Keine Kritik mehr? Münchner Grüne werfen OB Reiter Deal mit Söder vor

München - Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat einen Wunsch: Er will Chef im Münchner Rathaus bleiben. Seine Aufgabe mache ihm großen Spaß, verkündete er bereits vergangenen Sommer. Doch damit dieser Wunsch in Erfüllung geht, braucht er nicht nur die Gunst seiner Wähler. Er ist ausgerechnet auf einen Mann angewiesen: Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Künftig keine Altersgrenze mehr für OBs?
Denn bis jetzt gilt in Bayern eine Altersgrenze für Oberbürgermeister. Sie dürfen bei Amtsantritt nicht älter als 67 sein. Reiter wird im Wahljahr 2026 aber 68. Vor gut vier Wochen hat Söder schließlich überraschend verkündet, dass er die Altersgrenze abschaffen will.
Den Chefs des Grünen-Stadtverbands Svenja Jarchow und Joel Keilhauer fällt nun auf, dass sich das Verhältnis zwischen dem OB und dem Ministerpräsidenten verändert haben soll. Reiter habe „jede kritische Kommentierung Richtung Staatsregierung eingestellt“ – so heißt es in einer Pressemitteilung der beiden.
Dieter Reiter: schweigt eisern
„Dieter Reiter hat sich in eine fatale Abhängigkeit begeben, seine politische Zukunft hängt jetzt vom Wohlwollen des Ministerpräsidenten ab“, sagt Svenja Jarchow. Und ihr Co-Vorsitzender Keilhauer fügt hinzu: Reiter schweige „laut“ zum Versagen des Freistaats beim Wohnungsbau und zur Stammstrecke. Das lege den Verdacht eines Deals nahe, sagt Keilhauer: „Keine Kritik aus München im Landtagswahlkampf im Gegenzug für eine Gesetzesänderung.“

Was ist dran? Gab es tatsächlich eine Absprache? Dieter Reiter selbst will den Vorwurf der beiden Grünen-Chefs nicht kommentieren: „Ich gehe davon aus, dass die Absender darauf keine ernsthafte Antwort erwarten. Das kann sich doch nur um einen Faschingsscherz handeln.“
Kritik bei einem Pressetermin
Allerdings ist es schon das zweite Mal diese Woche, dass Reiter nach seinem Verhältnis zu Söder gefragt wird. Auch bei einem Gespräch im Presseclub am Mittwoch erklärte er, dass er nicht wisse, was Söder zu seiner Meinungsänderung bewogen habe.
Bei diesem Termin kritisierte Reiter übrigens das Wohnungsbauprogramm des Freistaats – zumindest ein bisschen. Zum Beispiel sagte er, dass der Freistaat bisher nur ein paar Hundert Wohnungen gekauft, aber keine gebaut habe. Das sei „verdammt wenig“. Zugleich nahm er den neuen CSU-Bauminister Christian Bernreiter in Schutz. Er glaube, dass Bernreiter wirklich etwas bewegen will, so Reiter.
Faschingsscherz oder ernste Kritik?
Wie glücklich macht das den SPD-Spitzenkandidaten Florian von Brunn, falls eines der prominentesten Gesichter der Partei kurz vor der Wahl auf Kuschelkurs mit der CSU gehen sollte? Auch Brunn vermutet einen „Beitrag zu Fasching“ seitens der Grünen.
Die Opposition im Rathaus, die nicht dafür bekannt ist, einen besonders sanften Umgang mit dem OB zu pflegen, hält sich in diesem Fall zurück. Stefan Jagel von der Linken findet: Lieber sollten sich die Grünen um ihr eigenes Verhältnis zur CSU kümmern. „Die Grünen biedern sich doch gerade selbst immer wieder bei Söder an, weil sie unbedingt regieren wollen“, sagt Jagel.
Auch dem Fraktionschef der FDP, Jörg Hoffmann, ist nicht aufgefallen, dass Reiter seit Neuestem netter zu Söder sein soll. Er glaube nicht an eine Absprache. Statt um München gehe es dem Ministerpräsidenten um die vielen älteren CSU-Landräte, die auch aufhören müssten, wenn die Altersgrenze nicht fällt.
Ganz ähnlich äußert sich CSU-Chef Manuel Pretzl. „Bei seiner Entscheidung hat Söder ganz bestimmt nicht auf Dieter Reiter geschaut.“ Pretzl hält die Abschaffung der Altersgrenze übrigens für richtig – auch, wenn es ein CSU-Kandidat dann im Wettkampf gegen den Amtsinhaber schwerer hat. „Wer in München OB werden will, muss alle schlagen können.“