Kriegsverbrecher-Prozess: Wer gab den Spreng-Befehl?

Der Prozess um den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Josef S. (90) wird komplizierter: Selbst ein promovierter Historiker als Gutachter kann nicht sagen, ob Josef S. für den 14-fachen Mord verantwortlich ist.
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Angeklagt: Josef S. (90).
Mike Schmalz Angeklagt: Josef S. (90).

MÜNCHEN - Der Prozess um den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Josef S. (90) wird komplizierter: Selbst ein promovierter Historiker als Gutachter kann nicht sagen, ob Josef S. für den 14-fachen Mord verantwortlich ist.

Hatte der mutmaßliche Kriegsverbrecher Josef S. (90) als Kompaniechef die Macht, italienische Zivilisten im Zweiten Weltkrieg in die Luft zu sprengen? Um diese Frage zu klären, wurde der promovierte Historiker Peter Lieb (35) vom Münchner Schwurgericht als Gutachter geladen. Lieb ist von der berühmten Militärfachakademie Sandhurst in England. Er verschaffte dem Gericht Einblick über die damalige Befehlsgewalt bei der Partisanenbekämpfung während des Krieges: „Bei den Deutschen war Geiseln nehmen und erschießen erlaubt.“

Der Tötungsbefehl wurde von der obersten Führung aber nur sanktioniert, wenn zwei Punkte erfüllt waren: Wiederholungen von illegalen Aktionen seitens der Partisanen zu verhindern und um die eigene Truppe zu schützen.

Rückblick: Der ehemalige Gebirgsjäger-Leutnant Josef S. soll Ende Juni 1944 in Falzano di Cortona (Toskana) den Befehl gegeben haben, 14 Zivilisten in ein Haus zu sperren und in die Luft zu sprengen, weil zwei deutsche Soldaten von Partisanen getötet worden waren. Die Dorfbewohner hätten mit den Partisanen sympathisiert (AZ berichtete).

Als am 17. Juni 1944 der berühmte „Kesselring-Befehl“ – er stammt vom Generalfeldmarschall Albert von Kesselring – an die Truppen erging, hat „dies mit Sicherheit eine Welle der Gewalt ausgelöst“, sagte Gutachter Lieb.

Von Kesselring hatte das Motto ausgegeben, dass er jeden Offizier decken werde, egal mit welchen Mitteln er die Partisanen auch bekämpft. „Ein Freifahrtschein für Exzesse jeglicher Art“, meinte der Historiker.

Die Frage, ob der Angeklagte allein den Befehl zur Sprengung geben konnte, ließ Lieb offen. Der Befehl könnte auch von einem „Ranghöheren“ gekommen sein. „Wer den Befehl gegeben hat, lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen“, so Gutachter Lieb.

Der Prozess dauert an.

th

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