Keine Prüfer - keine Steuern

Die Gewerkschaft Verdi hat nachgerechnet: Weil es in den Finanzämtern zu wenig Personal gibt, hat der Freistaat Ausfälle von einer Milliarde Euro. Die meisten Konzerne werden nicht kontrolliert.
von  Abendzeitung
Dem Fiskus geht viel Geld verloren, weil er die meisten Konzerne nicht überprüft.
Dem Fiskus geht viel Geld verloren, weil er die meisten Konzerne nicht überprüft. © dpa

MÜNCHEN - Die Gewerkschaft Verdi hat nachgerechnet: Weil es in den Finanzämtern zu wenig Personal gibt, hat der Freistaat Ausfälle von einer Milliarde Euro. Die meisten Konzerne werden nicht kontrolliert.

Bis zu eine Milliarde Euro. Diese riesige Summe geht dem Freistaat nach Angaben von Verdi jedes Jahr durch die Lappen. Nur weil in den Finanzämtern Personal fehlt, um Konzerne zu überprüfen. Oder weil Steueransprüche einfach verjähren – so die drastischen Vorwürfe der Gewerkschaft.

Angelica Dullinger war früher Konzern-Prüferin beim Finanzamt, heute ist sie Hauptpersonalrätin des bayerischen Finanzministeriums. Sie beklagt: „Uns fehlt massiv Personal, um Prüfungen durchzuführen.“ In Bayern gibt es den Angaben nach einen Mangel von rund 3000 Beschäftigten, davon allein 700 in der Landeshauptstadt. In den Ballungsräumen München und Nürnberg seien teils bis zu 19 Prozent der Personalstellen unbesetzt. Die Folge: Das Finanzamt nähme nur vier Prozent aller Münchner Körperschaften – also Aktiengesellschaften oder GmbHs – unter die Lupe, erklärt Dullinger. Betriebs- oder Lohnprüfungen? Fehlanzeige bei den meisten Konzernen. „Es gibt Firmen, die 20 bis 30 Jahre lang nicht geprüft werden“, erklärt auch Norbert Reitberger, Personalratsvorsitzender des Zentralfinanzamts.

Jeder Prüfer bringt eine Million Euro

Verdi spricht von einem „Zwei-Klassen-Steuersystem“. Den Beschäftigten werde bereits beim Arbeitgeber die Steuer abgezogen. Ohne Wenn und Aber. Die Unternehmer aber müssten selbst beim Finanzamt angeben, welche Einkünfte sie haben – und würden dann nicht ausreichend kontrolliert. Dass das ausgenutzt werden kann, liegt auf der Hand.

Eine Milliarde Euro Steuerausfälle – wie kommt Verdi zu dieser Zahl? Jeder einzelne Prüfer habe dem Staatssäckel im Jahr 2006 durchschnittlich eine Million Euro eingebracht, heißt es – durch Betriebs- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen. Und die mangelhafte Kontrolldichte bei Konzernen scheint nicht das einzige Problem: „Regelmäßige Ausfälle der Technik verursachen Zinsverluste in Millionenhöhe“, erklärt Angelica Dullinger. Beispiel letzte Woche. Da sei im Bereich „Körperschaften“ vier Tage lang die Technik ausgefallen. Den Termin für Kritik haben die Gewerkschafter bewusst gewählt. Ab 1. August wird das Finanzamt München technisch und organisatorisch neu zusammengefasst. Für den einzelnen Bürger ändert sich zunächst noch nichts.

Auch das Finanzministerium weiß um die Problematik

Das Finanzministerium räumt zu den Vorwürfen ein: „Die Personalausstattung der bayerischen Finanzämter ist im bundesweiten Vergleich eher knapp bemessen.“ Die Haushaltssituation vergangener Jahre habe nichts anderes zugelassen, sagte ein Sprecher. Was er aber anzweifelte, ist die Größenordnung der dadurch verursachten Steuerausfälle. Eine Milliarde Euro? „Die Zahl ist nicht nachzuvollziehen.“ In München würden derzeit 25 Prozent der Körperschaften geprüft – nicht vier, wie Verdi angibt.

Julia Lenders

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