Kultsammlung: Kennen Sie diese Münchner Plakate?
In einem geheimen Archiv lagert die Werbefirma Ströer zehntausende alte Plakate, die einst Münchner Litfßsäulen zierten. Die AZ durfte exklusiv einen Blick in das unterirdische Archiv werfen.
München - Hubert Franz Schweitzer muss vorsichtig sein. Er meldet sich an, wenn er die Schatzkammer betritt – und ab, wenn er wieder nach Hause geht. Der Raum, in dem er seit 35 Jahren viele seiner Tage verbringt, liegt ein paar Etagen unter der Erde, im Münchner Süden. Mehr soll man bitte nicht verraten, sagt Schweitzer. Hier lagern Millionen. Und er ist allein. Also, bitte: Diskretion.
50000 Werbeplakate lagern hier im geheimen Archiv der Werbefirma Ströer, in Kisten aus schepperndem Metall, jede in etwa so groß und tief wie eine Tiefkühltruhe. Die AZ ist die erste Zeitung, die hier hinein darf. Manche Plakate sind 300 Euro wert, andere geschätzte 60000 – etwa ein echter Wassily Kandinsky.
Schweitzer (65) ist der finanzielle Wert weniger wichtig. Er ist selbst Künstler und studierter Grafiker. Ihn fasziniert, dass Dutzende Münchner Künstler mal in die Werbung gegangen sind, etwa Kandinsky, Maler und Bildhauer Franz von Stuck, Grafiker Ludwig Hohlwein oder der „Simplicissimus“-Zeichner Olaf Gulbransson.
Wenn Schweitzer in eine der Metallkisten greift, zieht er sich weiße Handschuhe über. Er zieht den Deckel auf, es riecht streng wie im Kartenraum in der Schule. Dann greift er hinein in 130 Jahre Wunsch- und Warenwelt. Die DIN- A1-Blätter zeigen, was die Münchner über Jahrzehnte anmachte: Wahlplakate, Reise-, Veranstaltungs-, Sport-, Film- oder Werbeplakate für Autos, Bier, Staubsauger und Eiscreme – Nazi-Propaganda und Anti-Nazi-Propaganda, Olympia und Osram, King Kong und Kuba, die AZ und der ADAC.
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In den Kisten hängen sie alle nach Jahreszahlen und Themen geordnet. Das älteste Plakat ist von 1881, das neueste stammt aus diesem Jahr. Auf Schränken und Tischen stapeln sich neue, eingerollt und noch nicht eingeräumt. Sie liegen da, gestapelt wie Rohre.
Es wird langsam eng, die Sammlung wächst immer weiter – Absicht, sagt Alexander Stotz, Deutschland-Chef von Ströer Media. Die heutigen Plakate seien jetzt vielleicht nichts Besonderes, „aber in 50 Jahren sagt man dann: Wow!“ Das wolle man bewahren.
Will Hubert Franz Schweitzer ein Plakat haben, gibt ihm Ströer einfach das Geld dafür, sagt er. Manchmal macht er es sogar selbst – geht zur Plakatwand oder zur Litfaßsäule, zieht ein Messer und kratzt es vorsichtig ab. Hauptsache, er hat es.
Ausgewählte Plakate sehen Sie in unserer Bildstrecke.
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