Ist er ein Mörder? 70-Jähriger schweigt im Prozess zum "Silvester-Mord" in München

Mordprozess in München: Ein Engländer auf der Anklagebank soll einen 69-Jährigen in Giesing vor 45 Jahren laut Staatsanwaltschaft erschlagen haben.
John Schneider
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Ein Engländer muss sich seit Donnerstag in München wegen Mordes verantworten – 45 Jahre nach dem Tod eines Giesingers.
Ein Engländer muss sich seit Donnerstag in München wegen Mordes verantworten – 45 Jahre nach dem Tod eines Giesingers. © Niklas Treppner/dpa

München - Ruhig, freundlich lächelnd, mit kariertem Hemd und lichtem weißen Haar: Der 70-jährige Joseph W. auf der Anklagebank wirkt so gar nicht wie ein Raubmörder, mehr wie der nette Opa von nebenan. Doch das könnte täuschen. Der englische Rentner hat eine dunkle Vergangenheit. Er hat bereits eine langjährige Gefängnisstrafe wegen eines Raubdelikts abgesessen. Jetzt will ihm die Münchner Staatsanwaltschaft einen Mord nachweisen. 45 Jahre nach der Tat.

Mordprozess in München: Hat Joseph W. vor 45 Jahren aus Habgier einen Rentner getötet?

Der Brite soll im Dezember 1978 in der Giesinger Wohnung seines mutmaßlichen Opfers einem 69-jährigen Rentner den Schädel zertrümmert haben. Heimtückisch und aus Habgier, so die Ankläger. Der Fall hatte vor 45 Jahren als "Silvester-Mord" großes Aufsehen erregt: Verwandte hatten sich Sorgen gemacht, weil das Opfer nicht wie verabredet zu einer Messe erschienen war und nicht auf Anrufe reagierte.

Die Polizei fand den 69-Jährigen daraufhin am 2. Januar 1979 mit zertrümmertem Schädel tot in seiner Badewanne. In der Wohnung fehlten zudem mindestens 1000 Mark Bargeld, ein Münzring und der Schlüssel. Das letzte Mal lebend gesehen worden war das Opfer am 30. Dezember – in Begleitung eines jungen Mannes. Der heute 70 Jahre alte Angeklagte wird zu den Mordvorwürfen aber keine Stellung nehmen. Auch über seine persönlichen Umstände werde ihr Mandant nichts sagen, erklären beim Prozessauftakt am Donnerstag seine Verteidiger Andrea Mathes, Raffael Fach und Ömer Sahinci.

Der "Silvester-Mord" von München: Der entscheidende Hinweis kam aus der Datenbank

Laut Anklage soll der Mann, der früher am Bau gearbeitet hat, sein Opfer um Silvester 1978 herum mit einem kiloschweren Mörserstößel erschlagen haben. Doch wie kamen die Ermittler nach so langer Zeit auf ihn als Verdächtigen? Der entscheidende Hinweis kam aus der Datenbank: Der Mörder des Giesingers hatte einen Fingerabdruck am Tatort, dem Badezimmer in der Wohnung des Opfers, hinterlassen. Bei einem europaweiten Abgleich konnte dieser Abdruck dem Engländer zugeordnet werden. Ein derart später Ermittlungserfolg in einem "Cold Case" gilt als höchst selten. Da er aber zu den Vorwürfen schweigt, droht ein aufwändiger Indizienprozess.

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Der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann bringt es auf den Punkt: "Es sind natürlich naturgemäß sehr viele Zeugen verstorben." Entsprechend müsse sich das Verfahren auf viele alte Schriftstücke stützen, die dem Angeklagten alle übersetzt werden müssen. Eine erste Klippe, die es zu umschiffen gilt: Die Verteidigung moniert, dass ein Polizist bei der Überführung des Engländers nach München mit diesem gesprochen habe und dies obwohl Joseph W. zuvor erklärt hatte, sich erst mit einem Verteidiger besprechen müsse. Seine Aussagen dürften deshalb nicht verwendet werden, so der Antrag. Eine Entscheidung steht hier noch aus.

Angenehm überrascht war die Münchner Justiz, dass Joseph W. recht reibungslos von den Engländern ausgeliefert wurde. Ein Grund dafür: Der Angeklagte selbst war mit diesem Prozedere einverstanden.  Das Urteil soll nach derzeitiger Planung im April fallen.

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