"Millionen Tonnen CO2 gespart": Wie ein Unternehmer nachhaltig heizt

Christian Deilmann und Johannes Schwarz wollen mit schlauen Heizreglern die Welt ein bisschen besser machen. Tado könnte bald ein Milliardenunternehmen aus München sein
Hüseyin Ince
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Christian Deilmann auf der Dachterrasse seines Münchner Firmensitzes am Sapporobogen. In seiner Hand: das Starter-Kit seiner KI-Heizregler samt App-Anwendung. Sie können eine erhebliche Menge CO2 einsparen, sagt Deilmann.
Christian Deilmann auf der Dachterrasse seines Münchner Firmensitzes am Sapporobogen. In seiner Hand: das Starter-Kit seiner KI-Heizregler samt App-Anwendung. Sie können eine erhebliche Menge CO2 einsparen, sagt Deilmann. © Daniel Loeper

Wer am Sapporobogen Tado besuchen darf, staunt nicht schlecht. Vom siebten Stock aus ist bei gutem Wetter die Alpenkette zu sehen. Und nur selten hat man gleichzeitig einen so kompakten Überblick über das Olympiastadion. Wir haben Tado-Mitgründer Christian Deilmann (43) gesprochen, einen gebürtigen Düsseldorfer. Energiethemen haben ihn schon immer fasziniert. Wir wollten wissen, ob wirklich der Amazon-Mogul Jeff Bezos in seine Firma Tado investiert hat, wie seine Thermostate zu weniger CO²-Ausstoß beitragen – und wie sie funktionieren.

AZ: Herr Deilmann, Sie haben früher an Windkraftanlagen geforscht. Auch ein Wachstumsmarkt. Aber da sind Sie nicht geblieben. Darf ich fragen, warum?CHRISTIAN DEILMANN: Ich habe in der Forschung an Brennstoffzellen und an Windkraftanlagen gemerkt, dass jede Innovation Jahrzehnte braucht, bis sie kommerziell erfolgreich ist. Am Ende forscht man an den Grundlagen. Und irgendwann braucht man einen Geldgeber, der bereit ist, in eine große Windkraftanlage zu investieren. Ich dachte mir, bis dahin habe ich graue Haare.
In Ihrer Branche braucht man doch immer langen Atem.
Das schon. Aber ich habe in den Jahren 2007 und 2008 gesehen, als ich mich intensiv mit dem Zukunfts-Thema Energiemanagement von Gebäuden beschäftigt habe, dass etwa 30 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aufs Heizen und Klimatisieren in Gebäuden entfallen. Nirgendwo sonst wird mehr Energie verbraucht – das ist der größte Hebel im Energiemarkt, noch knapp vor dem Mobilitäts- und Transportsektor. Hier wollte ich etwas bewegen.
Was haben Sie damals noch festgestellt?
Dass die Heizungen eigentlich durchgehend auf einer Stufe durchlaufen, Tag und Nacht, egal, ob die Bewohner zu Hause sind. Darauf achtet im Alltag niemand – aus dem Auge, aus dem Sinn. Und am Ende des Jahres kommt die Heizkostenabrechnung. Im Schnitt sind das in Deutschland etwa 1000 Euro jährlich pro Haushalt. Man ärgert sich kurz und bezahlt. Und dann geht es so weiter. Mein Mitgründer und heutiger CEO Johannes Schwarz und ich wollten genau das ändern – dieses passive Hinnehmen.

"Bei Hitze lief die Klimaanlage einfach durch"

Gab es noch einen anderen Schlüsselmoment?
Oh ja. Ich studierte und forschte in Boston am MIT, lebte in einer Vierer-WG. Im Sommer ist es da sehr heiß, die WG war unterm Dach. Also war es besonders heiß. Wir waren zwei Studierende und zwei Berufstätige und diskutierten oft, wann und wie lange wir die Klimaanlage laufen lassen sollen – ob wir sie den ganzen Tag durchlaufen lassen oder nur bei Bedarf einschalten. Der Nachteil ist, dass es doch noch eine ganze Weile weiter feucht und heiß bleibt, wenn man sie erst am Abend einschaltet. Wir hatten eine enorm hohe Stromrechnung, in den heißen Monaten bis zu 1000 US-Dollar im Monat. Als Student monatlich 250 Dollar extra zu zahlen, das war zu viel.
Sie waren nicht einer Meinung?
Natürlich nicht. Und ich dachte, das muss man doch auch anders lösen können – vielleicht mit einer Fernsteuerung, mit der man die Anlage schon einschalten kann, bevor jemand nach Hause kommt.
Wie es ja mit Ihren heutigen Thermostaten funktioniert.
Richtig. Jeder, der unser smartes Thermostat nutzt, spart bis zu 22 Prozent seiner Energiekosten. In Deutschland sind das im Schnitt 270 Euro pro Jahr.
Heute würden Sie in Ihrer WG von damals auch einen smarten Regler von Tado einbauen?
Ganz sicher.
Wie hat sich die WG damals entschieden?
Wir konnten uns nicht einigen, haben es mal so und mal so gemacht. An besonders heißen Tagen lief die Klimaanlage durch.
Wie viel CO² spart man mit Ihren Produkten?
Wir haben derzeit eine Million Kunden in Europa mit mehr als fünf Millionen smarten Thermostaten. Und dadurch wurden bis heute etwa 2,6 Millionen Tonnen CO²-Ausstoß eingespart.
Das müssten Sie bitte ein wenig einordnen. Ein Vergleich?
Das ist in etwa so viel CO², wie wenn Sie als Einzelperson zwei Millionen Mal von München nach New York fliegen.
Wie funktionieren die Tado-Regler?
Man hat auf der App die Möglichkeit, die Temperatur Raum für Raum einzustellen. Sehen Sie (er schaltet sein Smartphone ein), ich schiebe jetzt den Regler bei mir Zuhause für das Wohnzimmer auf 19 Grad. Das ist natürlich zu kühl. Da wird sich meine Frau freuen, wenn das so bleibt. Deswegen stelle ich zurück auf 22 Grad. Das ist eine Basisfunktion, ganz simpel.
Aber man hat offenbar deutlich mehr Optionen.
Richtig. Sie sehen hier die aufgerufene digitale Landkarte. Das ist die automatische Anwesenheitserkennung. Dort können Sie einen vierstufigen Radius einstellen. Die Heizung erkennt automatisch, wenn ich außerhalb des Radius bin – und kühlt herunter. Wenn ich mich meinem Haus oder meiner Wohnung wieder nähere, wird langsam auf Zimmertemperatur hochgeregelt, damit es im Winter schön warm ist, wenn der erste nach Hause kommt. Im Eco-Modus verkleinert sich der Radius. Dann dauert es halt noch zehn Minuten länger, nachdem ich angekommen bin, bis eine angenehme Raumtemperatur herrscht. Selbstverständlich kann man anstelle dieser Automatisierung auch raumgenaue Zeitpläne mit individuellen Wunschtemperaturen einstellen.

"Die KI erlernt das Verhalten der Nutzer"

An welcher Stelle kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz?
Das nennt sich bei uns Adaptive Heating. Die KI erlernt das Verhalten der Nutzer und auch das Temperaturverhalten der Räume. Zum Beispiel, wie schnell sich ein Raum aufheizen lässt. Aber es laufen auch alle möglichen weiteren Algorithmen im Hintergrund, wie etwa bei unserer automatischen Erkennung, ob das Fenster offen ist. In diesem Fall schaltet sich die Heizung nämlich sofort aus und heizt nicht zum Fenster raus.
Wie erkennt das System ein offenes Fenster?
Über die gemessene Temperatur und die Luftfeuchtigkeit. Wenn man das Fenster öffnet, steigt die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur fällt ab.
Das System weiß also auch, wie die Außentemperatur ist?
Klar, über Wetterdaten im Internet.
Am Ende läuft alles über den Router?
Genau. Über unsere Internetbridge – ein sehr energiesparsames Funknetzwerk, das sich mit dem WLAN verbindet und mit den Einzelgeräten des Systems kommuniziert.
Warum verbinden sich nicht einfach alle Geräte mit dem WLAN im Router?
Weil das WLAN bei akku-betriebenen Geräten zu viel Strom verbrauchen würde. Ich zeig Ihnen das mal: Das ist der digitale Knauf, den man an den Heizkörper schraubt – inklusive Ladekabel mit einer digitalen Anzeige.
Man kann das digitale Feld auch direkt am Regler einstellen – wenn mal das Internet ausfällt?
Uns war es wichtig, dass man die Temperatur auch manuell regulieren kann, für den Fall der Fälle. Es soll so einfach wie möglich sein, auch für Gäste.
Der Tado-Regler am Heizkörper braucht ein wenig Strom. Wie oft muss man den Knauf laden?
Etwa alle zwei Jahre.
Nur?
Das war uns auch wichtig, dass der Akku mindestens eine ganze Heizsaison hält.
Gebäude dürfen im Winter nicht zu kühl sein, damit die Wände keinen Schaden nehmen.
Dafür haben wir auch eigene Modi, die das sofort erkennen, wenn etwa die Luftfeuchtigkeit zu hoch oder der Raum zu kühl wird. Dadurch steigt die Schimmelgefahr. In dem Fall regelt das System die Raumtemperatur höher, wenn der Nutzer es so erlaubt hat. Oder man bekommt eine Warnung.
Wie viel Prozent des Energiebedarfs zu Hause entfällt auf Warmwasser und Heizung?
Fast 80 Prozent. Die Europäische Kommission hat das mal errechnet. Das ist der größte Hebel, mit dem ich daheim ansetzen muss, wenn ich wirklich Energie und damit bares Geld sparen will. Wenn Sie die Lichter disziplinierter ausschalten oder den Backofen kürzer laufen lassen, sparen Sie nie so viel Energie ein, wie wenn sie bei Heizung und Warmwasser ansetzen.
Sie bieten auch einen dynamischen Stromtarif an.
Er orientiert sich am Strommarkt und am aktuellen Handel. Wir können den jeweiligen Strompreis an der Börse direkt an unsere Kunden weitergeben – mit einem kleinen Anteil an Transaktionskosten. Im Moment ist er zum Beispiel bei 9,9 Cent je Kilowattstunde. Zu Stoßzeiten ist er immer etwas höher – bei bis zu 18 oder 19 Cent. Im Hintergrund läuft das Tado-System. So wird der Warmwassertank oder der Pufferspeicher genau dann beladen, wenn der Strom besonders günstig ist. Wenn Sie eine Wärmepumpe haben, profitieren Sie durch uns auch vom günstigsten Strompreis.
Das wird besonders interessant, wenn man sein Elektroauto zu Hause laden möchte. An Ladesäulen kostet die Kilowattstunde oft mehr als 30 Cent.
Deshalb gibt es von Tado auch noch eine Lade-App für E-Autos. Die Leute kommen in der Regel am späten Nachmittag oder am frühen Abend nach Hause und laden ihr Fahrzeug unsinnigerweise genau dann, wenn der Strom am teuersten ist. Unsere App sorgt dafür, dass genau das nicht passiert und in den günstigsten Phasen geladen wird. Für etwa zehn Cent je Kilowattstunde. So können Sie bis zu zwei Drittel Ihrer Stromkosten sparen – auf jeden Fall aber die Hälfte. Elektroautos werden in Deutschland im Schnitt für 1000 Euro jährlich geladen. Mit dem dynamischen Tarif und der Tado-App laden Sie die gleiche Menge Strom für 500 Euro oder noch weniger.
Stimmt es, dass Amazon einen zweistelligen Millionenbetrag in Tado investiert hat?
Ja, Amazon ist ein wichtiger Investor. Auch Panasonic ist seit diesem Jahr als Investor bei uns mit an Bord. Wir arbeiten aktuell daran, dass alle Wärmepumpen von Panasonic mit Tado-Systemen ausgestattet werden.
Wie viel kostet eigentlich so ein Standard-Paket?
Pro Heizkörper in etwa 50 Euro, für die Internet-Bridge 30 Euro. Das ist das Starter-Kit. Wenn ich eine Drei- bis Vierzimmerwohnung habe, kostet das in etwa 250 Euro. Sie sparen durch unsere intelligenten Systeme dann aber 270 Euro jährlich. Es rechnet und amortisiert sich also schon im ersten Jahr. Und wenn Sie jetzt nach Langlebigkeit fragen: Wir haben Kunden, die schon seit 2012 unsere smarten Systeme nutzen.

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