München: Leben zu viele Biber in der Stadt?

München - Der Biber und der Mensch sind sich in ihrem Wesen von Grund auf ähnlich. Davon ist Martin Hänsel überzeugt. Er arbeitet für den Bund Naturschutz in München und wer wissen will, warum man derzeit entlang der Isar so viele abgeknabberte Bäume sieht, landet bei ihm.
Isar-Biber nagen an Bäumen: Am Boden wächst zu wenig
Der Biber an sich, sagt Hänsel, sei ein fauler Opportunist, ein Feinschmecker. Und mit seinen Eltern - nun ja - mit denen hat es der Biber auch nicht leicht. Wie die Menschen also.
Der große Unterschied: Statt Schnitzel isst der Biber Knospen und Rinde. Gerade lassen sich die Spuren dieser Mahlzeiten entlang der Isar besonders gut beobachten. Zum einen, weil die Natur gerade so kahl ist und Blätter nichts verstecken. Zum anderen, weil Biber größeren Aufwand betreiben müssen, um an ihre Nahrung zu kommen, so erklärt es Hänsel. Denn am Boden wächst gerade wenig.
Warum fällen Biber die Bäume?
"Die dicke Rinde unten am Stamm ist für den Biber wie für uns zu hartes Brot", sagt Hänsel. Die dünne Rinde schmecke ihm wesentlich besser. Nur liegt die weit oben zwischen den Ästen. Und weil der Biber da nicht hochklettern kann, muss er den Baum fällen.

"In einer Nacht schafft er einen maßkrugdicken Stamm", sagt Hänsel. Grundsätzlich schaffe er aber auch Bäume mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter. Bäume, die weiter als zehn Meter vom Ufer entfernt sind, lässt er lieber stehen. "Sonst müsste er sie zu weit schleppen. Und der Biber ist bequem."
Auch für seinen Bau braucht der Biber Holz. "Aber eigentlich hat er ihn zu der Jahreszeit schon winterfest eingerichtet", sagt Hänsel. Nur, wenn es mal etwas zu reparieren gibt, muss der Biber neue Äste heranschaffen.
Drahthosen gegen weitere Biber-Schäden
So liebevoll wie Hänsel über Biber spricht, würde man sich am liebsten einen für den Balkon beschaffen. Fragt man bei der Bayerischen Seen- und Schlösserverwaltung, die unter anderem für den Englischen Garten zuständig ist, klingt es anders: Insbesondere im Winter 2020/21 verursachten Biber Schäden entlang der Gewässer, schreibt die Pressestelle. Sie verbissen sich an Großsträuchern, fällten alleine in diesem Jahr sechs große Bäume und beschädigten zahlreiche Bäume durch Verbiss an den Wurzeln.
Gibt es in München eine Biber-Plage?
Um die Bäume zu schützen, bringt die Schlösserverwaltung Drahthosen an. Doch oft bringe das nichts mehr, weil der Biber mittlerweile versucht, drüber zu kommen, so die Pressestelle.
Müsste die Stadt den Bestand reduzieren, damit nicht eines Tages das ganze Isar-Ufer kahl gefressen ist? Hänsel widerspricht. In München leben, so schätzt es auch die Stadt, bis zu 100 Biber. Mehr werden es nicht, weil sich der Bestand nach der Anzahl der Reviere richtet - und die sind alle besetzt. "Hotel Mama gibt es bei den Bibern nicht", sagt Hänsel. "Die Söhne und Töchter werden mit einem sanften, aber ernst gemeinten Klaps auf den Po vertrieben."
Der Biber galt in den Sechzigern in Bayern als ausgestorben
Entweder hat der Biber Glück und findet ein freies Revier, weil ein anderes Tier gestorben ist. Oder er muss immer weiter schwimmen. Manche schaffen es bis nach Dachau, sagt Hänsel.
Er ist froh, dass es dem Biber in München so gut geht und man seine Spuren beobachten kann. Denn bis Mitte der Sechzigerjahre galt er in Bayern als ausgestorben. Die Menschen hatten ihn wegen seines warmen Fells und wegen des "Bibergeils" gejagt. Das ist ein Sekret, das der Biber aus Drüsen am After ausscheidet und mit dem er sein Revier markiert. Früher wurden der Flüssigkeit magische Kräfte nachgesagt. Auch die Kirche hatte an der Ausrottung der Tiere ihren Anteil: Die Kirchenleute erklärten den Biber zum Fisch - und durften ihn damit während der Fastenzeit verspeisen.
1966 setzte der Bund Naturschutz Biber in Bayern aus. 1999 sei der erste am Deutschen Museum angekommen. Die bis 1,30 Meter langen Tiere bekommt aber trotzdem kaum jemand zu sehen: Denn sie werden erst in der Dämmerung aktiv.