Kommt das Sex-Phantom in 3 Jahren wieder frei?
Mildes Urteil für Vergewaltiger: Macht der Serientäter eine Therapie, kann er laut Gericht bereits in drei Jahren wieder freikommen.
München - Erleichterung bei Pavo P., der als „Phantom” oder „Grabscher” fünf Jahre lang München unsicher gemacht. Nach dem Urteilsspruch – sechs Jahre Haft – suchte er den Blickkontakt zu seiner Freundin im Zuschauerraum. Der 41-Jährige nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an. Kurz darauf durfte er Freundin und Tochter kurz in den Arm schließen.
Weniger begeistert dürften seine Opfer sein: 17 nächtliche Sex-Überfälle gehen auf das Konto von Pavo P. Das sind 17 Frauen, die noch jahrelang mit ihren traumatischen Erinnerungen kämpfen müssen. Der Verurteilte hatte seinen Opfern zwischen die Beine gefasst oder sie mit dem Finger vergewaltigt. Für vier Vergewaltigungen und sexuelle Nötigung in acht Fällen sowie versuchte sexuelle Nötigung in fünf Fällen errechnete das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren.
„Ein mildes Urteil”, kommentierten Prozessbeobachter die Entscheidung der Kammer unter dem Vorsitz von Anton Winkler. Tatsächlich waren die Richter nur knapp über dem Strafmaß geblieben, das Verteidiger Raimund Förschner für angemessen hielt: „Weniger als sechs Jahre”. Staatsanwalt Markus Michl forderte sieben Jahre Haft. Psychiater Norbert Nedopil hatte zuvor erklärt, dass es Pavo P. nicht um Sex, sondern um die Demütigung der Frauen ging. Die Sex-Angriffe waren da nur Mittel zum Zweck. Hintergrund sei sein problematisches Verhältnis zur tyrannischen Mutter. Der Experte glaubt, dass Pavo P. eine Therapie machen muss. Ansonsten bestehe das Risiko, dass er in Krisen wieder anfange, Frauen zu jagen.
Richter Winkler stellte Pavo P. in Aussicht, nur vier Jahre absitzen zu müssen – wenn er eine Therapie macht. Da er seit seiner Festnahme im September 2010 bereits ein Jahr in U-Haft saß, käme er in drei Jahren wieder auf freien Fuß.
Angerechnet wurde Pavo P. vor allem sein Geständnis. Damit ersparte er seinen Opfern die Aussage vor Gericht. „Darüber hat sich meine Mandantin sehr gefreut”, berichtete Gabriele Schöch, Anwältin einer Nebenklägerin, die stark unter der Tat leidet. Das letzte Wort des Phantoms: „Es tut mir von Herzen leid.” Das Gericht nahm ihm die Reue ab.
Statistik: Nur jede zehnte Vergewaltigung wird angezeigt
So viele Frauen sind laut Statistik betroffen:
Jede siebte Frau in Deutschland wurde in ihrem Leben schon einmal sexuell genötigt oder – im schlimmsten Fall – vergewaltigt. Auf diese Zahl weist der Frauennotruf in München aktuell hin. Allein in München wurden im vorigen Jahr 170 Vergewaltigungen angezeigt, berichtet die Polizei. Sie spricht von insgesamt rund 900 sexuellen Übergriffen im Jahr 2010. „Das ist ein Rückgang von 13,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, sagt Ignaz Raab, Leiter für Vergewaltigungen beim zuständigen Kommissariat. Doch Raab verweist gleichzeitig auf die hohe Dunkelziffer. Bei Vergewaltigungen werde geschätzt nur eine von zehn Vergewaltigungen angezeigt.
Darum schrecken viele Betroffene vor einer Anzeige zurück:
Vor allem bei Beziehungstaten – das sind die Mehrheit der Fälle – scheuen viele Frauen eine Anzeige. „Viele schämen sich, sie haben grundlos Schuldgefühle“, sagt Orith Gahtan-Ertl, Mitarbeiterin beim Frauennotruf in München. Aber nicht nur das: „Kommt es zum Prozess, ist die größte Überwindung die Aussage vor Gericht“, weiß die Opfer-Anwältin Claudia Meng. Denn die ohnehin traumatisierten Frauen müssen das Verbrechen vor dem Richter im Detail noch einmal schildern. Meng verweist jedoch darauf, dass bei Vergewaltigung die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen werden kann. Auch, dass Opfer und Täter sich im Gerichtssaal gegenübersitzen, sei nicht in jedem Verfahren zwingend. Das Opfer kann auf Antrag in einem anderen Raum befragt werden. Die Vernehmung wird per Video in den Gerichtssaal übertragen.
Diese Tipps gibt der Frauennotruf allen Betroffenen:
„Sichern Sie Beweise“, raten die Expertinnen beim Münchner Frauennotruf ( 763737) den Opfern, „zerrissene Kleidung, Unterwäsche“ – sprich alles, womit der Täter in Berührung gekommen ist. Die Gegenstände solle man „trocken“ und separat in einer Tüte sammeln. Auch Fotos von Verletzungen könnten bei der Beweisaufnahme helfen. „Betroffene sollten sich sofort beim Rechtsmedizinischen Institut in der Nußbaumstraße untersuchen lassen“, raten die Expertinnen zudem. Nur so ließen sich die Spuren am Körper dokumentieren – auf das Beweismaterial könne man „bis zu zehn Jahre“ zurückgreifen. Elisabeth Mützel von der Notaufnahme am Institut für Rechtsmedizin rät den Frauen, sich in der Nußbaumstraße direkt an die „Ambulanz für Gewaltopfer“ ( 218073011) zu wenden. Die Untersuchung sei an eine Aussage bei der Polizei nicht gebunden.
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