Kliniken in München: Ärzte schlagen Alarm
In einem Offenen Brief an OB Ude warnen Ärzte vor dramatischen Folgen für Patienten.
München - Zu viele Klinikbetten, nicht ausgelastete Kapazitäten, zu wenige Überweisungen von den Ärzten in München. So beurteilen die Unternehmensberater von Boston Consulting die Münchner Kliniklandschaft. Deshalb plant die Stadt, ihre Kliniken zu verkleinern. Doch die Hausärzte schlagen in einem offenen Brief des Bayerischen Hausärzteverbandes an OB Christian Ude Alarm.
Sie sind „in großer Sorge, dass die geplante Umstrukturierung der städtischen Kliniken sich nachhaltig negativ auf die medizinische Versorgung“ auswirke. Wie berichtet, sollen die Häuser in Schwabing und Harlaching deutlich verkleinert und Neuperlach und Bogenhausen dagegen ausgeweitet werden. Rund 800 Betten sollen dabei abgebaut werden. Das sei „in vielerlei Hinsicht dramatisch“, vermuten die Hausärzte.
Die befürchteten Folgen: „Eine deutliche Verschlechterung der Versorgung von Akutpatienten.“ Oder: „Die völlige Überforderung der übrigbleibenden Kliniken, mit überlangen Wartezeiten für die Patienten.“ Und: „Der Weg zur 2-Klassen-Medizin.“ Verlierer wären besonders die „alten, chronisch kranken Patienten“. Die Hausärzte geben auch zu bedenken: „München wächst Jahr für Jahr. Der Bedarf an Krankenhauskapazitäten wird also weiter zunehmen.“
Der offene Brief im Wortlaut:
Sorge um die stationäre Versorgung der Münchner Bürgerinnen und Bürger
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Münchner Hausärztinnen und Hausärzte sind in großer Sorge, dass die geplante Umstrukturierung der städtischen Kliniken in München sich nachhaltig negativ auf die medizinische Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auswirkt.
Die aktuelle Planung sieht vor, zwei der vier großen Münchner Kliniken in ihrem Angebotsspektrum deutlich zu reduzieren. Bis zum heutigen Tag tragen aber gerade die vier städtischen Häuser den größten Anteil der stationären Versorgung und der Notfallversorgung für die Bürger Münchens. Die verschiedenen Fachabteilungen und ihre Mitarbeiter leisten tagtäglich Großartiges und das seit vielen Jahrzehnten. Die geplante Reduktion der Standorte wird deshalb unwiderrufliche Versorgungslücken reißen.
Die Folgen der nun geplanten Umstrukturierung sind aus der Sicht der Münchner Hausärztinnen und Hausärzte in vielerlei Hinsicht dramatisch:
Erstens: Eine deutliche Verschlechterung der Versorgung von Akutpatienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall, akuter Blinddarm- oder Gallenblasenentzündung, Magen-Darmblutung und vielen anderen schwerwiegenden Krankheiten. Wenn die geplante Umstrukturierung umgesetzt wird, müssen Patienten nach der Erst-Untersuchung in einem der reduzierten Standorte mit Notfalltransporten in jene Häuser gebracht werden, die die notwendigen Einrichtungen zur umfassenden Behandlung und Versorgung dieser Notfallpatienten vorhalten, wie zum Beispiel Herzkatheter-Labor, Intensivstation, Operationssälen, Endoskopie oder Dialysezentrum. Unnötige Zeit geht so verloren – im schlimmsten Fall mit fatalen Folgen.
Zweitens: Die völlige Überforderung der übrigbleibenden Kliniken, mit überlangen Wartezeiten für die Patienten bis zur Aufnahme oder bis zum Operationstermin. Eine geregelte und koordinierte Zusammenarbeit von Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus zum Wohle des Patienten ist dann kaum mehr möglich.
Drittens: Der Weg zur 2-Klassen-Medizin wird Vorschub geleistet, da die Grundversorgung der Münchnerinnen und Münchner in ihren städtischen Häusern nicht mehr gewährleistet ist.
Patienten, die es sich leisten können oder die aus Sicht des Krankenhauses für eine Behandlung lukrativ sind, werden in private Häuser wechseln. Verlierer sind die, die uns Hausärztinnen und Hausärzten besonders am Herzen liegen: die alten, chronisch-kranken Patienten.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat stehen in diesen Wochen vor wichtigen Entscheidungen. Ihr Votum wird weitreichende Folgen für die medizinische Versorgung der Bürger haben. Wir möchten Sie deshalb herzlich bitten, unsere Bedenken zu berücksichtigen und von dem geplanten Klinik-Kahlschlag Abstand zu nehmen.
München wächst Jahr für Jahr. Der Bedarf an Krankenhauskapazitäten wird also weiter zunehmen. Es kann und darf auch nicht sein, dass die medizinische Versorgung aus rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten massiv verschlechtert wird. Sie als Oberbürgermeister und der Stadtrat haben hier eine besondere Verantwortung.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, München ist eine reiche Stadt. Sparen Sie bitte nicht am falschen Ende.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christoph Grassl - Bezirksvorsitzender
Dr. Oliver Abbushi - Stellvertretender Bezirksvorsitzender
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