Immer mehr Münchner in massiver Geldnot – Diese Viertel sind am stärksten betroffen
Miete und Strom müssen bezahlt, Kredite getilgt werden – und dann müsste eigentlich auch noch dringend eine neue Waschmaschine angeschafft werden. Aber das Geld reicht vorne und hinten nicht, der Schuldenberg wächst. So geht es immer mehr Münchnern: Die Einnahmen decken nicht mehr die Ausgaben.
Fast 100.000 Erwachsene – genau 97.772 Münchnerinnen und Münchner und damit 7,82 Prozent der Einwohner – gelten als überschuldet. Das geht aus dem Schuldneratlas 2025 hervor, den Creditreform am Freitag veröffentlicht hat.

Geschäftsführer Philipp Ganzmüller sieht eine Trendumkehr für München: „Auffällig ist, dass die Zahlen nicht in den Brennpunkten steigen, sondern in den Vierteln mit der bisher niedrigsten Überschuldung.“ Sein Fazit: Auch Münchner aus der Mittelschicht geraten zunehmend in Notlagen. Der geschäftsführende Gesellschafter von Creditreform erwartet zudem, dass auch immer mehr Ältere in die Schuldenspirale geraten. Die Hintergründe zu den Zahlen:
Höchststand seit 2021
Die Zahl der Münchner, die überschuldet sind, hat wieder einen traurigen Rekord erreicht: Um vier Prozent ist er im vergangenen Jahr gestiegen, es ist die höchste Zahl seit 2021. Nur zwischen 2015 und 2020 waren noch mehr Münchner betroffen: über 100.000. Der Trend geht nun wieder dorthin.
Etwa jede 20. Frau (5,14 Prozent) und jeder zehnte Mann (9,87 Prozent) kommt finanziell nicht mehr klar. „Männer sind bei Finanzentscheidungen risikofreudiger und häufiger selbstständig“, sagt Ganzmüller. Aber auch immer mehr Frauen geraten in finanzielle Not: In 40 Münchner Stadtteilen ist ihr Anteil gestiegen. Von den überschuldeten Frauen sind 30 bis 40 Prozent alleinerziehend, so Philipp Ganzmüller.
Senioren geraten im teuren München schneller in die Schuldenfalle
Im teuren München ist die Gefahr hoch, im Alter in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten zu kommen. Der Anteil der überschuldeten Senioren in München ist mit 3,8 Prozent bereits heute höher als der Bundesdurchschnitt. Ganzmüller rechnet damit, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. „Ältere Menschen haben oft ein relativ festes oder niedrigeres Einkommen, sodass hohe Fixkosten im teuren München schneller zu Zahlungsproblemen führen können.“
Bei den Erwachsenen unter 30 ist die Schuldnerquote um 6,15 Prozent gestiegen. Ein Anstieg „so krass wie noch nie“, so Ganzmüller. Im Stadtviertel Am Hart liegt der Anteil der überschuldeten jungen Erwachsenen bei fast zehn Prozent. Der Creditreform-Experte sieht eine Ursache bei Zahlungsdienstleistern (wie Klarna oder Paypal), die ein späteres Bezahlen anbieten. Ganzmüller: „Das scheint ein Aspekt zu sein. Es ist heute unfassbar einfach, sich zu verschulden. Das ist wie ein Köder vor der Nase.“
Das sind die Brennpunkt-Viertel:
Als Brennpunkt-Viertel gelten die Altstadt mit einer Schuldnerquote von 13,09 Prozent, Am Hart (12,31) und Ramersdorf (11,75). Hier ist also der Anteil der überschuldeten Einwohner gemessen an der Einwohnerzahl am höchsten. Tatsächlich leben die meisten Männer und Frauen, die überschuldet sind, in Neuhausen – insgesamt 3954. Danach folgen Moosach mit 3.769 Betroffenen und Sendling-West mit 3.671. Die wenigsten Menschen mit massiven Geldsorgen leben in Daglfing (214) und im Lehel (568).
Ein Sonderfall: die Altstadt
Den stärksten Zuwachs gemessen an der Einwohnerzahl im Viertel gibt es in der Altstadt (plus 1,36 Prozent), 1008 Bewohner gelten hier als überschuldet. Über 11 Prozent sind älter als 70. Warum gerade das Viertel mit den teuersten Läden ein Brennpunkt ist, kann niemand richtig erklären. Ganzmüller vermutet, dass es damit zusammenhängt, dass es hier mehrere kirchliche Wohneinrichtungen für Bedürftige gibt.
Neben Krankheit, Schicksalsschlägen und Trennungen sind steigende Lebenshaltungskosten und der Jobverlust die häufigsten Ursachen. Doch viele Betroffene warten zu lange, bis sie sich Hilfe holen. Mark Wichlajew, Leiter der Schuldnerberatung im Sozialreferat: „Gerade bei Älteren erleben wir immer wieder, dass sie sich unglaublich, fast ins Menschenunwürdige einschränken, um Raten zu zahlen, die in Zinsen verdampfen.“ Er rät: „Warten Sie nicht zu lange. Holen Sie sich Hilfe! Schulden sind nichts Kriminelles und kein Grund, sich zu schämen oder sich zu verstecken.“
20.300 Anfragen gab es 2024 bei der Beratungsstelle, 4000 Betroffene sind in Langzeitberatungen. Im Durchschnitt hat jeder Einzelne rund 44.000 Euro Schulden.
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