Luxus statt Laptop daheim: Münchens Tech-Gigant macht klar, wo er seine Leute sehen will

An den Tischtennisplatten, Kickern oder Billardtischen betätigt sich beim Besuch der AZ am Donnerstagvormittag keiner der rund 2500 Mitarbeiter von Amazon in München. Nur Deutschlandchef Rocco Bräuniger spielt eine Runde Tischfußball für die anwesenden Fotografen – und trifft prompt. Dabei spiele er am kürzlich eröffneten neuen Hauptsitz des Weltkonzerns eigentlich lieber Billard, wie er sagt.
Neue Amazon-Hauptzentrale in München: Platz für 2500 Mitarbeiter
Vor rund zehn Tagen sind die Amazon-Mitarbeiter endlich in das neue Bürogebäude in der Parkstadt Schwabing eingezogen. Der Bau dauerte rund vier Jahre.

Beim Rundgang durch den 45.000 Quadratmeter großen Hauptsitz in der Anni-Albers-Straße schauen viele Mitarbeiter konzentriert auf ihre Bildschirme, sitzen in schalldichten Kabinen oder sprechen in verschiedenen Sprachen in ihre Geräte.
Einige Arbeitsplätze sind aber leer. Das liege vermutlich an der anstrengenden Woche rund um den großen Rabatt-Tag „Black Friday“ am 28. November, vermutet Personalchefin Carolin Fröhlich. Dabei sind den Mitarbeitern einige Annehmlichkeiten geboten.
Yoga, Tischkicker und Hunde: Viele Annehmlichkeiten für die Arbeitnehmer
Neben Tischkickern gibt es etwa ein Yoga-Studio, hundefreundliche Besprechungsräume und ein Kino für die „Prime Video“-Produktionen des Unternehmens.
Trotz hohen Leerstands von Büroflächen in der Stadt (AZ berichtete) hat Amazon den riesigen Bürokomplex nach eigenen Wünschen errichten lassen. Das Unternehmen selbst ist jetzt als langfristiger Mieter in den Räumlichkeiten ansässig. Noch ist nicht alles komplett fertig.
Einige Kübel warten noch auf die entsprechende Bepflanzung, und auch funktioniert nicht jeder Knopf, oder öffnet sich jede Sicherheitsschleuse automatisch.
Hauseigener Barista bei Amazon: "Ich komme gerne ins Büro“
Mitarbeiterin Valentina tippt in einer der vielen Personalküchen gerade auf der Tastatur ihres Laptops. "Ich komme gerne ins Büro“, sagt sie. Der Kaffee schmecke hier einfach besser – in der Cafeteria gibt es freilich einen hauseigenen Barista. Von zu Hause arbeite sie nur etwa einmal im Monat, und das nur in Ausnahmefällen.

Das entspricht auch den Wünschen der Chefetage des Weltkonzerns. Wer den Mitarbeitern so viel bietet, erwartet wohl auch entsprechende Anwesenheit, oder? „Wir sagen unseren Mitarbeitern, dass wir gerne möchten, dass sie ins Büro kommen“, erklärt Rocco Bräuniger der AZ.
Anwesenheit statt Homeoffice gewünscht
Das Unternehmen folgt damit dem Trend auf dem Arbeitsmarkt, nach Corona wieder weniger Homeoffice zu ermöglichen. Amazon verfolgt diese Strategie global bereits seit knapp 1,5 Jahren, sagt Bräuniger. Streng kontrolliert werde das aber nicht.
Vermutlich sorgen derartige Annehmlichkeiten von ganz allein für eine hohe Anwesenheitsquote. „Im Normalfall sind die Mitarbeiter größtenteils anwesend“, sagt Bräuniger. Toll sei, dass nun alle zusammenarbeiten. Bisher waren die einzelnen Abteilungen auf vier Bürogebäude in der Parkstadt Schwabing verteilt. Jetzt sind die Münchner Mitarbeiter auf sechs Stockwerken unter einem Dach vereint.
Dem Deutschlandchef gefallen an dem neuen Standort vor allem die „Orte des Zusammenkommens“. Einer dieser Orte ist das riesige Atrium im Herzen des Komplexes – mit Bühne für Veranstaltungen und der Cafeteria. 200 Menschen können hier gemeinsam Mittag essen.
Zur Pausenzeit ist hier plötzlich auch einiges los. Die Schlangen vor der Essensausgabe werden länger, und die Tische füllen sich. Ein prunkvoll geschmückter Christbaum sorgt für festliche Stimmung, während englischsprachige Weihnachtsmusik in die Halle mit der rund 20 Meter hohen, gläsernen Decke schallt.
So ist das Büro des Amazon-Deutschlandchefs
Im dritten Stock ist Rocco Bräunigers Büro. Der Raum ist minimalistisch eingerichtet, die Möbel schlicht, nur mit etwas Weihnachtsdeko. An der Wand hinter ihm hängt ein Stück Teppich aus seiner alten Schule – eine persönliche Note unter dem großen Amazon-Logo. Sein eigener Konferenzraum ist nach dem Karlsfelder See benannt – dem See, an dem er auch wohnt, wie er verrät.

Alle Besprechungsräume sind nach Seen, Münchner Stadtteilen, Sehenswürdigkeiten, U-Bahnstationen sowie Bergen und Wiesn-Zelten benannt.
Bayern und insbesondere München sind für das Unternehmen wichtig. Seit 2010 hat Amazon mehr als 18 Milliarden Euro in den Freistaat investiert. Vor 25 Jahren wurde die erste deutsche Zentrale in Hallbergmoos eröffnet. „Wir sind unglaublich zufrieden in München“, sagt Bräuniger. Mit dem neuen Bürokomplex wolle man das Engagement in Bayern weiter unterstreichen.
Es gibt auch Kritik an dem Weltkonzern
Schon jetzt würden sich viele Mitarbeiter gerne auch länger im Büro aufhalten. Immer wieder würden Partys in den einzelnen Teams gefeiert – was ausdrücklich erlaubt sei, sagt Bräuniger. Im Sommer dient dazu auch die Dachterrasse mit Alpenblick und Grills. Ein Arbeitsplatz, der scheint, als wolle man kaum mehr heimkehren – nur, wo bleibt da die berühmte Work-Life-Balance? „Das soll alles im Einklang sein“, verspricht Bräuniger.
Andernorts sind im Konzern auch Klagen über Arbeitsdruck, Überwachung und befristete Verträge seit Jahren Thema. In München dagegen zeigt sich Amazon von seiner weicheren Seite – als Standort mit Wohlfühlatmosphäre.