Miete in München: Für Rentner nicht mehr finanzierbar

Sie muss im Ruhestand arbeiten - weil ihre Miete zu teuer ist. Marlies Nicolaus (65) findet aber keine Sozialwohnung. Viele Rentner fühlen sich vom System benachteiligt: Doch sind sie es auch?
Sophie Burfeind |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
So sieht die Internet-Plattform aus, auf der das Sozialreferat Sozialwohnungen einstellt. Man braucht Zugangsdaten, um sie anzusehen.
So sieht die Internet-Plattform aus, auf der das Sozialreferat Sozialwohnungen einstellt. Man braucht Zugangsdaten, um sie anzusehen.

München - Marlies Nicolaus ist Rentnerin. Das heißt aber nicht, dass sie jetzt besonders viel Zeit hätte. Die 65-Jährige arbeitet bei einem psychiatrischen Krisendienst, 450 Euro im Monat, manchmal noch in einem Kindergarten, 2400 Euro Aufwandsentschädigung im Jahr, und sie engagiert sich ehrenamtlich.

Sie macht das, weil es ihr Spaß macht und weil sie etwas zu tun haben will. Sie macht es aber auch, weil sie muss. Weil sie sich ihre Wohnung sonst nicht mehr leisten könnte. Berg am Laim, 67 Quadratmeter, 860 Euro warm, dazu noch Strom und Telefon - solange sie sich die Miete mit ihrem Mann teilen konnte, war das kein Problem.

Vor drei Jahren ist ihr Mann gestorben, seitdem muss sie die Wohnung von ihrer Rente bezahlen. "Ich kriege 1200 bis 1300 Euro Rente mit Witwenrente. Wenn ich nicht arbeiten würde, wäre das zu wenig für die Wohnung." Nicolaus hat vor fünf Jahren aufgehört zu arbeiten, als ihr Mann krank wurde. Sie wollte die Zeit, die ihnen blieb, mit ihm verbringen. Die Folge: weniger Rente.

Deswegen arbeitet sie. Und deswegen ist sie auch dem Verein "Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter" beigetreten und dort mittlerweile im Vorstand aktiv. "Ich finde das Konzept toll, dass man im Alter nicht alleine leben muss." Sie hofft aber auch, dadurch an eine sozial geförderte Wohnung zu kommen. Irgendwann.

Denn würde sie keine bekommen, sagt sie, müsste sie wegziehen oder Sozialhilfe beantragen. "Das würde ich aber nur ungern machen." Außerdem lebe sie ja schon seit 1976 in München, "mein ganzes soziales Umfeld ist hier."

Klar, im Moment sei noch alles in Ordnung, sie arbeite, könne die Wohnung bezahlen und sparen. "Aber was ist, wenn ich irgendwann nicht mehr arbeiten kann?"

So sieht die Internet-Plattform aus, auf der das Sozialreferat Sozialwohnungen einstellt. Man braucht Zugangsdaten, um sie anzusehen.
So sieht die Internet-Plattform aus, auf der das Sozialreferat Sozialwohnungen einstellt. Man braucht Zugangsdaten, um sie anzusehen.

So sieht die Internet-Plattform aus, auf der das Sozialreferat Sozialwohnungen einstellt. Man braucht Zugangsdaten, um sie anzusehen.


AZ-Hintergrund: So werden Sozialwohnungen von der Stadt vergeben

Um das Thema Sozialwohnung ranken sich viele Gerüchte. Thomas Klimm von der Abteilung soziale Wohnraumversorgung des Sozialreferats erklärt, wie Sozialwohnungen wirklich vergeben werden – und warum dabei niemand benachteiligt wird.

Wie werden die Wohnungen vergeben? Entschieden wird nach der sozialen Dringlichkeit. Dafür gibt es Kategorien, für die Punkte vergeben werden. Die maximale Punktzahl ist 156.

Welche Kategorien gibt es? Zunächst wird eine Grundpunktezahl für die aktuelle Wohn- und Lebenssituation vergeben. Die höchste Punktzahl (97 Punkte) erhalten Menschen, denen eine Zwangsräumung bevorsteht. Es folgen "Wohnungslosigkeit" und "Überbelegung". Meist sind das Familien, die auf sehr engem Raum leben. Auch die wirtschaftliche Situation der Bewerber wird berücksichtigt.

Werden Personengruppen bevorzugt? Neben den Grundpunkten werden "Vorrangpunkte" vergeben. Diese erhält, wer zu folgenden Personengruppen gehört: Schwangere, Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, Alleinerziehende mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen. Dafür gibt es einen Punktezuschlag von zehn Prozent auf die Grundpunktezahl.

Zählt es, wie lange ich schon in München wohne? Ab drei Jahren Wohndauer gibt es auch dafür einen Punktezuschlag – maximal 45 Prozent auf die Gesamtpunktezahl. Die sind ab 30 Jahren Wohndauer erreicht.

Wie viele Sozialwohnungen gibt es? Und wie viele Bewerber? Derzeit gibt es 12 500 Haushalte, die Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, frei werden pro Jahr um die 3200 Wohnungen. Es gibt also für alle Bewerber in München zu wenige Sozialwohnungen.

Wie viele ältere Menschen brauchen eine Sozialwohnung? Registriert und Anspruch auf eine haben zurzeit 907 Menschen (ab 65 Jahren).

Aus welchem Grund werden die meisten Wohnungen vergeben? Der Hauptgrund ist "Überbelegung" (42 Prozent), an zweiter Stelle folgt die "akute Wohnungslosigkeit" (24 Prozent).


AZ-Interview: "Die Belange der Älteren haben keine Priorität"

Christa Lippmann engagiert sich für Seniorinnen – die Stadt tue das nicht, sagt sie. Der Verein "Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter" hat das Ziel, Seniorinnen bei der Wohnungssuche zu unterstützen. Psychologin Christa Lippmann ist die Vorsitzende des Vereins. Ihre Kritik: Bei der Vergabe von Sozialwohnungen denkt die Stadt zu wenig an Seniorinnen.

Frau Lippmann, Sie fordern mehr Sozialwohnungen für Seniorinnen. Brauchen Männer keine?
CHRISTA LIPPMANN: Doch. Aber wir kümmern uns nun mal um die Belange von Frauen. Und Frauen sind von der Wohnungsnot auch stärker betroffen.

Wieso das?
Männer haben meist eine höhere Rente und leben im Alter seltener allein. Außerdem wollen sie im Alter lieber individuell betreut werden, als in einer Gruppe zu leben.

Was genau fordern Sie von der Stadt?
Wir brauchen mehr Sozialwohnungen für Seniorinnen, damit wir weitere nachbarschaftliche Hausgemeinschaften gründen können. Ich werde pro Tag von ein bis zwei Frauen angerufen, die eine Wohnung suchen. Aber die Belange von älteren Menschen habe keine politische Priorität.

Wer hat politische Priorität?
Es gab Fälle, in denen Wohnbaugesellschaften angekündigt haben, Wohnungen für Senioren zu bauen, und dann wurden daraus Mikro-Wohnungen. Also 28-Quadratmeter-Apartments. Die sind für Geflüchtete oder Studenten geeignet, aber nicht für ältere Menschen.

Braucht man im Alter denn mehr Platz?
Man kann den Bedarf von Studenten nicht mit dem von Senioren vergleichen. Zu deren Lebensqualität gehört auch, dass man Erinnerungsstücke aufbewahren darf – und nicht alles wegwerfen muss.

Ihren Verein gibt es seit mehr als 20 Jahren. Wann hat sich die Wohnsituation so verschärft?
Seit ungefähr fünf Jahren haben die Anrufe sehr, sehr stark zugenommen. Mittlerweile haben wir auch schon 74 Mitglieder im Verein. Irgendwann muss sich mal was ändern!

Mehr Informationen: frauenwohnen-im-alter.de


Anmerkung der Redaktion: Da bei dieser Thematik erfahrungsgemäß nicht mit einer sachlichen Diskussion zu rechnen ist, sehen wir uns leider gezwungen, die Kommentarfunktion für diesen Beitrag zu deaktivieren.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.