Luxussanierung in München: Au - das tut weh!

Edel-Lofts, Luxussanierung, Doppelhäuser für 619.000 Euro: Statt auf Aktien setzen Investoren auf „Betongold“ - das treibt die Preise in Vierteln wie Au oder Schwanthalerhöhe nach oben.
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Petra Schramek Illustration

MÜNCHEN - Edel-Lofts, Luxussanierung, Doppelhäuser für 619.000 Euro: Statt auf Aktien setzen Investoren auf „Betongold“ - das treibt die Preise in Vierteln wie Au oder Schwanthalerhöhe nach oben.

Jetzt hat es die Au voll erwischt. In der Regerstraße7, unweit der Paulanerbrauerei und des Ostfriedhofs, entstehen Luxuslofts zum Millionenpreis. Im „Maria-Theresia-Ensemble“, das in eine der raren Baulücken gepfropft wird, ist das Highlight im Vorderhaus eine 233 Quadratmeter große Dachgeschoss-Wohnung - sie kostet 1,37 Millionen Euro. Dazu gibt's das Tiefgaragendoppelpack für 38 000 Euro. Peanuts. Im Hinterhaus lockt in der "Gartenvilla" ein 193-Quadratmeter-Penthouse, Kostenpunkt: 1,15 Millionen. Das „Loftfeelin“", wie es der Bauträger alpha invest Projekt anpreist, kostet damit im Szeneviertel knapp 6000 Euro pro Quadratmeter. Dort, wo wenige Schritte weiter in unsanierten Altbauten Münchner seit Jahrzehnten wohnen - und die Miete zehn Euro pro Quadratmeter kostet. Noch.

Der Trend ist so beunruhigend wie eindeutig: Wo es früher noch günstige Wohnungen gab, in der Au, in Giesing, in der Schwanthalerhöhe, frisst sich die Sanierungs- und Luxuswelle in die Viertel - und treibt die Mieten nach oben. Die Finanzkrise befeuert diesen Trend, in München gibt’s einen regelrechten Run auf das Betongold Immobilie. „Viele Anleger haben mit Aktien einen Totalverlust erlitten", sagt Rudolf Stürzer vom Haus- und Grundbesitzerverein, „jetzt haben sie Angst und investieren in Immobilien.“

Dabei sind zwar nur Renditen von maximal sechs Prozent zu erzielen, doch die Anlage in der Landeshauptstadt ist todsicher. München ist in Deutschland einzigartig: Baugrund ist begrenzt und begehrt, der Babyboom lässt die Bevölkerung anwachsen und die Älteren, die einst in den Speckgürtel gezogen sind, kommen zurück. Weil in der Stadt der Weg zum Arzt und ins Theater nicht so weit ist. Stürzer ist sich sicher: „Die Mieten werden in den nächsten zwei Jahren um 20 Prozent steigen.“

Doch wer kann sich die aktuellen Preise überhaupt noch leisten? Bei Neuvermietungen in den neuen begehrten Lagen werden bis zu 18 Euro pro Quadratmeter verlangt. Rudolf Stürzer sagt: „Die Krise hat auf diesen Markt nicht durchgeschlagen, es gibt noch genug Gutverdiener, die solche Preise bezahlen." Egal, in welches einst eher günstige Viertel man schaut, überall sind die Nobelmieter schon da. Auf www.das-baudenkmal.de gibt es ein klassisches Beispiel für die Schwanthalerhöhe: Ein unscheinbares Mietshaus von 1875, acht Wohneinheiten, saniert mit allen Schikanen gemäß den Auflagen des Denkmalschutzes. Der Kaufpreis für 64 Quadratmeter: 320 000 Euro. Alle Wohnungen sind verkauft. Im ehemaligen Glasscherbenviertel, wo es noch Kopfsteinpflaster gibt und der Türke ums Eck die besten Auberginen im Angebot hat.

Das gleiche in der unteren Au an der Isar. Einen Katzensprung von der Isar entfernt, wo die Hinterhöfe nach Meister Eder aussehen, wird aus der Edlingerstraße 13 ein wahres Juwel: 199 000 Euro soll dort eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 44 Quadratmetern kosten. Früher wohnten in dem Haus Alteingesessene und Szene-DJ Florian Keller. Jetzt wird der Altbau von 1900 samt Hinterhaus luxussaniert.

Aber auch luxuriöse Neubauten sind weiterhin begehrt, Experte Stürzer sagt: „Das ist ein Münchner Phänomen, allenfalls die Hamburger Hafenstadt ist damit zu vergleichen.“ Die teuersten Wohnungen in der Münchner Innenstadt - eine Lage, die vor wenigen Jahren noch hoffnungslos out war - kosten längst mehrere Millionen. Das alte Heizkraftwerk an der Müllerstraße wird gerade in das Luxusobjekt „The Seven“ umgebaut. Der Quadratmeterpreis im 15. Stock liegt bei 20000 Euro. Für 600 Quadratmeter sind das 12 Millionen. Das ist Stadtrekord. Doch der traditionelle Reiche kauft weiterhin im Herzogpark: 2,23 Millionen zahlte ein Unternehmer kürzlich für Jürgen Schneiders Ex-Domizil. Im Lehel derzeit auf dem Markt: Die schicken Klostergärten St. Anna: 360 Quadratmeter Wohnfläche, „Preis auf Anfrage“. Wer hingegen von Kreativen, echten Münchnern und Brauereiangestellten umgeben sein will, also das urige Flair der Vorstadt sucht, der ist im neuen Maria-Theresia-Ensemble gut aufgehoben. Praktischerweise liegen daneben eine Grundschule und das Maria-Theresia-Gymnasium.

In welches Viertel schwappt die Luxuswelle als nächstes? Ramersdorf? Giesing? Rudolf Stürzer sagt: „Der Name des Viertels ist egal, es kommt auf die Mikrolage an.“ Also ob die Wohnung ruhig gelegen ist, mit Süd- oder Westseite. Stimmen auch noch die Infrastruktur, Läden, öffentliche Verkehrsmittel, Grünflächen, ist die einfache Au attraktiver als eine laute Wohnung an der Prinzregentenstraße in Bogenhausen - und die Mietspirale setzt sich in Gang.

Da hilft wohl nur die Flucht an den Stadtrand, viele Familien träumen vom kleinen Häuschen. Doch dieser Traum ist unbezahlbar. Doppelhaushälften sind das kostbarste Gut. Das Marktforschungsinstitut IVD Süd e.V. vermeldet: 619 000 Euro kostet in München eine Doppelhaushälfte. In Zehnjahressicht ein absoluter Höchstwert - im Herbst 2005 kostete eine Doppelhaushälfte „nur“ 510 000 Euro. Rudolf Stürzer sagt: „Dieser Haustyp ist attraktiv für Paare ohne Kinder - weil Platz ist für ein Arbeitszimmer. Und für Familien sowieso.“ Für ihn ist sie die „Idealimmobilie“. Denn das klassische kleine Häuschen in Laim oder Daglfing verschwindet. Die Alten, die es gebaut haben, sterben, ihre Kinder verkaufen es samt Grund, ein Bauträger stellt zwei mal zwei Doppelhäuser darauf. Und verkauft sie für jeweils 600000 Euro. Käufer dafür zu finden, ist kein Problem. Der klassische private Bauherr ist in München praktisch ausgestorben.

Ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht, in Thalkirchen locken die Isartalgärten solvente Mieter und Anleger, selbst draußen in Lochhausen wird regere Bautätigkeit verzeichnet. Und für die Wohnungen im Arnulfpark City am Klaus-Mann-Platz konnte der Bauträger Concept Bau die Preise zum 1. Mai sogar um drei Prozent hochsetzen, so groß war die Nachfrage.

Der Rat für Mieter von Rudolf Stürzer liegt auf der Hand: kaufen! „Wer es sich irgendwie leisten kann, sollte in jungen Jahren einsteigen mit einer Einzimmer-Wohnung als Grundstock.“ Wer das nicht kann, solle sich glücklich schätzen, wenn er eine moderate Miete zahlt. „Der klassische Mietshausbesitzer will keinen schnellen Wechsel“, sagt Stürmer, „und er will sein Haus auch nicht verkaufen." Treue zahlt sich aus. Wer das Glück hat, in einer bezahlbaren Altbau-Wohnung in der Au zu residieren, der sollte da bleiben – und sich an seiner innenstadtnahen Mikrolage erfreuen.

Katharina Rieger

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