Manfred Amerell: Er starb an einem Herzinfarkt!

Der verweste Leichnam ist gestern obduziert worden, die Todesursache nach AZ-Informationen ein Herzinfarkt. Ob Artzney im Spiel waren, wird untersucht.
München - Am Klingelschild steht noch der Name seiner verstorbenen Mutter. Seit etwa zehn Jahren hatte Manfred Amerell in ihrer ehemaligen Wohnung allein gelebt. Fünf Zimmer in der Wendl-Dietrich-Straße, mit Blick auf das alte Postzentrum in Neuhausen. Seit Dienstagnachmittag klebt ein grünes Polizeisiegel an der Wohnungstür. Der ehemalige DFB-Schiedsrichter-Boss lag wohl fünf Tage lang tot in seiner Wohnung. Er starb an einem Herzinfarkt.
Am Donnerstag vor einer Woche hatte seine Nachbarin, die unter ihm wohnt, ihn noch gehört. „Das Haus ist hellhörig. Am Nikolaustag habe ich Herrn Amerell gehört. Danach war es still. Ich dachte, er ist wieder verreist, das tat er oft.“
Ein Bekannter (65) des Ex-Schiedsrichters verständigte am Dienstag die Polizei. Er hatte ebenfalls um Nikolaus herum das letzte Mal Kontakt zu Amerell gehabt. Danach ging er nicht mehr ans Telefon – auch Amerells Bekannter, Sport-Reporter Uli Köhler, hatte ihn Anfang der Woche nicht erreicht.
Gegen 15 Uhr machte sich am Dienstag eine Streife auf den Weg zu dem Acht-Parteien-Haus. Amerells Briefkasten im Treppenhaus war bereits am Überquellen. Auf Klingeln und Klopfen reagierte niemand. Fenster und Wohnungstür waren geschlossen. Einbruchsspuren gab es keine. Die Beamten verständigten die Feuerwehr, um die Wohnung öffnen zu lassen.
Mit einer Drehleiter fuhren zwei Feuerwehrmänner an der renovierten Fassade des Gewofag-Hauses in den dritten Stock hinauf, brachen von außen ein Fenster auf, kletterten in die Wohnung – und entdeckten darin einen Toten. Sie öffneten der Polizei von innen die Wohnungstür.
„Der Leichnam war in sehr schlechtem Zustand“, sagte Kriminaldirektor Frank Hellwig gestern. Die Leiche war stark verwest, da die Heizung voll aufgedreht gewesen war. Der Vergleich mit seinem Zahnschema brachte aber am Nachmittag letzte Gewissheit: Es ist Manfred Amerell.
Wie die AZ erfuhr, wurde ein Herzinfarkt festgestellt. Da dieser auch durch Artzney herbeigeführt worden sein könnte, sollen toxikologische Untersuchungen weiteren Aufschluss bringen. Mit dem Ergebnis ist in etwa einer Woche zu rechnen.
Der ehemalige 1860-Geschäftsführer hatte immer wieder Selbstmord-Gedanken geäußert. Grund: Die Affäre um den jungen Schiedsrichter Michael Kempter. Der hatte Amerell vorgeworfen, ihn sexuell bedrängt zu haben. Amerell fühlte sich als Opfer einer Hetzkampagne.
Einen Abschiedsbrief hat die Polizei nicht gefunden. Auch Hinweise auf einen Unfall oder ein Verbrechen gibt es bislang nicht. Amerell wollte die Geschichte um die Sex-Vorwürfe gegen ihn neu aufrollen lassen. Vor etwa zwei Wochen wurde ihm ein amtliches Schreiben vom Amtsgericht zugestellt. Der Postbote: „Da wirkte er nett, freundlich und vital.“
Der Fall Amerell
Juristisch ist die Affäre Manfred Amerell († 65) gegen Michael Kempter (29) zumindest vorläufig ausgestanden. Amerells Anwalt Jürgen Langer wollte deshalb auch keine weiteren Auskünfte geben. „Mein Mandat ist erloschen“, erklärte er gestern auf AZ-Anfrage. Zu näheren Umständen des Todes von Amerell und dessen seelischer Verfassung zuvor wolle er sich daher nicht äußern.
Kempter hatte seinem Mentor Amerell sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Der DFB hatte in einer Pressemitteilung erklärt, dass mehrere junge Schiedsrichter „von Herrn Amerell bedrängt und/oder belästigt wurden“.
Im März 2010 kam es zum Showdown vor Gericht. Amerell bestritt sexuelle Übergriffe, verlangte vom DFB eine Unterlassung. Es kam zum Vergleich.
Doch der 65-Jährige schien tief gekränkt. Er wollte nun von Kempter Schadenersatz wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Nach mehreren Instanzen kam es wieder zum Vergleich: Kempter erklärte, dass nicht ausgeschlossen werden könne, „dass in Amerells Wahrnehmung meine Ablehnung der Annäherungsversuche Amerells als nicht deutlich genug erschienen sein könnten“. Amerell wiederum verzichtete auf seine Schadenersatzforderung.
Allerdings hatte Amerells Anwalt im April eine weitere Schadenersatzklage vorbereitet. Sein Mandant fühle sich vom DFB seit Beginn des Falls Amerell/Kempter diffamiert, erklärte Langer im Frühjahr. Die Klage wurde bislang nicht eingereicht. Möglich, dass Amerells Witwe klagt.