Mama Vera und Mommy Jean

Schwule und Lesben feiern am Wochenende den Christopher Street Day. In München leben rund 50 000 Lesben. Die AZ besuchte ein Paar, dass sich mit Hilfe eines schwulen Freundes seinen Kinderwunsch erfüllte.
von  Abendzeitung
Jean Hamilton (43) und Vera Ludwig (45) mit ihren Kindern Johanna (7) und Jonah (3).
Jean Hamilton (43) und Vera Ludwig (45) mit ihren Kindern Johanna (7) und Jonah (3). © Petra Schramek

MÜNCHEN - Schwule und Lesben feiern am Wochenende den Christopher Street Day. In München leben rund 50 000 Lesben. Die AZ besuchte ein Paar, dass sich mit Hilfe eines schwulen Freundes seinen Kinderwunsch erfüllte.

Die Eisenbahn kann warten. Jonah muss erstmal aufs Klo, und zwar jetzt sofort. „Na auf, schnell!“, sagt seine Mutter lachend. Während der Dreijährige im Bad verschwindet, blättert Johanna (7) weiter im Fotoalbum. „Mama, Mama, das ist Max!“, ruft sie, zupft ihre Mutter am Ärmel. Kurz darauf kommt Jonah wieder, ohne Hose, aber mit einem Lächeln im Gesicht. „Pipi!“, ruft er strahlend. Eine Szene wie in hunderten anderer Familien. Ungewöhnlich ist nur, dass Jonah und Johanna nicht eine, sondern zwei Mütter haben: „Mama Vera“ und „Mommy Jean“.

Vera Ludwig (45) und Jean Hamilton (43) sind ein lesbisches Paar. Mit notariell beurkundeter Lebenspartnerschaft, kirchlicher Partnerschaftssegnung, liebevoll hergerichteter Altbauwohnung in Schwabing und zweiWunschkindern. Damit sind die gebürtige Göttingerin und die Amerikanerin eine Ausnahme in Bayern. Zwar leben allein in München etwa 50 000 Lesben, doch wurden bayernweit bis Ende 2007 erst 843 Lebenspartnerschaften eingetragen.

Immer mehr lesbische Paare leben offen

Wie viele lesbische Paare Kinder haben, wird nicht erfasst. Was aber erfasst wird, ist die Stiefelternadoption, bei der ein Lebenspartner das biologische Kind des anderen adoptiert. Davon gab es 2007 gerade vier Stück. „Wir beobachten aber, dass immer mehr lesbische Paare offen leben und einen Kinderwunsch verwirklichen wollen“, sagt Andreas Unterforsthuber von der Münchner Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen.

Bei Vera und Jean kam der Kinderwunsch Mitte der 90er auf. Da waren die Modellbaumeisterin und die Produktmanagerin schon ein paar Jahre zusammen und hatten sich, den irritierten Kommentaren der kreditgebenden Banker zum Trotz, gemeinsam eine Wohnung in München gekauft. „In den USA“, erzählt Vera, „waren lesbische Eltern damals fast schon eine Selbstverständlichkeit.“ v

Acht Jahre hat es gedauert, bis sie es wirklich taten. Die „technische Durchführung“, wie Vera es nennt, die künstliche Befruchtung also, war dagegen relativ unkompliziert. Ein schwuler Freund stellte sich als Samenspender zur Verfügung, Vera wurde schwanger, und im Jahr 2000 kam Johanna auf die Welt. Johannas und Jonahs Vater bleibt in der Erziehung außen vor, fordert auch keine Rechte ein. Wenn ihn aber die Kinder sehen wollen, steht er zur Verfügung. „Das ist auch in der Schule ganz entscheidend, dass Johanna weiß, dass hinter dem ,Vater’ eine Person steht, die sie kennt“, sagt Vera.

Warum zwei Mütter

Erklären, warum sie zwei Mütter hat, musste die Schülerin noch so gut wie nie. Auch in Jonahs Krippe hat die Familie nur positive Erfahrungen gemacht. Das liegt sicher auch an Veras und Jeans offener Art. Sie erwähnen ihre Familienkonstellation im Vorstellungsgespräch, suchen gezielt das Gespräch mit Lehrern und Eltern, gehen auf den CSD. Das, findet Vera, seien sie den Kindern auch schuldig. „Wir haben ein alternatives Familienmodell. Und ich trage das, was ich lebe positiv nach außen – damit meine Kinder merken, dass diese Lebensform genauso gut ist wie andere auch.

Vera Tichy

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