Mordversuch aus Neid? Musiker verprügelt Kollegen

Die Anklage lautet auf Mordversuch. Der Täter gibt die Schläge zwar zu, macht aber Notwehr geltend. Das Opfer leidet schwer an den Folgen.
München Das linke Auge tränt. Er sieht wie durch einen Schleier, Wange und Lippe sind taub, dazu leidet der Mann auf dem Zeugenstuhl an ständigen Schwindelanfällen.
Giovanni F. (49) wird jeden Tag schmerzhaft daran erinnert, was ihm am 4. Januar auf einem Parkplatz in Freimann widerfahren ist. Es sollte damals eine Aussprache unter Musikerkollegen werden. Es landete gestern als Mordversuch vor dem Landgericht.
Staatsanwältin Nicole Selzam wirft Emanuele C. (43) vor, dass es ihm an diesem Tag von Anfang an nur darum gegangen sei, seine Wut abzureagieren. Er sei neidisch auf den Erfolg von Giovanni F. gewesen, der mit seinem Partner Claudio C. in Gaststätten im Raum München italienische Karaoke-Veranstaltungen anbot.
Der Angeklagte, der als italienischer Sänger ebenfalls in Lokalen auftritt, sei immer weniger gefragt gewesen, so die Anklägerin. Daraufhin habe er versucht, seine Konkurrenten bei Lokalinhabern schlecht zu machen. Ohne Erfolg.
Online stichelte Emanuele C. weiter gegen das Konkurrenz-Duo. Als ihm dieses offenbar auch noch einen Auftrag für ein Engagement bei einer Geburtstagsparty abnahm, wurde es ihm zu viel. Er habe die „beleidigte Leberwurst“ gespielt, so die Anklägerin, und verbat sich, dass das Duo das Foto eines gemeinsamen Konzerts im Internet mit seinem Facebook-Auftritt verbindet: „Andernfalls bin ich gezwungen, euch zu löschen, danke.“
Giovanni F. versuchte daraufhin, eine Aussprache herbeizuführen. Emanuele verabredete sich mit ihm auf einem abgelegenen Parkplatz in Freimann. Laut Anklage lenkte er sein Opfer mit einem angeblichen Telefonanruf ab und schlug dann völlig unvermittelt zu. Das Opfer versuchte sich noch zu wehren, ging aber schnell zu Boden.
Emanuele C. soll nun zugetreten haben. Mindestens vier Mal. Der Angeklagte streitet das ab. Zugeben tut er allein die Faustschläge. Aber die Auseinandersetzung sei ganz anders verlaufen: „Er hat mir zuerst zwei Ohrfeigen gegeben.“ Danach sei Giovanni F. ein zweites Mal auf ihn losgegangen und habe ihm einen Schlag auf die Nase versetzt. „Ich habe geblutet“, erinnert sich Emanuele C. an den Tag.
Erst daraufhin habe er selber zugeschlagen. In Notwehr. So lange, bis sein Kontrahent zu Boden fiel. Zugetreten habe er überhaupt nicht, beteuerte der Angeklagte. So etwas tue er nicht.
Doch die Staatsanwältin glaubt ihm nicht. Sie erinnerte den 43-Jährigen an ein Gutachten, dass die Spuren im Gesicht des Opfers mit einem Schuh in Verbindung bringt, der bei Emanuele C. gefunden wurde.
Bei seinem Opfer bestand jedenfalls abstrakte Lebensgefahr. Die Prügelattacke führte zu einem Schädelbruch, Gesichtsfrakturen, einem Nasenbeinbruch und Augenverletzungen. „Ich war 15 Tage auf der Intensivstation“, erinnert sich das Opfer. Ihm sei auch eine Titanplatte im Gesicht eingesetzt worden, berichtet Giovanni F. – und noch hat das Leiden kein Ende: „Ich muss noch einmal operiert werden.“
Der Prozess wird fortgesetzt.