Kinder und Familien stehen unter immer mehr Druck

Der Kinderschutzbund sieht wachsenden Bedarf für Hilfe bei schwierigen Wohnverhältnissen und sexuell auffälligem Verhalten.
Anja Perkuhn |
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Hochgeschaukelt: Fehlende Spielflächen erhöhen noch einmal den Druck in schwierigen Wohn- und Familiensituationen.
dpa Hochgeschaukelt: Fehlende Spielflächen erhöhen noch einmal den Druck in schwierigen Wohn- und Familiensituationen.

München - Bedarf ist im Grunde in jedem Bereich da, in der Regel auch immer mehr, als der Kinderschutzbund München mit seinen 14 Einrichtungen und Projekten decken kann.

Deutlich wird im Jahresbericht für das vergangene Jahr vor allem: Sehr viele Kinder und Jugendliche in München leiden laut dem gemeinnützigen Verein unter ihrer Wohnsituation. Beim Beratungstelefon „Nummer gegen Kummer“ klagten fast 30 Prozent der Anrufer und Anruferinnen über mangelhafte Wohnverhältnisse und ein schwieriges Wohnumfeld.

"An der Wohnungssituation selbst können wir natürlich nichts ändern"

„Das bedingt einander ja auch“, sagt Fabian Rössel, Geschäftsführer des Kinderschutzbunds München. Fehlende Spielflächen erhöhten noch einmal den Druck in ohnehin schwierigen Situationen. „Wenn Kinder sich nicht austoben können, sind sie in ihrem Kind-Sein eingeschränkt. Und wenn sie immer in der Wohnung sind, schürt das vor allem in sozial schwächeren Familien oft die Angst, dass sie wegen des Lärms die Wohnung verlieren, die sie sich gerade mal leisten können.“

Jugendliche, die von Zuhause ausziehen wollen, könnten das immer seltener so schnell, wie sie das möchten. „Wenn sie ohnehin Konflikte mit ihren Eltern haben, erschwert das die Situation natürlich“, sagt Rössel. Der Schutzbund unterstütze bei der Frage, wie man trotzdem miteinander umgehen kann - "Hilfe zur Selbsthilfe", sagt Rössel. "An der Wohnungssituation selbst können wir natürlich nichts ändern."

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Auch von einer anderen Seite spürt der Bund den Druck auf den Nachwuchs: Mitarbeiter zu finden für das Kinder- und Jugendtelefon und das Projekt „Teens on phone“, wo sich Kinder und Jugendliche mit Gleichaltrigen beraten können, wird immer schwerer. „Durch die G8-Schulsituation fallen viele Helfer weg, weil sie es neben der Schule nicht schaffen“, sagt Rössel. Um als Ehrenamtlicher helfen zu können, muss man erst dazu ausgebildet werden - in etwa 80 Unterrichtsstunden.

Am Ende sollen alle verstanden haben, wo die Grenzen sind

Wo der Kinderschutzbund außerdem verstärkt aktiv wird: bei der Arbeit mit Jugendlichen mit sexuell auffälligem Verhalten. Das Projekt „Grenzen-Kompetenz-Training“ wurde erweitert, einmal pro Woche gibt es in München eine Gruppenarbeit für männliche Jugendliche, denen es schwerfällt, Grenzen zu erkennen und einzuhalten, die zum Beispiel oft durch unerwünschtes Sexting aufgefallen sind - das Verschicken sexueller Inhalte meist per Handy.

Über knapp fünf Monate werden Jungen und junge Männer, die immer wieder vor allem sexuelle Grenzen überschreiten, unterstützt bei der Frage: Wo sind die Grenzen? Was darf man? Und wie kann man sonst auf Mädchen, junge Frauen und überhaupt andere Menschen zugehen? „Es geht nicht darum, die Defizite aufzuzeigen“, sagt Kirstin Dawin, Leiterin des Kinderschutzzentrums. „Das Projekt ist positiv ausgerichtet auf Kompetenz-Vermittlung. Und am Ende haben sie etwas darüber verstanden, was geht und was nicht, und haben Respekt und Wertschätzung gelernt, auch sich selbst gegenüber." Die betreffenden Jugendlichen hätten nämlich meist selbst oft erlebt, dass man ihre Grenzen überschreitet und nicht respektvoll mit ihnen umgeht.

Im nächsten Jahr bietet der Kinderschutzbund auch Training für Geflüchtete an

Ein ähnliches Projekt plant der Münchner Kinderschutzbund für Jugendliche in Flüchtlingsunterkünften: ein Grenzen-Kompetenz-Training, mit Dolmetscher, "aber verlangsamt, weil man da ja auch kulturell anders ansetzen muss", sagt Dawin.

Ab 2017 will der Verband das anbieten; eine feste Gruppe soll sich einmal pro Woche treffen. "Konzeptionell sind wir gut aufgestellt, was die planerischen Details angeht, sind wir noch nicht so weit", sagt Rössel. Während beim aktuellen Projekt die Jungen und jungen Männer entweder über die Schule oder ihre Familie in die Gruppe kommen, liefe es hier wahrscheinlich über die Einrichtungen. "Wie genau die Klienten zu uns kommen, ist noch in der Schwebe. Wir gehen aber davon aus, dass der Bedarf groß ist", sagt Rössel.

Inhalt des Trainings wäre ein Verständnis dafür, was speziell in Deutschland erlaubt ist - und was nicht. Finanziert wird das Projekt aus dem bestehenden Etat.

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