Kiew, meine Liebe: AZ-Reporterlegende erinnert sich an seine Reise in Vorkriegszeiten

Karl Stankiewitz hat die Stadt vor dem Kriegsausbruch und vor den Reisebeschränkungen besucht - er war fasziniert.
von  Karl Stankiewitz
Nächtlicher Blick zum Michaelskloster.
Nächtlicher Blick zum Michaelskloster. © Thomas Stankiewicz

München - Kiew gilt als eine der schönsten und als eine der ältesten Städte Osteuropas. Spätestens am Anfang des 6. Jahrhunderts soll die slawische Familie des Kyr eine Siedlung und Festung auf drei Hügeln am Dnepr gegründet haben. 

Nikolaus I. und sein "Jerusalem auf russischer Erde" 

Bereits im 11. Jahrhundert war das daraus entstandene Kiew eine der größten Städte des Kontinents.

Messe am Weltkulturerbe Sophienkathedrale.
Messe am Weltkulturerbe Sophienkathedrale. © Thomas Stankiewicz

Der völligen Zerstörung durch Mongolen folgte die Eroberung durch Kosaken, die dem historisch umrätselten Volk der Rus angehörten und die Stadt im 17. Jahrhundert dem Zaren darboten. Nikolaus I. baute das Geschenk dann als sein "Jerusalem auf russischer Erde" zur prachtvollen Provinzmetropole aus. 1922 wurde die Ukraine der Sowjetunion zugeschlagen. 

Kiew wirkt wie eine einzige Wallfahrtsstätte

Mit meinem Sohn Thomas, der einen Foto-Auftrag hatte, habe ich Kiew - vor Corona - mehrere Tage durchwandert.

Mit ihren 2,9 Millionen Einwohnern erschien uns die ukrainische Hauptstadt fast wie eine einzige Wallfahrtsstätte.

Karl Stankiewitz sitzt neben einer Kunstfigur im Taras-Schewtschenko-Park an der Universität. Kiew
Karl Stankiewitz sitzt neben einer Kunstfigur im Taras-Schewtschenko-Park an der Universität. Kiew © Thomas Stankiewicz

In Kirchen mit golden leuchtenden Kuppeln und Klöstern mit kilometerweiten Katakomben drängten sich die frommen Menschen oder Touristen so dicht wie in den unterirdischen Ladenstädten und U-Bahn-Stationen, die verziert sind mit historischen Darstellungen oder Bildnissen bedeutender Persönlichkeiten.

Einige Bauten und Ensembles aus dem frühen Mittelalter gehören längst zum Weltkulturerbe.

Kiew ist auch eine Stadt der Bildung und der Jugend; sie hat über 40 Hochschulen und Universitäten. Kunstgalerien, Ateliers und Kneipen, manche in reinstem Jugendstil, säumen den geschichtsträchtigen Andreas-Steig, den wir hinunter bummelten zum breiten Dnepr mit seinen anmutigen Parks, Ausflugslokalen und Outdoor-Spots. Sprühendes Leben rundum.

Bewegender Besuch im Tschernobyl-Museum

Drüben aber, im alternativen Stadtteil Podil, schockten uns Dokumentation und Animation der nuklearen Katastrophe vom 26. April 1986 im Tschernobyl-Museum.

Auf einer Anhöhe über dem Maidan, dem turbulenten Verkehrszentrum, erinnern stets blumengeschmückte Stelen an die Todesopfer der Protestaktionen von 2014 gegen die russische Okkupation der Krim. Und mehrmals konnten wir von unserer kleinen Pension aus Tausende von Demonstranten mit aktuellen Plakaten und blau-gelben Fahnen beobachten.

Ramersdorf hat eine kleine Kiewstraße

Die Ruhe trog, die schöne Stadt schien in Wartestellung. Im November 1989, zufällig wenige Tage vor dem Fall der Berliner Mauer, haben München und Kiew eine Städtepartnerschaft besiegelt und seit 2020 hat Ramersdorf eine kleine Kiewstraße.

Bis zum Überfall Russlands auf das Nachbarland waren die ukrainische und die bayerische Hauptstadt auch durch zweistündige Direktflüge miteinander verbunden.

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