Jeans Kaltenbach: Die Jeans-Institution schließt nach 70 Jahren

Abschied von Jeans Kaltenbach: Das Traditions-Fachgeschäft macht nach 70 Jahren zu. Mit der AZ spricht der Firmen-Chef über die Gründe für das Aus.
Myriam Siegert
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Der markante Schriftzug ist in der Stadt bekannt, der Laden eine Institution. Trotzdem schließt Jeans Kaltenbach an der Herzogspitalstraße 4 für immer. Jetzt heißt es erst einmal Räumungsverkauf.
Der markante Schriftzug ist in der Stadt bekannt, der Laden eine Institution. Trotzdem schließt Jeans Kaltenbach an der Herzogspitalstraße 4 für immer. Jetzt heißt es erst einmal Räumungsverkauf. © Daniel von Loeper

München - Norbert Kaltenbach ist anzuhören, dass ihm die Situation nahe geht. "Es ist uns sehr, sehr schwergefallen diese Entscheidung zu treffen", sagt der Firmen-Chef von Jeans Kaltenbach in der Herzogspitalstraße. Erst heuer hatte das Traditionsgeschäft im Herzen der Altstadt 70. Firmenjubiläum, nun hat der Räumungsverkauf begonnen. Jeans Kaltenbach schließt für immer.

Baustellen und Online-Shopping: Das sind die Gründe für das Aus

Norbert Kaltenbach seufzt: "Während Corona haben die Leute wirklich gelernt, online einzukaufen", sagt der 60-Jährige im Gespräch mit der AZ. "Die kommen teilweise in den Laden, lassen sich beraten, probieren, machen Fotos und kaufen dann online."

Das veränderte Kaufverhalten der Kunden ist aber nicht der einzige Grund, warum dem Fachgeschäft nun die Luft ausgeht. "Die Innenstadt insgesamt leidet meiner Meinung nach unter den vielen Baustellen", sagt Kaltenbach. Immer wieder Sperrungen der Stammstrecke oder einzelner Bahnhofsausgänge am Stachus. Immer wieder Baustellen vor der Tür und in den umliegenden Straßen. "Das tut uns weh", sagt Kaltenbach.

Die meisten Kunden kämen aus der Fußgängerzone über die Eisenmannstraße, die aktuelle große Baustelle dort hätte man zuletzt sehr gespürt.

Und auch schon vorher, von 2008 bis 2019, seien in der direkten Umgebung immer irgendwo Bauarbeiten gewesen. "Die längste Baustelle der Innenstadt hat damals in der Zeitung gestanden", erinnert sich Kaltenbach. Über die Jahre gehe das alles an die Reserven.

Corona und der Krieg gaben dem Geschäft den Rest

Und dann kam noch Corona. Kaltenbach meldete 2020 Insolvenz an, schloss in der Folge seine Filiale in der Sendlinger Straße und schlug einen Sanierungskurs ein. Es reichte nicht.

"Letztes Jahr im Frühjahr", sagt Kaltenbach, "da hat man so richtig Hoffnung gehabt, jetzt geht es wieder nach oben – und genau dann kam der Ukraine-Krieg". Ein "richtiger Dämpfer" sei das gewesen, "das hat das Kaufverhalten total ausgebremst", so Kaltenbach.

Oben drauf kamen noch die Energiekosten. Die seien im Januar 2023 doppelt so hoch gewesen, wie im Januar 2022. "Wir haben eine besondere Beleuchtung, damit die Jeans farbecht rauskommt und die Leute nicht mehr ans Tageslicht vor die Tür damit müssen", erklärt er. Die brauche aber leider viel Strom.

Trotz aller Schwierigkeiten, die Belegschaft habe auf die Nachricht von der Schließung geschockt reagiert, sagt Kaltenbach. "Wir sind ein kleines, ganz tolles und sehr familiäres Team", sagt er. Eine Mitarbeiterin ist 45 Jahre im Unternehmen, zwei andere über 30 Jahre. "Da sind viele Tränen geflossen, nicht nur bei den Mitarbeitern."

 

Jeans Kaltenbach – Das Ende einer Institution

Für die Münchner Innenstadt bedeutet die Schließung das Verschwinden eines weiteren Fachgeschäfts – und einer Institution. Generationen von Münchnern dürften hier ihre erste Markenjeans gekauft haben, vielleicht spendiert von den Eltern, vielleicht stolz erworben vom ersten eigenen Geld.

"Wir waren in den 60er Jahren die Ersten, die in München Levis Jeans verkauft haben", sagt Kaltenbach. Die mussten damals noch importiert werden. "Eine 501 musste es oft schon sein, auch wenn sie nicht gut gepasst hat." Kaltenbach schmunzelt.

Auch nach 70 Jahren ist Jeans Kaltenbach ein Familienunternehmen. Norbert Kaltenbachs Vater Adolf, der heuer seinen 101. Geburtstag feiert, hatte das Geschäft 1953 gegründet. Und auch die dritte Generation wäre bereitgestanden – Kaltenbachs Tochter und Sohn, 17 und 21 Jahre alt, wollten übernehmen.

Wie es für ihn nach dem Räumungsverkauf weitergehe, wisse er noch nicht, sagt Kaltenbach. Er hofft, seine Mitarbeiter vermitteln zu können, sofern sie dies wollen. "Wir haben gute Beziehungen", sagt er. "Das möchte ich schon versuchen."

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15 Kommentare
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  • Optimist99 am 24.03.2023 14:40 Uhr / Bewertung:

    Schade. Die Vielfalt der Innenstadtgeschäfte geht mehr und mehr verloren. Immer mehr Konzerne mit ihren „tollen“ Flagship Stores. Gegen den Internethandel hat der stationäre Handel keine Chance (insbesondere in München mit den exorbitant hohen Pachten), solange das Zu- und Rücksenden der Internet-Ware kostenlos ist. Ein Warenlager am Autobahnkreuz ist billiger und die Produktauswahl auch größer.
    Interessant wäre auch, was aus dem Gebäude wird. Wird es verkauft? Noch teurer verpachtet ….? Hat die Signa Holding GmbH um Hr. Benko schon angefragt? Diesem Herrn ist das Rathaus ja sehr wohlgesonnen, da müsste sich doch was machen lassen. Der hat auch die Verbindungen, um Krisenzeiten durch Staatshilfen (ca. 680 Mio EUR = unsere Steuergelder,) zu überstehen und sich dann vom Acker zu machen, wenn das Kind (Galeria Karstadt Kaufhof) in den Brunnen gefallen ist.
    Wär doch auch was für die Schörghuber Gruppe, die vor kurzem ihren Firmensitz in die „Steueroase“ Pullach verlegt hat.

  • Glitzerkugel am 24.03.2023 14:00 Uhr / Bewertung:

    Die Leute kaufen lieber Online, kann man nichts machen.

  • MUC am 24.03.2023 13:20 Uhr / Bewertung:

    Sehr sehr schade, hab mein Leben lang dort meine Jeans gekauft; schuld an der Pleite von Kaltenbach sind allein die Käufer, die auf online-kauf umgestiegen sind. Sich Ware vielfach schicken lassen ... anprobieren ... und dann den Rest wieder zurückschicken, dies ist eine neue Weltsicht. Wie schön war es damals, die neue Jeans mit einem Stadtbummel zu verbinden, aber tempora mutantur.

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