Immer mehr Läden in der Münchner Innenstadt schließen früher: Das sind die Gründe

Wer in der Münchner Innenstadt shoppen möchte, kann sich nicht mehr so viel Zeit lassen. Denn viele Geschäfte haben ihre Öffnungszeiten verkürzt. Grund ist der Personalmangel – aber auch ein Dominoeffekt.
Laura Meschede |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
80  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
In der Sendlinger Straße machen viele Geschäfte inzwischen um 19 Uhr oder zum Teil sogar noch früher zu.
In der Sendlinger Straße machen viele Geschäfte inzwischen um 19 Uhr oder zum Teil sogar noch früher zu. © IMAGO/Wolfgang Maria Weber

München - Ganz am Anfang der Sendlinger Straße, nur wenige Meter entfernt vom Marienplatz, haben sich noch ein paar Geschäfte den herkömmlichen Ladenschluss erhalten: 20 Uhr. Das Schuhgeschäft Tretter etwa oder der Modeladen "Superdry".

Aber kaum ist man ein paar Schritte in die Straße hineingegangen, werden die Öffnungszeiten plötzlich immer kürzer. "John & Audrey": 18 Uhr. Tommy Jeans: 19 Uhr. G-Star RAW Store: 19 Uhr.

"Nach 18 Uhr kommt kaum noch jemand": Läden in München schließen immer früher

Der Ladenschluss um 20 Uhr, so scheint es, ist für den größten Teil der Sendlinger Straße inzwischen praktisch abgeschafft. Was ist da los? "Es lohnt sich einfach nicht mehr, länger offen zu haben", sagt Teresa Uhlig. Uhlig ist 37 Jahre alt und betreibt den Süßigkeitenladen "Bears & Friends" in der Sendlinger Straße 19. Viele Jahre hatte das Süßigkeitengeschäft, das Uhlig von ihrer Mutter übernommen hat, bis 20 Uhr geöffnet.

Aber seit Neuestem ist hier schon um 19 Uhr Schluss mit Shoppen. "Angefangen hat das während der Corona-Pandemie", erzählt Uhlig. "Damals haben die Öffnungszeiten stark geschwankt, zeitweise hatte ich auch nur bis 17 Uhr offen. Und seitdem hat es sich einfach nicht mehr gelohnt, bis 20 Uhr zu öffnen." Viele Menschen seien mit der Pandemie schlicht auf den Online-Handel umgestiegen. Das Ergebnis: "Eigentlich kommt schon nach 18 Uhr kaum noch jemand."

"Leute haben kein Geld mehr zum Shoppen": Dominoeffekt in der Münchner Innenstadt

Dazu komme ein Dominoeffekt. "Manche Geschäfte haben es natürlich versucht und gesagt, wir wollen weiter bis 20 Uhr offenhaben", sagt Uhlig. "Aber: Das merkt sich ja niemand, dass ausgerechnet dieser eine Laden länger offen ist. Also kommen da auch keine Kunden mehr." Inzwischen hätten es fast alle Gewerbetreibenden in der Sendlinger Straße aufgegeben und sich mit den kürzeren Öffnungszeiten abgefunden.

"Ich denke, das Hauptproblem ist die Krise", sagt Norbert Winhart (63), der das Geschäft "Omas Köstlichkeiten" direkt am Sendlinger Tor betreibt. "Erst die Pandemie, dann die Krise – die Leute haben einfach kein Geld mehr zum Shoppen gehen." Winhart arbeitet bereits seit 22 Jahren hier in der Sendlinger Straße, er hat viele Krisen miterlebt. "Aber jetzt", sagt er, "jetzt wird es wirklich eng."

Mieten, Stromkosten, Inflation: Zum Shoppen haben viele Münchner nicht mehr genug Geld

Das hat sicher auch mit der Baustelle zu tun, die den direkten Zugang zu Winharts Laden blockiert. Aber: "Das Problem, dass weniger Kunden kommen, habe ja nicht nur ich, sondern alle hier in der Straße." Steigende Mieten, steigende Stromkosten – und dazu noch weniger Kunden als zuvor.

"Wenn hier eine Viertelstunde lang keiner reinkommt, dann schalte ich die Lichter aus bis zum nächsten Kunden", sagt Winhart. Um 19 Uhr zuzumachen, war für ihn deswegen ein logischer Schritt.

Geänderte Öffnungszeiten in Münchner Innenstadt: Starker Personalmangel

"Sicherlich stimmt es für viele kleine, inhabergeführte Läden, dass sich längere Öffnungszeiten einfach nicht mehr lohnen", sagt Stephan Kippes. "Aber bei den meisten größeren Geschäften ist das Hauptproblem der Personalmangel."

In der Neuhauser Straße gehen die Münchner wieder gerne einkaufen. Aber den Geschäften dort fehlt es an Personal.
In der Neuhauser Straße gehen die Münchner wieder gerne einkaufen. Aber den Geschäften dort fehlt es an Personal. © IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Kippes ist Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Süd (IVD). Einmal im Jahr untersuchen er und seine Kollegen die Entwicklungen im Einzelhandel in zentralen Innenstadtlagen.

"Der Personalmangel ist aktuell ein generelles Problem im Einzelhandel", sagt Kippes. "Aber beispielsweise in Shoppingzentren bekommt man davon weniger mit, weil dort viele Geschäfte dazu verpflichtet sind, bis 20 Uhr offen zu haben – und ihnen bei früheren Schließzeiten Vertragsstrafen drohen."

Innenstadt in München: Jedes Geschäft darf schließen, wann es will

Das sei in der Innenstadt anders. "In der Kaufinger- oder in der Sendlinger Straße können die Inhaber selbst entscheiden, wie lange ihr Geschäft geöffnet haben soll", so Kippes. "Deswegen wird dort jetzt häufig versucht, angesichts des Personalmangels die Zeiten zu reduzieren."

Aus Sicht der Vermieter sei das eine unerfreuliche Entscheidung, so Kippes vom Immobilienverband: "Im Einzelhandel sind Umsatzmieten relativ verbreitet, bei denen die Miete an den Umsatz geknüpft wird. Wenn der Mieter also früher zumacht, entgehen dem Vermieter Einnahmen."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

In der Münchner Kaufingerstraße wird an jedem zweiten Geschäft nach Verkäufern gesucht

In der Kaufingerstraße lässt sich der Personalmangel auf jeden Fall nicht übersehen. An jedem zweiten Laden hängen hier Schilder, in denen um Arbeitskräfte geworben wird. Die Modefiliale TK Maxx wirbt mit dem Spruch "Arbeite, wo du gerne shoppst!", der Schokoladenladen Läderach bietet einen "Traumjob für alle Schokoladenfans", und das Schuhgeschäft Dr. Martens wirbt auf einem Schild an seiner Tür mit den Worten: "Wir stellen ein. Join the team!"

Die Filialleiterin einer Modefiliale in der Kaufingerstraße, die ihre Öffnungszeiten ebenfalls auf 19 Uhr verkürzt hat, bestätigt der AZ auf Anfrage, dass sie der Personalmangel zu dem Schritt gezwungen habe. "Wir finden einfach keine Verkäufer mehr", sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Wie viel Geld die Verkäufer in ihrer Filiale aktuell verdienen, möchte sie nicht sagen. Anders als in der Sendlinger Straße haben die meisten Geschäfte in der Kaufingerstraße bislang jedoch weiter bis 20 Uhr geöffnet. Zumindest: Noch.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
80 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Plato's Retreat am 03.07.2023 22:07 Uhr / Bewertung:

    München war mal die nördlichste Stadt Italiens. Jetzt ist es die südlichste Stadt von NRW.

    Dank an die Herren Kronawitter, Ude und Reiter.

  • Gelegenheitsleserin am 03.07.2023 15:22 Uhr / Bewertung:

    @Münchner Bürger
    "Deutschunterricht wird überall angeboten, so dass man nach einem halben bis einem Jahr auch im Verkauf arbeiten."

    Könnten Sie nach einem halben Jahr Fremdsprachenunterricht und ohne Fachkenntnisse eine*n Fachverkäufer*in ersetzen?
    Also - ich würde mir das nicht zutrauen ...

  • Der wahre tscharlie am 03.07.2023 15:21 Uhr / Bewertung:

    Wenn ich mir die Kommentare hier analytisch betrachte, stelle ich fest, dass die Mehrheit den Klassiker bedient.
    Früher hieß es hier, die Hartz IVler wollen nicht arbeiten, heute wollen die Bürgergeldler nicht arbeiten.
    Wie einfach doch die Welt ist. Und Schuldige hat man auch gleich parat.

    Das man nicht arbeitet, um der Arbeitswillen wegen, scheint man zu verdrängen. Denn Jede*r will von seinem Lohn leben. Und wenn ich von dem Geld nicht leben kann, warum soll ich dann solche einen Job machen?
    Klar kann ich zum Amt gehen, um das Geld aufzustocken. Aber das wollen die wenigsten.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.