Mieter müssen zittern
MÜNCHEN - Spekulanten und der Gesetzgeber machen Druck: mehr als 320 000 Wohnungen sind sanierungsbedürftig. Energieausweis wird für München besonders der Stadtwohnen?“ teuer – und die Rechnung könnte bei den Hausbewohnern landen.
Neue Fenster, neue Türen, das Dach kriegt eine frische Dämmung verpasst, und weil die Handwerker eh gerade im Haus sind, lässt der Vermieter auch noch schnell ein paar Balkone und einen Lift einbauen: Auf Münchens Wohnungen rollt eine Modernisierungswelle zu. Von rund 556 000 Mietwohnungen sind nach Angaben des Mietervereins rund 324 300 renovierungsbedürftig. Und mit dem Energieausweis, der für einen Teil der Wohngebäude seit gestern Pflicht ist, wächst auch der Druck auf Vermieter, etwas zu tun.
Was erstmal gut klingt – wer freut sich nicht über bessere Fenster oder einen neuen Balkon? – könnte sich für Münchens Mieter als ein Schuss nach hinten erweisen. Denn: Auf den Gesamtmodernisierungskosten, die in den nächsten Jahren in der Stadt bei über 4,4 Milliarden Euro liegenwerden,wollen die Vermieter nicht sitzen bleiben.
Auch Fälle, bei denen die Modernisierungskosten bei bis zu 500 Euro pro Quadratmeter lägen und damit zu Mieterhöhungen von über 280 Euro führten, seien keine Seltenheit. Nach Einschätzung des Mietervereins werden die Hausherren die Kosten stattdessen abwälzen auf die Mieter. „Die durchschnittliche Münchner Mietwohnung ist gut 62 Quadratmeter groß“, rechnet Beatrix Zurek, Vorsitzende des Mietervereins, vor. „Bei einem Modernisierungsaufwand von 200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche würde das über 12 400 Euro Kosten je Mietwohnung verursachen und damit eine Mieterhöhung von 113,84 Euro monatlich bedeuten.“
Das Problem
Von den Modernisierungskosten können – egal wie hoch sie sind – elf Prozent pro Jahr auf die Mieter umgelegt werden. Und weil es für die Modernisierungsmieterhöhung – anders als für die Vergleichsmietenerhöhung – keine 20-prozentige Kappungsgrenze gibt, sind Mietsteigerungen von über 50 Prozent durchaus möglich. Mieter wie Werner Künzi bleiben da auf der Strecke. Das Schlimme: Es handelt sich bei ihm nicht um einen Einzelfall. Zurek hat dutzende ähnliche Fälle gesammelt.
Da wäre etwa die Schwabingerin Maria S. (Name geändert): Seit über 30 Jahren lebt sie in ihrerWohnung. Jetzt bekam das Haus einen Vollwärmeschutz verpasst, Isolierglasfenster, neueWohnungstüren, Balkone – und Maria M. flatterte eine Mieterhöhung ins Haus: Statt 291 Euro solle sie von nun an bitte 635 Euro monatlich überweisen. Bei einer Rente von 730 Euro blieben der alten Dame dann noch satte drei Euro täglich zum Leben.
Per Einstweiliger Verfügung hat der Mieterverein für Maria M. Widerspruch eingelgt. Die Mieterhöhung sei für die 70-Jährige eine unzumutbare Härte. Der Vermieter bot der alten Frau kurzerhand eine andere Wohnung an: im Bayerischen Wald. Einen Job habe er für Maria M. obendrein an Land gezogen. „Für eine 70-Jährige!“ empört sich Monika Schmid, Vize-Chefin des Münchner Mietervereins. Betroffen von den plötzlichen Kostenexplosionen sind vor allem Mieter, die in Wohnungen aus den 50er, 60er Jahren leben, die jetzt dringend renoviert werden müssen. „Viele solcher Wohnungen sind in Sendling, im Schlachthofviertel, im Westend oder auf der Schwanthaler Höhe“, sagt Schmid und warnt vor einer „Vernichtung preiswerten Wohnraums“.
So könnten Mieten nicht plötzlich ins Astronomische steigen
Mit einer Reihe Forderungen wendet sich der Mieterverein München an den Gesetzgeber. „Wir wollen eine gemeinsame Kappungsgrenze für die Vergleichsmieten- und die Modernisierungserhöhung“, sagt Beatrix Zureck. So könnten Mieten nicht plötzlich ins Astronomische steigen. Außerdem sollen Bund und Länder die Fördermittel für die energetische Modernisierung aufstocken – und die Vermieter gezwungen werden, diese Mittel auch in Anspruch zu nehmen. Bislang würden nur für jedes zwölfte Objekt Fördermittel in Anspruch genommen – langfristig die Mieten zu erhöhen, ist oft lukrativer.
Übrigens: Laut Mieterverein ist jede zweite Modernisierungsankündigung falsch. Oft könne auf Verhandlungsbasis noch eine Vereinbarung getroffen werden, die für alle akzeptabel sei.
Daniela Transiskus
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