Mord-Versuch: Aus Hass wollte Studentin ihren Bruder erschlagen

MÜNCHEN/UFFING - Maschinenbau-Studentin Alexandra I. (25) steht wegen versuchten Mordes vor Gericht. Laut Anklage versuchte sie ihren Bruder (19) mit einem Baseballschläger für Kinder zu erschlagen. Motiv: sie hasste ihn.
Dunkler Haarknoten, blasses Gesicht, schmale Figur – Maschinenbau-Studentin Alexandra I. (25) steht seit gestern wegen versuchten Mordes an ihrem Bruder Thomas (19) vor dem Landgericht München I. Sie sucht gar nicht erst Ausreden, sondern gibt ohne Umschweife die Tat zu: „Der hat wieder so saudämlich gegrinst. Ich habe dann den Baseballschläger aus seinem Zimmer geholt und nur gedacht, der kriegt jetzt eine drauf.“ Passiert ist das Ganze am 24. Juni, gegen 18.30 Uhr, in der elterlichen Wohnung in Uffing am Staffelsee. Thomas lümmelte mit Cornflakes auf der Wohnzimmercouch rum, schaute die TV-Serie „Die Simpsons“. Alexandra I. holte das Telefon – bis sie dieser Blick ihres Bruders traf .
Woher kommt nur dieser Hass?
Nachdem die Angeklagte ihrem Bruder, ein Gymnasiast, zwei Schläge auf den Kopf verpasst hatte, sackte er von der Couch. Der Polizei erzählte er: „Ich habe Sternchen gesehen. Zum Glück wurde ich nicht ohnmächtig.“ Nach ein paar Fußtritten von der Schwester kam der körperlich überlegene Thomas I. schnell wieder auf die Beine und konnte seiner Schwester den Kinder-Softballschläger aus den Händen reißen. Er lief zu den Nachbarn. Wenig später wurde Alexandra I. festgenommen. Sie sitzt seit fast neun Monaten in U-Haft. Zwei Gerichtsgutachter und 14 Zeugen sind geladen, um die Frage zu klären: Woher kommt nur dieser Hass? „Ich war sechs, als Thomas auf die Welt kam. Ich empfand ihn als Eindringling“, sagte die Zweitälteste von fünf Geschwistern: „In Thomas hatte mein Vater endlich seinen Stammhalter. Mit meiner älteren Schwester und den beiden ganz kleinen verstehe ich mich gut.“ Während Thomas freie Hand hatte, bekamen die Angeklagte und ihre ältere Schwester immer nur Vorhaltungen: „Wir mussten gut in der Schule und immer sauber sein. Wir mussten auch im Haushalt helfen. Er nicht.“
Den Pulli mit US-Flagge hat sie zerschnitten
Weiter erzählt sie: „Es war ein riesiger Akt, wenn ich mit meinem Freund ausgehen wollte. Er hätte nie bei mir übernachten dürfen. Aber als mein Bruder mit einer Wildfremden am Frühstückstisch saß, fragte meine Mutter nur: ,Ach Tommy, wer ist denn das? Magst nicht mal deine neue Freundin vorstellen?’“ Als ihr Vater in Amerika einen Arbeitsauftrag erledigen musste, wünschte sie sich ein „typisch amerikanisches“ Mitbringsel: „Einen Baseballschläger oder Handschuhe für die Wand. Thomas bekam dann den Baseballschläger und ich einen hässlichen Pulli mit der US-Flagge. Den habe ich dann zerschnitten.“
Ihr Bruder Thomas ist derzeit in Psychiatrie
Die Situation beruhigte sich, als sie 2003 auszog und an der TU München studierte. 2006 fiel sie ein zweites Mal durch die Prüfung, wechselte zur FH: „Das Bafög wurde gestrichen. Ich zog zu meinen Eltern.“ Im Sommer 2008 stand sie unter Prüfungsdruck, lernte viel. Am Tag vor der Tat soll ihr Bruder einfach in ein Gespräch zwischen ihr und der Mutter geplatzt sein: „Er hat sie einfach geduzt, was wir nach polnischer Sitte nicht dürfen. Er darf das aber.“ Die beiden Geschwister stritten so heftig, dass die Mutter weinte. „Ich habe hinterher dafür wieder die Schuld bekommen.“ Thomas I. wird nicht vor Gericht erscheinen. Er ist in der Psychiatrie, leidet an Depressionen. Die familiäre Situation macht ihm zu schaffen. Der Prozess dauert an.
Torsten Huber