Keine Hymnen im Hofbräuhaus
Das Ende einer jahrzehntelangen Tradition: Seit kurzem sind Hymnen und Fahnen im Münchner Hofbräuhaus verboten. Wirt Wolfgang Sperger will so internationale Konflikte vermeiden. Erst kürzlich hatten sich chinesische Gäste über das Spielen der Nationalhymne Taiwans beschwert.
MÜNCHEN Als es grad richtig lustig wurde, standen die Festland-Chinesen wortlos auf, ließen ihre gelbgoldenen Maßkrüge stehen und gingen mit versteinerter Miene raus. Die ganze Gruppe. Die Kapelle im Hofbräuhaus hatte auf Wunsch eines Taiwan-Chinesen die Nationalhymne der abtrünnigen Schwesterinsel gespielt und dazu die Flagge gehisst.
Ein Affront. Völkerstreit im Hofbräuhaus.
Das war vor einigen Monaten. Seit kurzem sind Hymnen und Fahnen in der Schwemme verboten – das Ende einer jahrzehntelangen Tradition. „Wir haben Gefühle verletzt“, sagt Hofbräuhaus-Wirt Wolfgang Sperger über den Vorfall mit den Asiaten. Er will keine weltpolitischen Probleme in seinem Wirtshaus. Er will Gäste, die trinken, essen und bleiben.
Jürgen Eger (61) will die Hymnen aber unbedingt zurück. Die seien schließlich Tradition, und die will er bewahren. Er kennt es seit 40 Jahren so und nicht anders, kommt zwei Mal die Woche ins Hofbräuhaus und setzt sich an den „Königlich Bayerischen“ Stammtisch. Das ganze „Dschingdada“, die Marschmusik, die Hymnen – „das kann man doch nicht einfach verbieten!“, schimpft der Elektroschlosser. Statt Gaudi-Kapellen spielten jetzt immer öfter Stubenmusiker. „Mit Harfe! Als ob „grad jemand gestorben“ wäre.
Marsch, Stimmung, Bier: Das ist Jürgen Egers Hofbräuhaus. Der gebürtige Leipziger floh mit 18 über „Minenfelder“, um herzukommen. Er lernte in der Schwemme seine Frau kennen, inmitten all der Gaudi. Sie ist mittlerweile gestorben. Ist jetzt auch die Existenz seiner geliebten Schwemme bedroht?
Ja. „Wir wollen dieses Nationalistische nicht mehr haben“, sagt Wolfgang Sperger. Keine Marseillaise mehr zur Leberknödelsuppn, kein „God Save the Queen“ unterm Kini-Porträt. Sperger will statt Münchner Militärmusik in Zukunft „typische“ Lieder der Nationen spielen lassen. „Für Spanier zum Beispiel ,Viva Espana’.“
Der Abgesang hat einen weiteren Grund: „Ich will bewusst gegen dieses ,Anton aus Tirol’-Feeling ansteuern“, sagt Sperger. Schluss mit „Oans, zwoa, g’suffa“. Jetzt spielen immer öfter Kapellen ruhigere Musik – wie „Die Neufahrner“ mit der Harfe, die Jürgen Eger nicht mag. „Die Leut’ spüren, das ist ehrliche Musik“, meint Sperger. „Sie hören auf zu reden und lauschen. Am Ende klatschen alle.“ Jürgen Eger nicht. „Ich will beim Trinken doch nicht einschlafen, „ich will Stimmung!“ Mit Hymnen. Ob das den Chinesen passt, sei zweitrangig.
Thomas Gautier
Das Singen die Chinesen
Der „Marsch der Freiwilligen“ (chin.: yiyongjun jinxingqu) ist seit 1949 die Hymne der Volksrepublik China:
„Steht auf!/Alle, die keine Sklaven mehr sein möchten!/Lasst uns aus unserem Fleisch und Blut die neue Mauer bauen/ In größter Bedrängnis Chinas Volk/ Der Unterdrückten letzter Schrei ertönt: Steht auf!/ Erhebt Euch!/ Mit tausend Leibern, einem Herz den feindlichen Kanonen zum Trotz: Vorwärts! Vorwärts! Voran!“
Das Singen die Taiwaner
Die Republik China auf Taiwan feiert sich zur Musik von „Die Drei Prinzipien des Volkes“ (chin:sanminZhuyi):
„Die drei Volksprinzipien, das Ziel unserer Partei/ Damit bauen wir die Republik, damit erreichen wir den Weltfrieden/Oh, ihr Kämpfer, seid für das Volk die Vorhut/ Unermüdlich von morgens bis abends, folgt den Prinzipien/ Gelobt Eifer, gelobt Mut, seid zuverlässig und treu/ Mit einem Herz und einem Willen, haltet für immer daran fest“
Und auch diese Hymnen werden nicht mehr gespielt:
Deutschland: Einigkeit und Recht und Freiheit
Frankreich: Marseillaise
Haiti: La Dessalinienne
Großbritannien: God Save the Queen
Italien: Mameli
Japan: Kimi Ga Yo (Mögest du 1.000 Jahre glücklich regiert werden)
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