Krailling: "Er wollte lockeren Menschen spielen“

München - Die Gelassenheit, die Thomas S. seit dem ersten Verhandlungstag im Kraillinger Doppelmordprozess im Gerichtssaal an den Tag legt, ist offenbar nicht neu: Schon bei seiner ersten Vernehmung gab sich der Mann, der beschuldigt wird, seine beiden kleinen Nichten Sharon († 11) und Chiara († 8) brutal ermordet zu haben, auffällig „cool“. So schildern es mehrere Vernehmungsbeamte im Prozess vor dem Landgericht.
Richard Thiess, stellvertretender Leiter der Münchner Kripo, war bei der ersten Vernehmung kurz nach der Festnahme von Thomas S. Anfang April vergangenen Jahres dabei. Als Zeuge berichtet er im Prozess von der grundsätzlich „ruhigen und gelassenen Atmosphäre“, in der die über siebenstündige Vernehmung bis weit in die Nacht hinein stattfand. Nur bei Fragen, die sich unmittelbar mit der Tat beschäftigten, habe man gemerkt, wie der Beschuldigte „nervös wurde, wie ihm diese Fragen nahe gingen“.
An den vergangenen Prozesstagen haben Spuren-Experten immer wieder geschildert, wo sie überall am Tatort Spuren des Angeklagten fanden: an Kleidungsstücken, an Wänden und Stühlen seien DNA-Spuren von S. gewesen. Thiess berichtet, wie Thomas S. „sehr nervös“ wurde, als man ihn in der Vernehmung fragte, ob er in der Tatnacht zu Hause war. Seltsam reagierte der Beschuldigte vor allem, als der Ermittler ihn in einer Vernehmungspause damit konfrontierte, dass die Spurenlage gegen ihn spreche. „Meinen Sie Spuren im Mund?“, habe S. da gefragt. Später habe er dies als „rhetorische Frage“ abgetan.
Auch Kriminalhauptkommissar Josef Zimmermann war bei der Vernehmung dabei. Er sagt: „Ich hatte den Eindruck, als wollte er einen lockeren Menschen spielen, dem man nichts anhaben kann“, schildert der Beamte. Dennoch sei es ihm vorgekommen, als habe S. manchmal etwas „unterdrücken, zurückhalten wollen“. Mitunter sei es zu „richtiger Stress-Atmung“ bei dem Mann gekommen.
S. lässt Zimmermann während dessen Aussage nicht aus den Augen. Im blauen Jeanshemd und mit verschränkten Armen sitzt er auf der Anklagebank. Als der Beamte schildert, wie er S. fragte, ob Chiara ihn gebissen habe und vormacht, wie dieser auf die Frage hin zunächst seine Arme musterte und erst dann verneinte, schmunzelt S. – und schüttelt verachtend den Kopf. Wenn er sich in Verhandlungspausen mit seinen Anwälten bespricht, geht es ohnehin oft heiter zu: Der Angeklagte ist sichtbar vergnügt, lacht laut.
Zimmermann sei der Beschuldigte während der Befragung im April vorgekommen, als gehe er in die Vernehmung wie in eine Art Pokerspiel – welche Fragen er beantwortete und welche lieber nicht, entschied er spontan. Als sein Kollege Thiess ihn aber ganz direkt fragte, ob er Chiara getötet habe, da habe ihn seine Coolness offenbar verlassen: „,Nee' hat er da in sich hineingenuschelt“ – und den Blick gesenkt.