"Jetzt kommen magere Jahre": Olympiapark-Chefin Marion Schöne im AZ-Gespräch

AZ: Marion Schöne, wir waren gerade kurz beim Olympiastadion, wo mit Robbie Williams am Wochenende das letzte große Konzert stattfindet, bevor die Sanierung richtig losgeht. Wie blicken Sie auf diese Zeit ohne Stadion im Olympiapark?
MARION SCHÖNE: Die Stadtratsbeschlüsse zur Sanierung liegen schon seit Längerem vor, es wird ja auch schon seit Herbst 2023 saniert. Es war auch klar, dass das Stadion für eine Saison geschlossen werden muss. Ursprünglich für 20 Monate.
Jetzt wird es viel länger nicht nutzbar sein.
Jetzt dauert es leider bis Mai 2029, das ist für uns schon eine sehr hohe wirtschaftliche Belastung. Das muss ich ganz klar sagen. Dadurch, dass wir die Allianz Arena für unsere Veranstalter mieten können, können wir das zum Glück etwas abfedern. Und wir freuen uns natürlich schon auf die Wiedereröffnung.
"Hoffen sehr, dass nicht noch weitere Überraschungen auftauchen"
Die Hiobsbotschaft, dass es ein Jahr länger dauert, kam schon im März. Wie schaut es jetzt aus?
Ich habe extra den Technikleiter noch einmal gefragt. Momentan sieht es so aus, dass wir im Mai 2029 das Stadion mit dem Internationalen Turnfest wiedereröffnen. Und wir können zumindest schon von Juli bis September 2028 das Olympiastadion nutzen. Wir hoffen natürlich sehr, dass nicht noch weitere Überraschungen auftauchen.

Das Stadion wird also mit Sport wieder eröffnet. Insgesamt hat man den Eindruck, dass es nur noch sehr wenig für Sport genutzt wird. Warum ist das so - und wird sich das vielleicht wieder ändern?
Es wurde für das größte Sportereignis der Welt gebaut, für die Olympischen Spiele 1972. Wir haben 2022 mit den European Championships eindrücklich gezeigt, dass man die Anlagen noch sehr gut für Sport nutzen kann. Und wir sind immer an großen Sportveranstaltungen dran.
Zum Beispiel?
Wir bewerben uns für die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2029 und 2031 (man bewirbt sich immer für zwei Austragungsjahre). Das wäre eine tolle Geschichte. Und die Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele läuft auch. Da würden dann natürlich die Leichtathletik-Wettbewerbe im Stadion stattfinden.

"Sportveranstaltungen sind in der Regel ein Zuschussgeschäft"
Und Fußball?
Natürlich kann man hier theoretisch Fußball spielen. Grundsätzlich ist es aber geregelt, dass Profi-Fußball in der Allianz Arena stattfindet. Die Aufteilung Allianz Arena - Olympiastadion wird ab 2029 wieder Gültigkeit haben.
Lohnen sich denn Sportveranstaltungen für Sie überhaupt?
Insbesondere bei internationalen Sportveranstaltungen braucht man natürlich auch immer Mittel, um eine solche Veranstaltung zu finanzieren. Die sind in der Regel ein Zuschussgeschäft.
Gilt das auch für die Olympischen Spiele?
Da gibt es immer zwei Budgets, die man unterscheiden muss. Einerseits das, was für die Durchführung der Spiele zur Verfügung steht, rein für die Veranstaltungen. Und dann das Budget für die Infrastruktur. Die ja, wenn man sie vernünftig plant, auch danach weiterhin genutzt wird.

So wie die bestehende Olympia-Infrastruktur.
Genau, ich wohne zum Beispiel im Olympischen Dorf. Das wurde damals für die Athletinnen und Athleten gebaut, jetzt sind es Wohnungen. Genauso die U-Bahn oder die S-Bahn. Die werden ja nachher auch genutzt.
Sie sind Feuer und Flamme für die Spiele, das merkt man.
Es ist in der DNA des ganzen Teams. Man weiß, dass das hier alles für die Olympischen Spiele gebaut worden ist. Der Park hat ja auch einen ideellen Wert.
"Über 95 Prozent unseres Teams sind für Olympische Spiele"
Das sieht auch ihr Team so?
Wir haben eine Umfrage gemacht, da waren über 95 Prozent dafür, ja. Bis vor Kurzem waren sogar noch Kolleginnen und Kollegen da, die die Spiele damals miterlebt haben.
Solche Spiele sind eine Gelegenheit, dass sich Menschen aus aller Welt treffen und zusammenkommen.
Wir haben das ja ein wenig gespürt bei den European Championships. Wir wollen als Olympiapark ein Ort sein, an dem das möglich ist. Dass Menschen unabhängig von Hautfarbe, kulturellem Hintergrund, Alter oder Behinderungen zusammenkommen können. Auch ohne Ticket.

Nun ist in Freising eine neue Konzerthalle in Planung, die „Munich Arena“. Die dürfte Ihnen Sorgen bereiten. Sie ist eine direkte Konkurrenz zu ihrer Olympiahalle.
Das Ganze hat sich mit dem Einstieg von „Live Nation“, dem größten Musikveranstalter der Welt, noch einmal konkretisiert. Der sorgt natürlich dafür, dass dort die großen Stars auftreten werden. Es ist also ganz klar, dass diese Halle eine ernste Konkurrenz darstellt.
Wie gehen Sie damit um?
Wir stehen in einem sehr offenen Austausch mit der Geschäftsführung dort. Das schätze ich auch sehr. Man muss ja auch ganz klar sagen, dass wir jetzt fünf Jahrzehnte lang gut gelebt haben.
"Da ist man konkurrenzlos"
Sie haben ein Monopol.
Die Olympiahalle ist die einzige Arena von einer Größe bis zu 15.000 Personen in Umkreis von 200 Kilometern. Da ist man konkurrenzlos.
Bereits 2029 soll die Arena eröffnet werden.
Wir gehen davon aus, dass der Umsatz, den wir bisher mit „Live Nation“ in der Olympiahalle gemacht haben, zu 100 Prozent wegfallen wird.
Und nun?
Wir arbeiten hart an einem neuen Konzept, nicht nur für die Halle. Können wir andere Veranstaltungen reinbringen, können wir den Park mehr für Touristen öffnen, was können wir da noch anbieten?
Können Sie das noch konkretisieren?
Wir haben bisher keine skalierbare Halle, das ist ein Nachteil. Wir überlegen gerade, wie wir die Olympiahalle auch für kleinere Veranstaltungen günstiger anbieten können. Wobei natürlich klar ist: Am meisten verdient man mit einer ausverkauften Arena.
Eine neue Halle zu bauen in München war auch einmal im Gespräch.
Das ist hier im Park schlichtweg nicht möglich. Da wo die Eissporthalle ist, entsteht jetzt ein Actionsport-Zentrum als Zwischennutzung. Dort kann man eine Halle mit maximal 8000 Plätzen errichten, das hat eine Machbarkeitsstudie gezeigt. Darum muss man klar sagen: Wir können der Freisinger Arena keine vergleichbare Halle hier im Park entgegensetzen.
"Können uns nicht aussuchen, ob uns jemand gefällt oder nicht"
Sie werden immer wieder kritisiert, weil problematische Künstler wie Xavier Naidoo, Frei.Wild oder Till Lindemann im Olympiapark spielen. Letztes Jahr war die Konferenz „Unum 24“, wo sich christlich-fundamentalistische Freikirchenvertreter trafen. Als Antwort kommt von Ihnen dann der „Kontrahierungszwang“. Das müssen Sie erklären.
Wir sind eine hundertprozentige öffentliche Gesellschaft. Das heißt, wir sind gehalten, die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der künstlerischen Freiheit besonders zu achten. Wir können uns darum nicht aussuchen, ob uns jemand gefällt oder nicht.

Anders als private Hallen.
Richtig, die können sagen, jeder, der einen rechtsextremistischen Anschein hat oder frauenfeindliche Sprüche macht, will ich nicht in meiner Halle sehen. Das können wir nicht.
Außer...
. . .wenn es strafrechtlich relevant ist. Also wenn Volksverhetzung vorliegt oder Beleidigungen. Oder wenn der Verfassungsschutz eine Band oder eine Partei verboten hat.
Sie können auch nicht einfach behaupten, die Halle sei bereits belegt, wenn eine solche Anfrage kommt.
Nein, wir müssten das im Extremfall vor Gericht auch belegen können. Wenn dies nicht belegt werden kann - und da gibt es auch mehrere Urteile - gibt es den sogenannten Beschaffungsanspruch.
"Der Schaden wäre wesentlich größer"
Sie müssten eine Band dann spielen lassen.
Ja. Aus meiner Sicht wäre der Schaden dann wesentlich größer.
Das versetzt sie in eine schwierige Position gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Stadtrat. Wenn zum Beispiel der Oberbürgermeister Sie anweisen würde, Roger Waters, der durch antisemitische Äußerungen aufgefallen war, nicht spielen zu lassen.
Ich hätte diese Weisung, selbst wenn sie gekommen wäre, nicht ausführen dürfen. Weil ich dadurch dem Unternehmen geschadet hätte. Ich darf als Geschäftsführerin nichts wissentlich tun, womit ich das Vermögen des Unternehmens schädige.
Sie legen aber nicht einfach die Hände in den Schoß, wenn problematische Künstler im Park spielen.
Ich finde es wichtig, dass man Haltung zeigt. Wir haben auch ein klares Leitbild. Wir distanzieren uns von Äußerungen, die dem widersprechen. Wir kommunizieren das auf unseren Kanälen, hissen Flaggen oder bestrahlen den Olympiaturm.
Auch wenn Till Lindemann am 25. November wieder in der Olympiahalle spielt?
Das ist auch der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Da planen wir unter anderem, den Olympiaturm anzustrahlen.
"Konzerte sind die größte Einnahmequelle"
Konzerte lohnen sich für den Park. Sie haben letztes Jahr ein Rekordjahr gehabt, haben 7 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet und das, obwohl alles teurer wird. Wie geht das?
Das waren ganz klar die tollen Veranstaltungen, die zehn Open-Air-Konzerte. Die sind die größte Einnahmequelle. Dann hatten wir noch die „Fan Zone“, da waren noch einmal über 700.000 Menschen hier im Park. Also es ist eine einfache Formel: Je beliebter die Veranstaltung, umso mehr bleibt bei uns hängen.

Das wird in den nächsten Jahren schwieriger.
Jetzt kommen eher die mageren Jahre, ja. Aber wir freuen uns alle noch sehr auf Robbie Williams.
Werden Sie auch mit dabei sein bei dem Konzert?
Selbstverständlich. Da werden sicher auch viele aus unserem Team im Stadion dabei sein, da bin ich sicher. Das wird uns in den nächsten zwei Jahren abgehen.