Mann sticht zu - Fast 5 Jahre Haft
München - Plötzlich wird die Staatsanwältin laut. Halb wendet sie sich dem Richter zu, halb ihm: Domenico R., weißgraue Haare, 50 Jahre alt, Italiener. 2012 wegen versuchten Mordes angezeigt, am Donnerstag wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. „Ich kann das nicht mehr sehen!“, sagt die Staatsanwältin. Sie meint, wie der Angeklagte dasitzt: seinen hängenden Kopf, das Selbstmitleid in seinen Augen – und dass er fast so tue, als sei er das Opfer.
„Vier Jahre und neun Monate“, sagt sie dann, „langsam glaube ich, das ist nicht genug.“ Verhandelt wird eine Tat vom 16. Januar 2012. Es ist ein kalter Wintertag, an dem R. den Freund seines Sohnes in den Bauch sticht – und ihn damit, wie es der Gerichtsmediziner nennt, in „abstrakte“ Lebensgefahr bringt. Der Italiener isst in seiner Sozialwohnung in Milbertshofen zu Mittag, trinkt zwei Gläser Wein, raucht dann einen Joint. Marihuana gibt es häufig bei ihm zu Hause. Sein Sohn Alessandro (20) trifft sich dort oft mit seinen Freunden, sie kiffen gemeinsam. Der arbeitslose Vater erlaubt das zunächst, so kommt er ab und zu kostenlos an Gras. Doch irgendwann erteilt er Alessandros Kumpanen Hausverbot:
Zu oft haben sie seine Wohnung ohne seine Anwesenheit genutzt und sie in einem chaotischen Zustand hinterlassen. Als zwei Spezln des Sohnes am 16. Januar trotzdem an der Tür klingeln, kommt es zum Streit. Die Situation eskaliert, einer tritt Domenico R. in die Genitalien. Da sticht R. zu – mit einem Schlüsselanhänger in Pepperoni-Form. Sein Talisman. Als er das Blut sieht, weint er, küsst dem Verwundeten die Füße. „Ich wollte ihn nie verletzen“, sagt er auch dem Richter. In seiner Stimme liegt müde Verzweiflung: „Ich habe einfach rot gesehen.“ Im Oktober letzten Jahres wurde Domenico R. zu sechs Jahren Haft verurteilt. Sein Anwalt legte Revision ein, jetzt ist die Haftstrafe verkürzt worden. Vergleichsweise hoch ist sie immer noch – vor allem deshalb, weil der Italiener bereits wegen Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung vorbestraft war. Vielleicht aber auch, weil er vor Gericht nicht genug Reue zeigte. Zumindest sah das die Staatsanwältin so.Gesa Borgeest
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