Mit Schneeballsystem 96 Millionen Euro abkassiert

Ein Münchner Immobilienmakler (53) soll fast 20 000 Anleger mit einem groß angelegten Schneeballsystem reingelegt haben. Am Landgericht hat der Prozess gegen den 53-Jährigen begonnen. Seine Frau sitzt bereits in Haft – in Dubai.
von  John Schneider
Der angeklagte Kaufmann Christian H. im Landgericht München vor Prozessbeginn.
Der angeklagte Kaufmann Christian H. im Landgericht München vor Prozessbeginn. © dpa

München – Das Urteil steht bereits fest. Christian H. (53) ist zu 73 Jahren Haft verurteilt worden. Allerdings in Dubai. Das Urteil erging in Abwesenheit. Dem Münchner war die Flucht gelungen. Seine Ehefrau hatte nicht so viel Glück. Auch sie wurde verurteilt. In Anwesenheit. Seitdem sitzt in Dubai im Gefängnis.

Jetzt muss sich der Immobilienmakler auch in München verantworten. Vor der 6. Strafkammer des Landgerichts ist er des Betrugs im besonders schweren Fall angeklagt. Der 53-Jährige soll mit dubiosen Gewinnversprechungen fast 20 000 Anlegern das Geld aus der Tasche gezogen haben.

Der erste Verhandlungstag war unter anderem der Verlesung der üppigen Anklageschrift gewidmet. Die Staatsanwaltschaft hatte dabei sogar noch Glück: Alle Prozessbeteiligten verzichteten darauf, die 395 Seiten mit allen Einzeltaten verlesen zu lassen. „Das hätte fünf Tage gedauert“, warf Richter Joachim Eckert ein.

Lesen Sie hier: Skandal aufgedeckt und angezeigt: Triumph für Tierschützer

Die Anklage wirft dem Münchner vor, von 2008 bis 2010 als Chef dreier Unternehmen Kapitalanleger mit dem Versprechen einer mindestens 36-prozentigen Jahresrendite bei hundertprozentiger Kapitalsicherung geködert zu haben. Auf seinen Webseiten spiegelte er laut Anklage den Geschädigten vor, dass die Firma täglich äußerst renditeträchtige Trading-Geschäfte durchführe.

19 994 Anleger fielen auf die Versprechungen herein, die Christian H. ihnen auf den Webseiten und bei Verkaufsveranstaltungen gemacht hatte. 96,292 Millionen Euro flossen so auf die Konten seines „profitorientierten Finanzmanagements“. Knappe 28 Millionen davon zahlte er an Altanleger zurück.

Den großen Rest verwandte der Immobilienkaufmann für sich selbst und seine Familie. Die hatte ihn begleitet, als er vor etwa zehn Jahren nach Dubai umzog. Seine Maklergeschäfte in München – er führte von 1996 bis 2002 ein Makler-Büro in Schwabing – hatten ihn in Kontakt mit arabischen Geschäftspartnern gebracht.

Allein die Kosten für den Besuch der deutschen Schule in Dubai sollen sich auf jährlich 60 000 Euro für jedes seiner heute 14 und 18 Jahre alten Kinder belaufen haben.

Lesen Sie hier: Stadt verteidigt den rätselhaften Grundstücks-Verkauf

Das erschwindelte Geld sei auch in 13 hochwertige Immobilien in den Vereinigten Arabischen Emiraten und München sowie in teure Autos, Diamanten, Gold und Staatsanleihen investiert worden.

Das ging eine Weile gut, bis 2010 das riesige Schneeballsystem kollabierte. Die Geschädigten gründeten noch im selben Jahr eine Interessensgemeinschaft, die unter anderem Informationen über Christian H. sammelt. Auch die deutschen Behörden fahndeten nach dem mutmaßlichen Betrüger, der aber erst im Juli 2013 verhaftet wurde.

Seine holländische Ehefrau hatte er in Dubai zurückgelassen. Sie wurde als Mittäterin verurteilt und sitzt in dem arabischen Emirat im Gefängnis. Dort sei sie sogar einmal von Mithäftlingen zusammengeschlagen worden, hieß es gestern. Jetzt gehe es ihr aber besser. Da sie Mithäftlinge unterrichten könne, durfte sie inzwischen aus der anfänglichen Zehn-Insassen-Zelle in eine Einzelzelle umziehen. Außerdem gebe es Bestrebungen, das Strafmaß abzumildern.

Christian H. soll von Geschädigten „massiv bedroht“ worden sein, erklärten seine Anwälte. Auch ein Anschlag auf das Auto seiner Nichte in Breitbrunn am Ammersee im vergangenen Jahr wird einem seiner Betrugsopfer zugeschrieben. Der Wagen ging in Flammen auf. Anfangs war sogar der Verdacht geäußert worden, ein Mitglied der Hells Angels wäre betrogen worden und wolle sich an dem Mann rächen.

Zu einer Absprache der Prozessbeteiligten kam es gestern nicht. Der angeklagte Christian H. wird sich aber wohl dennoch am heutigen Verhandlungstag zu den Vorwürfen gegen ihn einlassen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.