Münchner (27) erzählt: So war's beim NY-Marathon
München - Nach genau 2 Stunden, zehn Minuten und 53 Sekunden lief am Sonntag vor einer Woche der Sieger Geoffrey Kipsang Kamworor aus Kenia über die Ziellinie im Central Park. Gute zwei Stunden (also eine Siegerzeit dazu) später traf dort auch Andreas Ullrich (27) aus München ein.
Der Personal Coach lief eine Zeit von 4 Stunden und 14 Minuten - für einen Amateur immer noch mehr als passabel. In der AZ erzählt er, wie es beim größten Marathon der Welt so zugeht - und warum er am Tag danach Treppen nur rückwärts runter gegangen ist.
AZ: Herr Ullrich, warum ausgerechnet New York?
Andreas Ullrich: Mich hat ein Freund im Februar gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm den NY-Marathon zu laufen. Und obwohl ich nicht aus dem Ausdauer-Sport komme, habe ich zugesagt. Ohne zu wissen, was das eigentlich heißt - und ohne zu ahnen, wie anstrengend das ist.
Wie haben Sie sich für das Rennen qualifiziert?
Das funktioniert entweder sportlich, mit dem Erreichen einer bestimmten Zeit bei anderen Veranstaltungen - oder über eine Agentur. Diesen Weg habe ich genommen. Da muss man wahnsinnig früh buchen, bei über 50.000 Menschen, die da jedes Jahr mitlaufen. Insgesamt habe ich für das Unterfangen rund 3.000 Euro ausgegeben.
Haben Sie denn auch trainiert?
Ich bin vielleicht 250 Kilometer im Jahr gelaufen, komme ja eher aus dem Kraftsportbereich. Allerdings habe ich durchaus schon Triathlon-Erfahrung und bin schon einen Halbmarathon gelaufen. Normalerweise sollte man aber schon so um die 80 Kilometer pro Woche laufen, wenn man sich ernsthaft auf so ein Ereignis vorbereiten will.
Hat sich das dann gerächt? Wie sind Sie durchgekommen?
Bis Kilometer 35 war es eigentlich ganz in Ordnung. Durch die vielen Brücken aber ist der NY-Marathon sehr schwer, man legt zusätzlich auch noch einige Höhenmeter zurück. Am Ende hat mir alles dermaßen weh getan, dass ich gar nichts mehr mitbekommen habe. Das ist dann eine reine Willensleistung. Mir hat ein Spruch geholfen, den ich an einem Hochhaus gesehen habe: "Pain is temporarily, fame lasts forever". Das hat mich dann nochmal gepusht.

Haben Sie denn etwas von der Stadt mitbekommen?
Während des Laufs nicht so sehr. Allerdings sind wir morgens um 5 Uhr mit dem Bus die Strecke entlanggefahren, da sieht man dann schon, wie toll die Stadt ist - und wie groß.
Der Marathon fand nur wenige Tage nach dem Anschlag auf einem Radweg statt. Wie haben Sie die Sicherheitsmaßnahmen wahrgenommen?
Es gab schon sehr viel Polizei rund um die Strecke. Was mich aber sehr beeindruckt hat: Die Amerikaner haben ihre Polizisten gefeiert, es gab viel Lob für ihre Arbeit. Wir Athleten waren vollkommen sicher, das lief alles vollkommen reibungslos ab. Bei 50.000 Menschen ist das sicher nicht so einfach.
Nochmal zurück zum Lauf: Ist das nicht seltsam, mit tausenden Menschen zusammen durch New York zu laufen?
Ich erinnere mich vor allem an eine Szene: Ich habe einige Kilometer nach dem Start meine Ohrstöpsel rausgenommen, wir liefen gerade über eine Brücke. Das kam mir vor wie in einem Zombie-Film: Weil wir alle ziemlich die gleiche Geschwindigkeit hatten, fühlte man auf dem Boden eine gleichmäßige Vibration. Jeder war im Tunnel, man bewegte sich geschlossen auf diese Hochhäuser zu. Ein ganz irres Gefühl, das ist schon Gänsehaut.

Gänsehaut gibt's dann vor allem beim Zieleinlauf im Central Park, oder?
Ja, das ist in der Tat ein ganz einmaliges Erlebnis. Da stehen dann ja wirklich hunderte Fans an der Streckenbegrenzung und jubeln dir zu. Da ist Volksfest-Stimmung: Überall Musik im Park, die Menschen feiern sich und ihre Stadt.
Der Marathon ist jetzt genau eine Woche her: Wie geht's den Muskeln?
(lacht): Besser. Der Tag danach war brutal. Ich bin rückwärts alle Treppen runter gelaufen, besonders in der U-Bahn sah das sehr lustig aus. Die Belastung über 40 Kilometer ist schon enorm, ich habe vollen Respekt für alle, die das durchziehen. In New York wurden wir übrigens auch gefeiert, haben als Teilnehmer teilweise in Lokalen und Geschäften Rabatt bekommen. Die Amerikaner feiern da deine Leistung - egal, ob du 2 Stunden oder einen Tag brauchst.
Erleben Sie das hier nicht so?
Das erste, was ich am Flughafen in München gefragt wurde, als ein Sicherheitsmitarbeiter meine Medaille gesehen hat, war: "Was war ihre Zeit?" Das ist halt der Unterschied zwischen Deutschland und den USA.
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