Karikaturist Dieter Hanitzsch: "Ich bin tief erschüttert!"

Was der Münchner Karikaturist und Autor Dieter Hanitzsch über die Anschläge auf „Charlie Hebdo“ und die Freiheit seiner Kunst sagt.
von  Anja Perkuhn
Ein Meister der spitzen Feder: Karikaturist Dieter Hanitzsch in seinem Münchner Arbeitszimmer.
Ein Meister der spitzen Feder: Karikaturist Dieter Hanitzsch in seinem Münchner Arbeitszimmer. © dpa/Inga Kjer

Was der Münchner Karikaturist und Autor Dieter Hanitzsch über die Anschläge auf „Charlie Hebdo“ und die Freiheit seiner Kunst sagt

AZ: Herr Hanitzsch, wie geht es Ihnen?

DIETER HANITZSCH: Mir geht es so gesehen ganz schlecht, ich bin tief erschüttert – vor allem über diesen gezielten und beinahe strategisch vorbereiteten kriegerischen Akt, den ein Killerkommando bestimmt im Auftrag von wem auch immer ausgeführt hat. Das war ja kein „normaler“ Terroranschlag, wie eine Bombe in einer U-Bahn, sondern ein gezielter Angriff auf die Meinungs- und Satirefreiheit unserer Gesellschaft. Und zwar nicht nur in Frankreich, sondern überall.

Das Internet, Zeitungen und Magazine sind voll von Solidaritätsbekundungen für „Charlie Hebdo“. Haben Sie auch ein paar Skizzen gemacht?

Ich bin erst gestern Nacht aus dem Urlaub wiedergekommen, deshalb bin ich gerade im Anfangsstadium, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Ich bin ja Teil des Sonntags-Stammtisches im BR und werde für den 11. Januar natürlich eine Karikatur zu diesem Thema zeichnen.

Was haben Sie da für Ideen?

Ich gestehe Ihnen: Ich weiß noch nicht, wie ich das anstellen werde. Nicht, weil ich die Hosen voll habe. Sondern weil ich keinen Fehler machen möchte, damit ich niemanden treffe, der damit nichts zu tun hat.

Satire ist ja per Definition dafür da, zu weit zu gehen. Haben Sie schon einmal nach einer Zeichnung gedacht: Das geht so sehr zu weit, das gibt Ärger?

Nein, noch nie. Zu weit kann man gar nicht gehen, wenn man die Grenzen des guten Geschmacks einhält. Satire ist gut, wenn sie einen Sinn macht, wenn sie Leute ärgert, die geärgert werden müssen. Sie muss beißen können. Wenn man die Grenzen des normalen höflichen Umgangs mit Menschen nicht unterschreitet, kann man nicht weit genug gehen.

In einem „Focus“-Gespräch haben Sie mal gesagt, mit den Themen Religion oder Behinderung versuchen Sie nicht zu spielen.

Den Rollstuhl von Wolfgang Schäuble muss ich zeichnen können. Ihn stehend zu zeichnen wäre Quatsch. Wenn er politisch auf dem absteigenden Ast wäre, könnte ich ihn aber nicht in seinem Rollstuhl zeichnen, wie er einen Abhang herunterrollt.

Und die Religion?

Ich habe mit Religion nichts am Hut, aber den Glauben eines Menschen verächtlich machen, das darf ich nicht. Dabei geht es mir um den Glaubensinhalt. Wenn eine Kirche, welche auch immer, sich in die Politik einmischt, darf ich dagegen eine Karikatur machen. Wenn Papst Benedikt den Missbrauch von Kindern vertuscht, dann muss man darüber zeichnen können. Sich über die unbefleckte Empfängnis der Maria lustig zu machen steht mir aber nicht zu.

Kurt Tucholsky hat gesagt: Satire darf alles.

Das sind Grenzen, die ich für mich gezogen haben. Wenn das jemand anders machen möchte, dann darf er das natürlich auch. Wenn jemand in einem Bild einen Frosch an ein Kreuz nagelt, dann verurteile ich das nicht – für mich ist das aber grauenhaft. Wenn man die Inkontinenz eines Papstes mit einer angepieselten Kutte darstellt, dann finde ich nicht, dass damit eine politische Aussage verbunden ist. Das ist für mich nur Provokation, und dann verdient es für mich den Namen Satire nicht.

Die Zeichnungen von „Charlie Hebdo“ waren mehr als nur Provokation.

Der Islam als solcher ist ja auch politisch. Den unpolitischen Islam gibt es nicht. Er ist Staatsreligion – und wenn der Staat politisch ist, darf man ihn auch angreifen. Man greift da ja nicht die Religion an, sondern den Religionsstaat. Und wenn da etwas zu kritisieren ist, muss man das machen dürfen.

Haben Religion und Kunst, zu der Satire ja gehört, vielleicht zu wenig gemeinsam?

Sie haben viel gemeinsam. Seit wir überlieferte Geschichtsdokumente haben, war die Kirche Förderer von Kunst. Die großen Maler haben alle für die Kirche gemalt. Dass man sich als Künstler sich mit der Religion auseinandersetzen musste, war klar – beide befassen sich mit den Urfragen der Menschen: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was kann ich bewegen? Gibt es jemanden, der mein Schicksal bestimmt, der über mich entscheidet?

Macht Ihnen der Anschlag Angst?

Man ist als Karikaturist nicht mehr frei. Es ist diesen Leuten gelungen, dass man darüber nachdenkt, was man selbst macht. Und es ist in den vergangenen Monaten zum Beispiel dem „Islamischen Staat“ gelungen, durch seinen Religionsmissbrauch Angst in unsere Herzen und unsere Seelen zu tragen, eine gewisse Grundangst in die Menschen hineinzupflanzen. Man darf sich aber um Himmels Willen nicht von dieser Angst leiten lassen.

Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Man muss sich von dieser Angst freimachen und aufpassen, dass man nicht in die falsche Richtung zeichnet.

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