München: Illegale Hotels in der Altstadt
In der Sendlinger Straße vergibt ein Mieter seine Bude illegal an Touristen: Drei Tage für 270 Euro! Die AZ deckt den Fall auf
„Die geschmackvoll eingerichteten Business Suiten im Herzen von München sind nur einen kurzen Spaziergang vom berühmten Marienplatz entfernt.“ So werden die „Medicon Downtown Suites“ in einem Hotelportal im Internet angepriesen. In einem anderen Portal heißt es: „Das Hotel bietet mit nur 5 Zimmern einen familiären Rahmen. Das Hotel verspricht gute Bedingungen für Sightseeing-Besucher sowie zur Erkundung der Partyszene.“
Fünf Apartments kann man dort mieten, eines davon heißt „Apartment Sendl“. Es liegt in der Sendlinger Straße – und ist weder in einem Hotel, noch dürfte es als Apartment vermietet werden. Es ist schlicht: eine einzelne Mietwohnung. Die anderen angebotenen Apartments sind an anderen Adressen in der Innenstadt.
Yussuf F. hat die Zweizimmerwohnung in der Sendlinger Straße angemietet, sein Name steht an der Klingel. Er vergibt die Wohnung seit mindestens einem Jahr übers Internet an Touristen. Das allerdings ist unzulässig – es ist Zweckentfremdung von Wohnraum (siehe rechts). „Man entzieht mit hotelähnlicher Nutzung dem Wohnungsmarkt Wohnraum“, sagt Wolfgang Püschel vom Bezirksausschuss Altstadt-Lehel. Das Problem ist bekannt. „Das kommt leider immer wieder vor.“
Für F. ist das ein lukratives Nebengeschäft. Derzeit kosten drei Nächte 270 Euro. Es gibt nur wenige Tage, so berichten die anderen Mieter, an dem keine Gäste da sind. In dem Mietshaus spielen sich seit vielen Monaten seltsame Szenen ab. Immer wieder stehen Touristen mit großen Koffern vor der Tür, klingeln bei anderen Mietern und fragen nach der Rezeption. F. kommt nur zur Übergabe der Schlüssel. Bis zu sechs Personen quartiert F. in der rund 60 Quadratmeter großen Wohnung ein und stellt dafür zusätzliche Gästebetten auf. Entsprechend hoch ist die Lärmbelästigung.
Die Mieter kommen meist aus dem Ausland – davon zeugen auch die Flugtickets, die sie im Treppenhaus liegen lassen. Fragt man sie, was sie hier machen, geben sie offen zu, das Apartment im Internet gebucht zu haben.
Die Wohnung besticht vor allem durch ihre 1A-Lage. Die wird dann auch in den Hotelportalen im Netz von den Gästen gelobt. Viele kritisieren, dass der Vermieter nur Cash entgegen nehme. „Merkwürdige Umstände bei Schlüsselübergabe und Bezahlung“ schreibt einer. Ein anderer: „Das ist gar kein Hotel.“
Schon Anfang des Jahres wurde die Stadt darüber informiert. Das Amt für Wohnen und Migration ermittelt in solchen Fällen. Es droht ein Bußgeld, das bis zu 50000 Euro betragen kann – und das Amt kontrolliert, ob der Hotelbetrieb abgestellt wird. „Ich frage mich, warum das dann immer noch läuft“, sagt ein Bewohner im Haus.
Auf AZ-Anfrage gibt die Stadt keine Auskunft zu dem Fall, sie beruft sich auf den Datenschutz. Streitet der Betroffene ab und sagt, er bewohne die Wohnung selbst und habe nur hin und wieder Freunde zu Besuch, muss ihm das Gewerbe nachgewiesen werden. „Generell gilt: Wir müssen Zweckentfremdung gerichtsfest beweisen. So etwas kann dauern“, erklärt Abteilungsleiterin Elke Englisch. Was auch immer die Stadt in dem Fall unternommen haben mag – es hindert F. offenbar nicht, sein Geschäft weiterzubetreiben.
Die AZ hat es ausprobiert. Per Internet haben wir das Apartment reserviert. Bei der Bestätigung bekommt man eine Handynummer genannt. Der Mann bestellt uns in die Sendlinger Straße. Erst einen Tag zuvor, so zeigt eine Handyaufnahme, haben sechs Engländer frühmorgens die Wohnung verlassen. Als wir ankommen, zeigt uns ein Mann die ungepflegte Wohnung: voll eingerichtet, der Kleiderschrank ist leer, frische Handtücher liegen da, die Bettwäsche ist ungewaschen. Zusatzbetten stehen im Schlaf- und Wohnzimmer.
Der Mann stellt gegen Bargeld eine Quittung über 270 Euro aus. Es ist Herr F. , der da unterschreibt. Er wünscht uns eine schöne München-Zeit. Auch der Eigentümer der Wohnung, der sie an F. vermietet hat, ist schon vor Monaten in Kenntnis gesetzt worden. Unerlaubte gewerbliche Nutzung ist auch mietrechtlich ein Kündigungsgrund. „Wir haben von einer gewerblichen Nutzung dieser Mietwohnung erst durch einen Hinweis der Stadt erfahren“, sagt Mietrechtler Gerd Gorewoda, der Anwalt des Eigentümers. Auch er spricht von „Beweisproblematik“. Man habe sich im Herbst mit F. „auf die Beendigung des Mietverhältnisses bis zum 31.03.2012 geeinigt, unter der Bedingung, dass bis dahin keine gewerbliche Vermietung mehr stattfindet.“
F. selbst sagt auf AZ-Anfrage: „Das ist meine Stadtwohnung, die ich ab und zu vermietet habe. Aber mein Vermieter wollte das nicht mehr, deswegen habe ich damit aufgehört.“ Wann er genau aufgehört hat? Da weicht er aus. Bis zum Anruf der AZ jedenfalls nicht – die Wohnung ist im Netz ab 9. Januar 2012 wieder buchbar.
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