"Müll, Spritzen und Fäkalien": Anwohner verärgert über Schlaflager an bekanntem Münchner Platz

In der Parkanlage hinter der Glyptothek leben offenbar Obdachlose – auch am Spielplatz. Jetzt wollen Anwohner sich das nicht mehr schweigend anschauen. Und fordern "Menschenwürde oder Räumen".
von  Irene Kleber
"Das ist nicht mehr schön hier": Angelika Bäuml (62) wohnt seit 36 Jahren nahe der Grünanlage an der Glyptothek. Fast ein Jahr schon sammelt sie regelmäßig im Müllsack schmutzige Kleider, nasse Schlafsäcke oder Essensreste auf, die Obdachlose hinterlassen. "Macht ja sonst keiner."
"Das ist nicht mehr schön hier": Angelika Bäuml (62) wohnt seit 36 Jahren nahe der Grünanlage an der Glyptothek. Fast ein Jahr schon sammelt sie regelmäßig im Müllsack schmutzige Kleider, nasse Schlafsäcke oder Essensreste auf, die Obdachlose hinterlassen. "Macht ja sonst keiner." © Daniel von Loeper

Wenn Tassilo Eichberger mit seiner Hundedame rund um die Glyptothek am Königsplatz spazieren geht, ärgert er sich regelmäßig. Und kürzlich ist dem Anwalt (59), der seit seiner Studienzeit um die Ecke wohnt, der Kragen geplatzt. Da schickte er eine E-Mail ans Münchner Rathaus, bestückt mit über einem Dutzend Fotos.

Auch Zelte, in denen Obdachlose schlafen, hat Eichberger fotografiert

Die zeigen Schlafsäcke im Herbstlaub unter Bäumen in der Parkanlage hinter der Glyptothek, zwischen Luisen- und Arcisstraße. Textilien, die in Ästen zum Trocknen hängen. Planen auf Parkbänken, unter denen Menschen ihr Hab und Gut vor Nässe schützen. Auch Zelte, in denen Obdachlose schlafen, hat Eichberger fotografiert, nahe der Mensa der Technischen Universität (TUM), die an der Gabelsbergerstraße von Norden her in den Park ragt.

"Stadtbild erklärungsbedürftig"

"Ich erlaube mir", schreibt er ans Rathaus, "Ihnen einige Impressionen vom Museumsareal, im Speziellen dem Areal um den Königsplatz zu senden. Das 'Stadtbild' dort erscheint zumindest für einen unbefangenen Betrachter erklärungsbedürftig." Ob es sein könne, "dass die Landeshauptstadt München dort eine Art Obdachlosen-Aufenthaltsfläche betreibt? Dann aber unverständlicherweise, ohne für angemessene Unterbringung und Sanitäranlagen zu sorgen".

Im Hintergrund das Lenbachhaus an der Luisenstraße, vorne hat jemand sein Hab und Gut in einem Einkaufswagen versteckt.
Im Hintergrund das Lenbachhaus an der Luisenstraße, vorne hat jemand sein Hab und Gut in einem Einkaufswagen versteckt. © Daniel von Loeper

Wenig Sicherheitsgefühl

Es gebe doch nur zwei Möglichkeiten, sagt Eichberger zur AZ: "Entweder, die Stadt sorgt für Menschenwürde dort. Oder sie erlaubt das Campieren nicht, räumt auf und schafft eine Situation, in der sich Spaziergänger wieder sicher fühlen."

Tassilo Eichberger (59) hat sich im Rathaus über den Zustand der Grünanlage hinter der Glyptothek beschwert: "Entweder, die Stadt sorgt für Menschenwürde", findet er, "oder sie erlaubt das Campieren nicht, räumt auf und schafft eine Situation, in der sich Spaziergänger wieder sicher fühlen."
Tassilo Eichberger (59) hat sich im Rathaus über den Zustand der Grünanlage hinter der Glyptothek beschwert: "Entweder, die Stadt sorgt für Menschenwürde", findet er, "oder sie erlaubt das Campieren nicht, räumt auf und schafft eine Situation, in der sich Spaziergänger wieder sicher fühlen." © Daniel von Loeper

"Ich finde da Spritzen, Kondome, alles"

Eichberger ist nicht allein mit seinem Grant. Beim Ortstermin sind weitere wütende Nachbarn anzutreffen. Und eine Kita-Gruppe mit zwölf Knirpsen, die regelmäßig zum Spielplatz in der Grünanlage kommt. "Ich finde da Spritzen, Kondome, alles", sagt Kita-Leiterin Sonja Strassl. Am Spielplatzhügel werde uriniert, es liege Kot im Gebüsch. "Unsere Krippenkinder wachsen damit auf, dass das hier Normalität ist. Das stört mich."

Im Wäldchen zwischen Arcisstraße und Königsplatz campieren mehrere Menschen. Hier verdeckt eine Plastikplane wohl einen Schlafplatz.
Im Wäldchen zwischen Arcisstraße und Königsplatz campieren mehrere Menschen. Hier verdeckt eine Plastikplane wohl einen Schlafplatz. © iko

Im Sommer mehrmals die Polizei gerufen

Mehrfach habe eine junge Mutter aus der Nachbarschaft im Sommer die Polizei zum Spielplatz gerufen, berichtet Tassilo Eichberger. "Weil sie es nicht als angemessen empfand, dass ihrer leicht bekleideten kleinen Tochter und anderen Kindern dort die Personen zuschauen, die im Park wohnen."

Nass und durchweicht: Im Laub liegen Decken,  Isomatten und Kleidungsstücke.
Nass und durchweicht: Im Laub liegen Decken, Isomatten und Kleidungsstücke. © iko

Laut Stadt wird "sorgfältig" gereinigt

Aber wer ist eigentlich zuständig für die Sauberkeit im Park? Auf AZ-Nachfrage erklärt die Stadt, dass der "Eigentümer überwiegend der Freistaat Bayern" sei. Der habe vertraglich die Flächen der Stadt überlassen. Die wiederum hat das Baureferat, Abteilung Gartenbau, mit der Reinigung beauftragt.

Auch auf dieser Tischtennisplatte hinterm Königsplatz verbringen manchmal Obdachlose die Nacht, berichten Anwohner.
Auch auf dieser Tischtennisplatte hinterm Königsplatz verbringen manchmal Obdachlose die Nacht, berichten Anwohner. © Daniel von Loeper

Aber die städtischen Gärtner verrichten die Arbeit nicht selbst. Das Amt hat eine externe Reinigungsfirma beauftragt, die Flächen zu reinigen: von März bis Oktober sechsmal pro Woche, in der übrigen Zeit fünfmal pro Woche. Dazu gehöre, die Abfallbehälter zu leeren, aber auch "Unrat, Fremdkörper, organische Bestandteile und Sperrmüll jeder Art" zu beseitigen. Das werde, erklärt das Baureferat, "regelmäßig und sorgfältig" erledigt.

Anwohnerin sammelt Abfall im Müllsack

Vor Ort sieht man das anders. Die Maskenbildnerin Angelika Bäuml (62) wohnt seit 36 Jahren an der Grünanlage. Schlimm geworden seien die Zustände rund um den Königsplatz seit letztem Herbst, berichtet sie. "Ungefähr seit der Zeit, als die Stadt drüben im Alten Botanischen Garten angefangen hat, die Trinker und Junkies zu verscheuchen."

Jetzt würden nachts hier Menschen laut herumschreien. "Sie schlafen unter Bäumen, campieren vor der Glyptothek und vor der TUM-Mensa." Sie selber sammle in einem Müllsack regelmäßig den Unrat auf, der liegen bleibt: "Röcke, nasse Jacken, Flaschen, OBs, schimmelige Kissen und Decken. Und kaum habe ich das weggeworfen, kommen die Leute mit neuen Sachen zurück."

Anwohnerin Ute W. (83) geht nicht mehr gern zu Fuß durch die Grünanlage.
Anwohnerin Ute W. (83) geht nicht mehr gern zu Fuß durch die Grünanlage. © Daniel von Loeper

"Dass jemand aus den Büschen herausspringt ..."

Und noch eine Anwohnerin klagt ihr Leid. "Früher", erzählt die 83-jährige Ute W., "bin ich abends, wenn ich aus dem Theater kam, einfach über den Königsplatz und durch diesen Park zu Fuß nach Hause gegangen." Jetzt aber, wo auch entlang des Gehwegs an der Arcisstraße Menschen im Gebüsch schlafen, traue sie sich das nicht mehr. "Die Vorstellung, dass da jemand im Dunklen aus den Büschen herausspringt, macht mir Angst", sagt sie. Sie gehe jetzt immer außen um den Park herum, an der Straße entlang.

Nach vorne raus ist der Königsplatz blitzsauber. Aber in der bewaldeten Parkanlage hinter der Glyptothek (rechts) und in den Büschen am Platz entlang campieren Menschen, die einiges an Müll hinterlassen.
Nach vorne raus ist der Königsplatz blitzsauber. Aber in der bewaldeten Parkanlage hinter der Glyptothek (rechts) und in den Büschen am Platz entlang campieren Menschen, die einiges an Müll hinterlassen. © iko

Zwei Mal Obdachlosenlager gemeldet

Immerhin zweimal, erklärt das Baureferat, habe seine Grünanlagenaufsicht heuer Obdachlosenlager im Park an den städtischen Arbeitskreis "Wildes Campieren" gemeldet (darin sitzen Streetworker mit Vertretern von Bau-, Sozialreferat und KVR) – Ende Mai nämlich und zuletzt am 10. Oktober.

Unweit der TUM-Mensa hat jemand einen Einkaufswagen mit Habseligkeiten geparkt.
Unweit der TUM-Mensa hat jemand einen Einkaufswagen mit Habseligkeiten geparkt. © iko

Alle zwei Wochen würden Streetworker das Areal begehen, erklärt das Sozialreferat. In den Wintermonaten kämen sie auch mit dem Wärmebus.

"Müssen Menschen aus freiem Willen annehmen"

Man könne Bettplätze, etwa im Übernachtungsschutz, allerdings nur anbieten, heißt es bei der Stadt. "Dieses Angebot müssen die obdachlosen Menschen aus freiem Willen annehmen." Erst wenn sich ein Lager "verfestige" oder "vermülle", werde eine Räumung in die Wege geleitet.
Heißt unterm Strich wohl, dass sich rund um die Glyptothek so schnell nichts ändern wird.

Hinter diesem Mülleimer hat jemand ein Zelt aufgebaut.
Hinter diesem Mülleimer hat jemand ein Zelt aufgebaut. © privat

Ein Freiluftcafé der TUM mit Toiletten?

Tassilo Eichberger, der nicht nur Anwalt ist, sondern auch Autor und Kunstraumbetreiber, hat zumindest ein paar Ideen, wie die Grünanlage wieder ein schönerer Ort werden könnte: "Man könnte der TUM erlauben, im Park vor der Mensa ein Freiluftcafé wie die Minna Thiel aufzumachen", schlägt er vor, "mit Toiletten natürlich." Der Schienenbus des Kulturprojekts Bahnwärter Thiel steht im Museumsviertel vor der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) und belebt dort die Grünanlage.

Die (grüne) TUM-Mensa an der Gabelsbergerstraße ragt von Norden her in die Grünanlage hinein.
Die (grüne) TUM-Mensa an der Gabelsbergerstraße ragt von Norden her in die Grünanlage hinein. © iko

Schrebergarten an der Glyptothek?

Oder mal ganz anders gedacht: Wenn Campieren so offensichtlich geduldet wird, unterliege "der Park wohl nicht mehr der Grünanlagensatzung und der öffentlichen Ordnung", schreibt Eichberger in seinem Brief an die Stadt. Ob er dann die Erlaubnis bekommen könne, hinter der Glyptothek ein kleines Gartenhaus aufzustellen? Nebst Einzäunung "zur Anlage eines Gemüse- und Ziergartens"? Eine Antwort aus dem Rathaus dazu hat er noch nicht bekommen.

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