte 2012.
„NYLiving“: Auf dem ehemaligen Gelände der Löwenbräu-Brauerei in der Sandstraße kostet der Quadratmeter ab 5471 Euro. Die 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen sind bereits bezugsfertig.
HAIDHAUSEN
„Welfenhöfe“: In der bisher eher unscheinbaren Welfenstraße entstehen auf einem Gelände der Schörghuber-Gruppe Wohnungen und Gewerbeflächen. Der erste Bauabschnitt wird im Frühjahr 2012 bezugsfertig sein. Der Quadratmeterpreis liegt bei 5075 Euro. Die Bebauung lässt erahnen, wie es in Zukunft auf dem benachbarten Paulaner-Gelände aussehen könnte, falls die Brauerei wegzieht.
ISARVORSTADT
„Isar de Luxe“: Die bereits bezugsfertigen Luxuswohnungen in der Waltherstraße sind schon fast alle verkauft. Der Quadratmeter kostet 5405 Euro.
GIESING
„Stadtquartier Severin“: Ab Mitte 2012 kann man in der Severinstraße für 5248 Euro pro Quadratmeter den Blick über die Stadt genießen.
ALTSTADT
Damenstiftstraße 6: Der Quadratmeterpreis für die Dachgeschosswohnungen in dem luxussanierten Altbau liegt bei 10000 bis 15000 Euro. Bezugsfertig: Mitte
2012.
SENDLING
„Kidler 36“: Dank der Umgestaltung wird auch der Harras ein attraktiverer Standort. Die Wohnungen in der Kidlerstraße sind für 5265 Euro pro Quadratmeter zu haben. Einziehen kann man aber erst ab Anfang 2013.
PASING
„Gatterburg“: Dank der verbesserten Infrastruktur entstehen bis Ende 2013 in der Engelbertstraße moderne Wohnhäuser mit Gartenstadtcharakter. Der Quadratmeter kostet 4663 Euro.
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